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AKK nach Görlitz: Warum ein Tweet der CDU-Chefin so heftig um die Ohren fliegt.

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Sie demontiert sich selbst: Warum ihr Görlitz-Tweet AKK so heftig um die Ohren fliegt

17.06.2019, 11:2817.06.2019, 12:00
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Wieder waren die Reaktionen heftig. Grünen-Politikerin Renate Künast nannte es die "Enttäuschung des Tages". Von einem weiteren Beweis der verqueren Weltsicht im Konrad-Adenauer-Haus war in Dutzenden Tweets die Rede, auch von einer "Unverschämtheit" bei den Christdemokraten.

Darum geht es

Es geht um die Wahlen zum Oberbürgermeister in Görlitz, die CDU-Mann Octavian Ursu am Sonntagabend in einer Stichwahl gewonnen hat. Er verhinderte damit den ersten AfD-Oberbürgermeister in Deutschland. Und dazu gratulierte ihm CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf Twitter:

Das Problem: Ursu hatte vor allem deshalb gewonnen, weil sich die Kandidatin der Grünen, Franziska Schubert, vorher aus dem Rennen zurückgezogen hatte. Ein breites Bündnis aus Linken-, SPD- und Grünen-Wählern verhalfen anschließend der CDU zum Sieg – und verhinderten einen AfDler als OB.

Ursu gewann schließlich – und AKK twitterte. Und zog einmal mehr den Online-Zorn auf sich. Dabei wollte sie vermutlich nur ihrem CDU-Kandidaten gratulieren, wie man es als Bundespolitikerin nun einmal aus Anstand tut, wenn ein Kandidat an der Basis einen wichtigen Sieg errungen hat.

Deswegen ist der AKK-Tweet so ungeschickt

  • Der CDU-Chefin musste wissen, dass ihr CDU-Fokus bei ihrem Glückwunsch-Tweet alle anderen gesellschaftlichen Bemühungen gegen die AfD negiert.
  • Sie bezeichnete die CDU als DIE "bürgerlichen Kraft" gegen die AfD, obwohl sich ein großer Teil des Bürgertums wohl vor allem hinter einem Grünen-Banner sammelte.
  • AKK argumentierte in ihrem Tweet parteipolitisch. In einer Sonderlage wie in Görlitz aber, wo es um ein parteiübergreifendes Bündnis gegen den Einzug eines Rechtspopulisten ging, musste das geradezu als Affront gedeutet werden.

Der Abwärtstrend der AKK

Jetzt könnte man argumentieren, dass sich hier nur die politischen Gegner auf Social Media überzogen auf AKK eingeschossen haben.

Aber die CDU-Chefin liegt, gerade auf Twitter, eben wahnsinnig oft daneben. Da hilft es auch nicht, dass sie kurze Zeit nach ihren Glückwünschen an Ursu bereits auf die erste Kritik reagierte:

Auch die Umfragewerte sprechen nicht für AKK. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die "Bild am Sonntag" wollen nur noch 24 Prozent der Deutschen AKK als Kanzerlin sehen. 51 Prozent dagegen Grünen-Chef Robert Habek. Und genau das hat eben auch mit der Social-Media-Stimmung gegen die CDU und ihre Chefin zu tun.

Der Social-Media-Fokus auf die CDU

AKK's Tweet steht in einer ganzen Reihe an Fehlern in der öffentlichen Kommunikation, die die CDU nach der Europawahl massiv geschwächt haben. Allen voran der unsouveräne Umgang mit den parteikritischen Youtubern rund um Rezo.

Diese Fehler bleiben im Social-Media-Gedächtnis haften. Auch weil auf Twitter, Facebook und Co. keine Aussage und kein Tweet für sich alleine steht. Sie sind Teil eines Aufmerksamkeits-Rads, das nur ausrollen kann, wenn man nicht ständig wieder Schwung gibt.

Aber jeder noch so kleine unbedachte Tweet erzeugt genau diesen Schwung und lässt das (Kritik)-Rad auf alter Geschwindigkeit weiterdrehen. Deshalb schafft es AKK mit einem unbedachten Gratulations-Tweet eine erneute Empörungswelle auszulösen, die von klassischen Medien aufgenommen wird und am Ende in nahezu jedem deutschen Wohnzimmer landet. Ihre Verteidiger bei der CDU machen das Ganze dann oft noch schlimmer:

Es entsteht eine öffentliche Anti-Stimmung, Anti-CDU, Anti-AKK, die weit über die Grenzen von Twitter hinaus Wirkung hat. Auf diese Weise wird sich Kramp-Karrenbauer Stück für Stück als Kandidatin selbst demontieren. Und ihre Partei hilft kräftig mit.

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