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Nuklear-Unfall in Russland: Immer mehr Details kommen ans Licht

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Bild: Getty Images/iStockphoto/watson-montage
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Mysteriöser Atom-Unfall in Russland: Was ist am Weißen Meer passiert?

13.08.2019, 18:58
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Ein Raketentest in Russland ist mächtig schief gelaufen. Mehrere Menschen sind am Donnerstag bei einer Explosion am Weißen Meer gestorben. Fragen rund um den Vorfall gibt es viele – aber zum Teil nur wenig überzeugende Antworten.

Was genau ist passiert?

Zu dem Vorfall kam es am vergangenen Donnerstag in der Nähe der Hafenstadt Sewerodwinsk nahe Archangelsk. Auf einer Plattform im Meer testete das russische Militär eine Rakete. Es kam zur Explosion. Sie ereignete sich laut der russischen Atombehörde Rosatom, als Treibstoff in Brand geriet. Mindestens fünf Menschen starben.

Wieviel Strahlung wurde freigesetzt?

Bei der Explosion ist über einen längeren Zeitraum als bislang bekannt radioaktive Strahlung freigesetzt worden. Der natürliche Wert sei in der Spitze um das 16-fache überschritten worden, teilte der russische Wetterdienst Rosgidromet am Dienstag mit. Erhöhte Werte seien innerhalb von zwei Stunden gemessen worden.

Die Verwaltung der nordrussischen Stadt Sewerodwinsk am Weißen Meer hatte zuvor lediglich von einem kurzzeitigen Anstieg von bis zu einer Stunde gesprochen. Viele Menschen reagierten besorgt und deckten sich danach mit Jodtabletten ein. Es gab auch im Ausland die Befürchtung, dass die russischen Behörden – wie in der Vergangenheit – nicht über das wahre Ausmaß informiert hätten.

Der Wetterdienst gab den Höchstwert der atomaren Verstrahlung mit 1,78 Mikrosievert pro Stunde an. Der natürliche Wert im Raum von Sewerodwinsk liege bei 0,11 Mikrosievert. Die Umweltorganisation Greenpeace sprach unter Berufung auf die Stadt von 2,0 Mikrosievert pro Stunde. Deren Experten hielten den Wert "an sich für nicht dramatisch". Es komme vielmehr darauf an, welche strahlenden Stoffe freigesetzt worden sein. Dazu gebe es aber keine offiziellen Angaben.

Wurde ein Dorf evakuiert?

Der Kreml versicherte, dass alle Behörden die vollständige Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet hätten. "Daran sollte kein Zweifel bestehen", sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Doch Zweifel an der offiziellen Version des Kremls nähren die Nachrichten aus Russland und die Informationspolitik des Kreml zweifellos. So berichtet der US-Sender CNN unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur RIA-Novosti, ein Dorf nahe der Unglücksstelle sei evakuiert worden.

Die Verwaltung des zuständigen Gouverneurs dementierte diese Berichte. "Das ist völliger Unsinn", hieß es. Dagegen empfahl die Stadt Sewerodwinsk den Dorfbewohnern, ihre Häuser während der Arbeiten auf dem Testgelände vorübergehend zu verlassen.

Sollten Moskauer Bürger vor Strahlung geschützt werden?

Christian Esch, Moskaukorrespondent des "Spiegel", berichtete am Dienstag zudem von einer rätselhaften Tatsache, nach der "in Moskau die Ausstrahlung aller Fernsehkanäle am Donnerstagabend unterbrochen wurde".

Stattdessen sei eine Sturmwarnung ausgestrahlt worden, die Moskauer seien aufgefordert gewesen, in ihren Wohnungen zu bleiben. Allein: "Der Sturm blieb aus", berichtete Esch. Er stellt die Vermutung an, die Menschen hätten "ohne ihr Wissen vor Radioaktivität geschützt werden" sollen.

Gab es einen Test einer nuklear betriebenen Rakete?

US-Spezialisten vermuteten bereits kurz nach dem Zwischenfall, dass Russland an einer neuen atomar betriebenen Rakete arbeitet. Jeffrey Lews, Rüstungskontrollexperte am Middlebury Insitute of International Studies in Monterey, twitterte am vergangenen Donnerstag ein Satellitenbild, das einen russischen Frachter für Nukleartreibstoff zeigen soll.

Präsident Donald Trump twitterte dazu am Montag, die Explosion habe die Menschen in der Umgebung und darüber hinaus beunruhigt. Trump meinte, sein Land lerne aber viel aus der Explosion. "Wir haben eine ähnliche, wenn auch weiter fortgeschrittenere Technologie." Er erwähnte dabei einen möglichen Namen des Raketentyps: "Skyfall".

Kremlsprecher Peskov wollte die Berichte über einen angeblichen Test der "Skyfall"-Rakete nicht bestätigen, versuchte stattdessen, den USA die Erforschung solcher Raketen zu unterstellen. In Bezug auf Trumps Tweet sagte er: "Es wäre doch sehr merkwürdig, wenn ein Land, eine Supermacht, die mehr in ihre Verteidigung investiert, als alle anderen Länder zusammengenommen, nicht in solchen Projekte involviert wäre."

Die "New York Times" hatte zuvor berichtet, US-Geheimdienste vermuten dahinter den von der Nato als SSC-X-9 "Skyfall" bezeichneten Marschflugkörper. Dieser werde atomar betrieben und könne deshalb besonders weit fliegen. Kremlchef Wladimir Putin hatte im vergangenen Jahr neue Waffen angekündigt, darunter einen atomgetriebenen Marschflugkörper. Ob es sich aber bei dem Test auf dem Militärgelände um genau diesen Waffentyp handelte, blieb unklar.

Rosatomchef Alexej Lichatschow hatte bei der Trauerfeier für die getöteten Experten lediglich gesagt, die Arbeit an neuen Waffentypen werde zu Ende geführt. Details nannte er nicht. Präsident Putin hingegen schlug die Getöteten für staatliche Auszeichnungen vor und kündigte ein Denkmal zu ihren Ehren an.

(pcl/mit dpa)

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