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Bartsch im ARD-Sommerinterview: Linke-Spitzenkandidat stellt sich hinter Wagenknecht

Wegen Regens mussten Matthias Deiß und sein Gast Dietmar Bartsch (Die Linke) ihr Livegespräch nach drinnen verlegen.
Wegen Regens mussten Matthias Deiß und sein Gast Dietmar Bartsch (Die Linke) ihr Livegespräch nach drinnen verlegen.bild:screenshot/tagesschau24.de
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"Die Küken werden im Herbst gezählt": Dietmar Bartsch gibt sich im ARD-Sommerinterview optimistisch

02.08.2021, 07:3702.09.2021, 14:34
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Im ARD-Sommerinterview hat sich am Sonntag Dietmar Bartsch den Fragen von Matthias Deiß, stellvertretender Studioleiter des ARD-Hauptstadtstudios gestellt. Der Spitzenkandidat der Linken ist der dritte Gast, nach Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP).

"Die Linke blickt in den Abgrund", leitet Deiß das Gespräch ein. Über ihm und seinem Interviewgast fliegen Polizeihubschrauber: sogenannte Querdenker und Corona-Skeptiker demonstrieren an diesem Tag in der Hauptstadt.

So kommt Deiß schnell auf das erste Thema zu sprechen: Die Testpflicht für Reiserückkehrer und was Bartsch und seine Partei von großflächigen Polizeikontrollen zur Durchsetzung hielten. "Wenn es Verordnungen gibt, müssen diese auch kontrolliert werden", ist die pragmatische Antwort des Linken.

Dietmar Bartsch stammt aus Stralsund und ist in der DDR aufgewachsen – ab 1953 gab es dort eine gesetzliche Impfpflicht für Bürgerinnen und Bürger. In der Bundesrepublik gibt es eine solche Pflicht nicht. Trotzdem möchte Deiß von Bartsch wissen, wie er zu einer verpflichtenden Corona-Impfung steht und was er von den Bratwürsten hält, die in Thüringen zur durchgeführten Corona-Impfung gereicht werden.

Bartsch hält Impfpflicht für Masern für sinnvoll

"Eine Impfpflicht bei Masern finde ich sinnvoll", setzt Bartsch an. Trotzdem sollte es keine Verpflichtung zu einer Corona-Impfung geben. Darin sehe er zum jetzigen Zeitpunkt eine Einschränkung, die das Grundgesetz nicht halten könne.

Vielmehr, so der Spitzenkandidat, müsse alles dafür getan werden, Menschen von einer Impfung zu überzeugen. "Wenn wir wirklich eine höhere Quote wollen, müssen wir alle Möglichkeiten erörtern", sagt Bartsch. Er habe sich deshalb für einen Impfigipfel ausgesprochen. Auch das thüringische Bratwurstmodell hält er für überlegenswert.

Das Wetter will nicht mitmachen. Nach nicht einmal zehn Minuten muss das Livegespräch, das wie alle Interviews dieser Reihe, unter freiem Himmel stattfindet wegen starkem Regen unterbrochen werden.

"Ich erwarte, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen schaut, ob wir eine Einsatztruppe für solche Fälle brauchen."
Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken
im "Bericht aus Berlin"

Und zwar gerade an dem Punkt, an dem das Gespräch besonders spannend wird: wie die anderen ARD-Sommerinterviewgäste bekommt auch der Vorsitzende der Linksfraktion Fragen von Bürgerinnen und Bürgern aus der Republik gestellt. In diesem Fall von Hans-Jürgen Klein aus Brandenburg. Er ist Oberstleutnant und spricht das Wahlprogramm der Linken an. Darin steht, dass die Bundeswehr nicht standardmäßig für den Katastrophenschutz im Inneren herangezogen werden soll.

Die Frage nach einem Regenschirm kam zu spät: Bartsch und Deiß waren schon nass.
Die Frage nach einem Regenschirm kam zu spät: Bartsch und Deiß waren schon nass.bild: screenshot/tagesschau24.de

Jüngst haben die Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz das THW und andere Rettungsdienste bei der Arbeit unterstützt. Eine knappe Stunde später, als Deiß und sein Gast in das ARD-Hauptstadtstudio umgezogen sind und im trockenen sitzen, wird die Frage des Oberstleutnants wiederholt.

"Dass die Bundeswehr dort geholfen hat, das war richtig und vernünftig", beschwichtigt Bartsch. Trotzdem würde er sich wünschen, dass es eigens ausgebildete und ausgestattete Einsatzkräfte für solche Katastrophen gäbe. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen schaut, ob wir eine Einsatztruppe für solche Fälle brauchen", sagt er.

