Demonstranten laufen vor der Polizei weg. Nach der belarussischen Präsidentschaftswahl ist es zu blutigen Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten gekommen.Bild: AP / Sergei Grits
International
Naht nun das Ende der 26-jährigen Herrschaft von Staatschef Alexander Lukaschenko? Nach der Wahl in Belarus kommt es zu landesweit zu Demonstrationen. Die Polizei reagiert brutal.
Bei landesweiten Protesten nach der Präsidentenwahl in
Belarus (Weißrussland) sind Zehntausende Menschen gegen Wahlfälschung
auf die Straße gegangen. Dabei kam es in der Nacht zum Montag zu
blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. Es gab viele Verletzte. Die
Polizei ging brutal gegen friedliche Demonstranten vor. In der
Hauptstadt Minsk setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer,
Gummigeschosse und Blendgranaten ein. Solche Proteste hat die
Ex-Sowjetrepublik noch nie erlebt. Die Hoffnungen der Menschen ruhen
nun auf der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja.
Hoffnungsträgerin Swetlana Tichanowskaja
Die 37-Jährige soll nach Prognosen staatlicher Meinungsforscher die
von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl jedoch verloren – Staatschef Alexander Lukaschenko sie dagegen gewonnen haben. Die
Wahlkommission veröffentlichten aber auch Stunden nach Schließung der
Wahllokale keine ersten offiziellen Ergebnisse. Es war lediglich die
Rede von einem Sieg Lukaschenkos. Die Internetseite der Wahlleitung
war zunächst nicht abrufbar – wie viele andere Webseiten in Belarus.
Tichanowskaja wollte ihre Niederlage nicht einräumen: "Es kann keine
Anerkennung eines solchen Wahlergebnisses geben", sagte Sprecherin
Anna Krasulina der Deutschen Presse-Agentur. Es sei damit zu rechnen
gewesen, dass die staatlichen Prognosen Lukaschenko rund 80 Prozent
der Stimmen zuschreiben würden. "Das ist fern jeder Realität."
Von Lukaschenko gab es nach der Abstimmung keine Reaktion.
Stattdessen kam im Innenministerium ein Krisenstab zusammen. Die Lage
sei unter Kontrolle, teilten die Behörden staatlichen Medien zufolge
mit. Wie viele Menschen festgenommen wurden, teilten sie zunächst
nicht mit. Die Menschenrechtsorganisation Wesna sprach in der Nacht
von zunächst mehr als 50 Festnahmen allein Minsk. Landesweit sollen
es 120 gewesen sein. Diese Zahl dürfte weiter steigen.
Demonstration endet teils blutig
Nach Angaben von Beobachtern sollen sich in der Hauptstadt bis zu 100.000 Menschen an den Demonstrationen beteiligt haben. Auf Videos war
etwa zu sehen, wie Demonstranten aus Müllcontainern Barrikaden
errichteten. Menschenmassen zogen durch die Straßen – auch in anderen
Städten des Landes. In sozialen Netzwerken wurden immer wieder Videos
veröffentlicht, wie Polizisten brutal auf Menschen einprügelten. Auch
Demonstranten attackierten Polizisten, um Festnahmen zu verhindern.
Es gab viele Bilder von blutüberströmten Menschen.
Tichanowskaja rief die Sicherheitskräfte in der Nacht zum
Gewaltverzicht auf.
"Ich möchte Polizei und Militär daran zu erinnern, dass sie Teil des Volkes sind."
An ihre Anhänger appellierte sie, Provokationen
zu unterlassen. "Ich weiß, dass die Menschen in Belarus morgen in
einem neuen Land aufwachen werden", meinte Tichanowskaja.
In einzelnen Orten kam es auch zu ersten Siegesfeiern für die
Oppositionskandidatin. Die Menschen riefen die Uniformierten auf,
sich dem Wählerwillen zu beugen und dem Volk anzuschließen. In
einzelnen Ortschaften habe die Polizei kaum Widerstand leisten können
gegen die Menschenmengen, berichteten oppositionsnahe Portale
im Internet, das landesweit zeitweise nicht funktionierte.
Wie viele Stimmen entfallen wirklich auf Tichanowskaja?
Wann offizielle Wahlergebnisse vorliegen, war zunächst nicht klar.
Einzelne örtliche Wahlkommissionen traten am Abend vor die
Menschenmengen und verkündeten Ergebnisse, nach denen Staatschef
Lukaschenko eine schwere Niederlage erlitten habe. Teils kam
Tichanowskaja demnach auf zwischen 80 bis 90 Prozent der Stimmen.
Vor den Wahllokalen hatten sich am Sonntag teils lange Warteschlangen
von einigen Hundert Metern gebildet. Das gab es in der
Ex-Sowjetrepublik noch nie. Nach Angaben der Wahlkommission stimmten
84 Prozent der Wahlberechtigten ab. Schon am Wahltag und in den
Wochen davor gab es viele Festnahmen. Lukaschenko, der als "letzter
Diktator Europas" gilt, hatte mit dem Einsatz von Militär gedroht, um
seine Macht zu erhalten. In Belarus wird noch die Todesstrafe
vollstreckt.
Ziel Tichanowskajas war es im Wahlkampf, die Abstimmung zu gewinnen,
als Präsidentin alle politischen Gefangenen freizulassen und dann
freie Neuwahlen anzusetzen. Sie kandidiert an Stelle ihres Ehemanns
Sergej Tichanowski. Der regierungskritische Blogger sitzt wie der
frühere Banken-Chef Viktor Babariko in Haft - wegen Anschuldigungen,
die als politisch inszeniert gelten.
(lin/dpa)
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