"Es werden Milliarden ausgegeben, wir schaffen keinen Frieden und deswegen wollen wir eine andere Richtung einschlagen."
Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken
im "Bericht aus Berlin"

"Das wird die Wähler verwirren Herr Bartsch, wenn sie Bundeswehr Einsätze im Innern ablehnen, der eine dann aber okay ist. Wird das bei Auslandseinsätzen auch so sein, dass Einzelfälle okay sind?", fragt Deiß. Warum Bartsch sich gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern einsetzt, erklärt er mit historischen und verfassungsrechtlichen Gründen. Auch im Ausland lehnt die Linke Kampfeinsätze ab. Humanitäre Hilfe allerdings nicht

Linke will Verteidigungsetat kürzen

"In der Linken habe ich noch nie jemanden gehört, der gesagt hat, die Blauhelme aus Zypern sollen abgezogen werden", sagt Bartsch. Es sei aber gut, dass es eine Partei im Bundestag gebe, die dafür einsteht, dass Kampfeinsätze im Ausland nicht unterstützt werden sollten. "Es werden Milliarden ausgegeben, wir schaffen keinen Frieden und deswegen wollen wir eine andere Richtung einschlagen", fasst er zusammen.

In ihrem Wahlprogramm spricht sich die Linke dafür aus, die Verteidigungshaushalt zu kürzen. "Wollen sie die Nato abschaffen, oder nicht", fragt Deiß. "Eine Welt ohne Armee ist eine wunderbare Utopie", antwortet Bartsch nach mehrmaliger Nachfrage. Für die nächsten Jahre plane seine Partei den Verteidigungsetat zu senken. "Wenn wir die sozialen Herausforderungen und die Herausforderungen des Klimawandels bewältigen wollen, müssen wir auch sagen, wo das Geld herkommt", erklärt er. Deshalb sei es eine sinnvolle Herangehensweise an dieser Stelle des Haushalts zu kürzen und das Geld umzuleiten.

Von Horrorprognosen will der Linkenspitzenkandidat nichts wissen – er bleibt optimistisch.
Von Horrorprognosen will der Linkenspitzenkandidat nichts wissen – er bleibt optimistisch.bild: screenshot/tagesschau24.de

"Es fehlt nicht mehr viel, und sie sind raus aus dem Bundestag", kommt Deiß auf seine düstere Prognose bezüglich des Einzuges der Linken ins Parlament vom Beginn des Gespräches zurück. Als einen der Gründe führt er das Buch der umstrittenen Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht an. Darin hatte die ehemalige Fraktionschefin moniert, dass viele Menschen mittlerweile "Lifestyle Linke" seien und durch individuelle Befindlichkeiten und Probleme das Große-Ganze und die soziale Frage aus dem Blick gerieten.

Zunächst einmal stellt Bartsch klar: "Ich teile nicht, dass wir kurz vor dem Abgrund stehen". Er stimme aber zu, dass die Partei mit den aktuellen Umfragen nicht zufrieden sein könne. "Die Küken werden im Herbst gezählt", fasst er zusammen.

Zum Thema Sahra Wagenknecht stellt er außerdem klar, dass seine Partei weiterhin für soziale Gerechtigkeit in allen Bereichen einstehe. Klar sei auch, dass die gesamte Linkspartei gemeinsam in den Wahlkampf starte, und dazu gehöre eine Sahra Wagenknecht, als Spitzenkandidatin für Nordrhein-Westfalen, genauso wie Mit-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler und alle anderen. "Ich kann verstehen, dass immer wieder nachgefragt wird, aber eins ist klar, sie ist ein Teil der Mann- und Frauschaft, die jetzt antritt zu der Wahl", sagt er.

"Vor allem bei den Multimillionären und Milliardären wollen wir etwas abholen."
Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken
im Bericht aus Berlin

Die zentrale Frage, erklärt Bartsch, sei generell nicht, wer wann und wo gelacht oder seinen Lebenslauf frisiert habe, sondern wie für einen sozialen Ausgleich gesorgt werden könne. "Wir wollen diejenigen, die von der Krise profitiert haben, belasten", sagt Bartsch. Deswegen habe die Linke eine einmalige Vermögensabgabe vorgeschlagen. So könne ein großes Plus in die Staatskassen gespült werden. Als Beispiel für einen Profiteur der Krise führt Bartsch den Lidl-Chef Dieter Schwarz an.

Bartsch will Superreiche stärker besteuern

Neben der einmaligen Vermögensabgabe plant die Partei außerdem eine Vermögenssteuer. "Es wird immer unterstellt, die Linke will eine Vermögenssteuer, um vielleicht Unternehmen kaputtzumachen: Nein natürlich nicht, wir sind doch nicht behämmert", erklärt Bartsch. Das Ziel der Steuer sei viel mehr, einen sozialen Ausgleich zu schaffen.

"Vor allem bei den Multimillionären und Milliardären wollen wir etwas abholen", stellt Bartsch klar. Die Vermögenssteuer sei also ein wesentliches Element, um den sozialen Ausgleich ohne Verschuldungen stemmen zu können. "Wir brauchen eine große Steuerreform; wir müssen dringend bei der Erbschaftssteuer was machen; wir müssen entlasten im niedrigen Bereich bis 80.000 und wir müssen höhere Einkommen belasten."

Militärische Reform: Was Pistorius mit der Bundeswehr plant

"Kriegstüchtigkeit" ist das erklärte Ziel für die Bundeswehr, auch wenn der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) das Wort während seiner Pressekonferenz am Donnerstagmittag nicht mehr explizit erwähnte. Verabschiedet habe er sich von dem Wort allerdings keineswegs, betonte er auf Nachfrage eines Journalisten. "Ich verstehe, dass sich einige an dem Wort reiben", er werde es aber dennoch weiter benutzen.

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