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Attila Hildmann und Michael Wendler: Das sind ihre "Wissenschaftler und Doktoren"

Michael Wendler - Live in Concert XXL - am 28.09.2019 in der Turbinenhalle in Oberhausen Michael Wendler steht am 28.09.2019 in der Turbinenhalle in Oberhausen auf der B
Der Schlagersänger Michael Wendler teilt auf Telegram Verschwörungsmythen.Bild: www.imago-images.de / Revierfoto
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"Wissenschaftler und Doktoren": Das sind die Quellen von Michael Wendler auf Telegram

15.10.2020, 16:1518.10.2020, 16:53
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"Das sind keine Verrückten. Das sind Wissenschaftler und Doktoren, die ihre Meinung kundtun. Und sie belegen es, was die Bundesregierung nicht tut", so bewarb Michael Wendler die Beiträge in seinem Telegram-Channel, den (Stand 15. Oktober) nun fast 100.000 Menschen abonniert haben.

Seitdem der Wendler vergangenen Donnerstag verkündete, nicht mehr Teil der "DSDS"-Jury zu sein, da er die deutschen Medien für gleichgeschaltet und politisch gesteuert hält, hat er sich bei Telegram einen eigenen Verbreitungskanal für Verschwörungserzählungen aufgebaut.

Neben seinem Mentor Attila Hildmann, dessen Videos er fleißig teilt, ebenso wie die der Ex-Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, tauchen dort auch Aktivisten, Ärzte und Wissenschaftler auf, die in Fachkreisen zumindest umstritten sind.

Watson hat drei Beispiele zusammengetragen, um zu zeigen, welchen "Wissenschaftler und Doktoren", aber auch Aktivisten, Michael Wendler in seinem Telegram-Channel eine Bühne gibt.

Dr. Sucharit Bhakdi

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Sucharit Bhakdis Buch "Corona Fehlalarm?" ist äußerst beliebt bei Corona-Leugnern.Bild: www.imago-images.de / Ralph Peters

Wendler verweist in seinen Beiträgen häufig auf Sucharit Bhakdi. Kein Wunder, im Gegensatz zu vielen anderen Ärzten, die von Corona-Leugnern gerne zitiert werden, ist Bhakdi sogar ausgewiesener Experte im Bereich Pandemie-Bekämpfung. Er ist Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, war bis 2012 Professor an der Johannes-Guttenberg-Universität Mainz und Leiter des dortigen Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene. In dieser Zeit leistete er unter anderem wissenschaftliche Beiträge zur Malaria-Forschung.

Inzwischen ist Bhakdi im Ruhestand, forscht allerdings noch an der Uni Kiel. Im März 2020 begann Bhakdi auf einem YouTube-Kanal Videos hochzuladen, die inzwischen millionenfach geklickt wurden und in denen er die Datengrundlage für die Corona-Maßnahmen infrage stellte. Er kritisierte etwa, dass Verstorbene als Corona-Tote gezählt würden, die zwar eine Corona-Erkrankung aufwiesen, aber möglicherweise an anderen Ursachen starben.

Diese konnten jedoch nicht ermittelt werden, da die Leichen nicht obduziert würden. Allerdings veröffentlichte eine Reihe deutscher Pathologen nach über 150 Obduktionen von Corona-Toten im August einen Bericht, der zeigt, dass die Infektion zum Tode führt, nicht etwa Vorerkrankungen oder ein hohes Alter. Zwar ist richtig, dass nicht jede Leiche obduziert wird, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ein toter Corona-Patient infolge der Infektion verstarb.

Die hohen Todeszahlen in China und Italien schreibt Bhakdi der dortigen Luftverschmutzung zu, die die Lungen bereits vorher schädigten. Insgesamt kritisiert Bhakdi die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung als unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen. Im Juni veröffentlichte Bhakdi zusammen mit seiner Frau, der Biochemikerin Karina Reiß, ein Sachbuch mit dem Titel "Corona Fehlalarm?", das inzwischen zu einer Art Bibel der Corona-Leugner geworden ist.

Der Bayerische Rundfunk hat Bhakdis Corona-Thesen unter die Lupe genommen.Video: YouTube/Bayerischer Rundfunk

Bhakdi ist kein Corona-Leugner per se. Seine Kritik ist wissenschaftlich umstritten, aber keine Verschwörungserzählung. Bhakdi lässt sich aber von einigen Corona-Leugnern für deren Argumentation einspannen und widerspricht ihnen nicht. Unter anderem wird er von Verschwörungsideologen wie Ken Jebsen zitiert, ein Interview gab er ihm ebenfalls. Er wird allerdings auch von öffentlich-rechtlichen Medien, wie dem "MDR" als Experte befragt. Der Sender ließ Bhakdis Aussagen aber nachträglich von Virologen einordnen. Spoiler: Sucharit Bhakdi neigt zu fehlerhaften Annahmen.

Samuel Eckert

Samuel Eckert inszeniert sich auf Instagram als freundlicher Live-Streamer und gilt als Jugendbeauftragter der Corona-Leugner.
Samuel Eckert inszeniert sich auf Instagram als freundlicher Live-Streamer und gilt als Jugendbeauftragter der Corona-Leugner.Bild: Instagram

Neben Ärzten bezieht sich Michael Wendler auch auf Aktivisten, die bereits früh in der Anti-Corona-Szene aktiv waren. Unter anderem teilt der Wendler in seiner Telegram-Gruppe auch Nachrichten und Videos von Samuel Eckert, einem YouTuber, der seine Videos aus der Schweiz publiziert und bei Veranstaltungen von Corona-Leugnern auftritt. Er bezeichnet sich selbst als überzeugten Christen und gilt als eine Art Jugendbeauftragter der Szene. Seine Homepage ist aufwändig gestaltet und in Livestreams richtet er sich auf Plattformen wie Twitch und Dlive, Streamingdienste für Gamerinnen und Gamer, gezielt an junge Menschen. Besonders brisant: Auf Telegram bietet er mit den "Samuel Youngsters" einen Kanal für Jugendliche und Kinder an.

Religionswissenschaftler und Antisemitismus-Beauftragter Michael Blume sieht bei den Inhalten von Samuel Eckert eine besondere Gefahr:

"Über die Struktur und Finanzierung besonders problematischer Angebote, etwa der speziell für Minderjährige ausgerichtete Digitalgruppe 'Samuel Youngsters' von dem aus der Schweiz agierenden Samuel Eckert, wissen Eltern und Öffentlichkeit kaum etwas."
Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg.

Unter seinen Videos und auf seiner Homepage bittet Eckert regelmäßig um Spenden und gibt eine Kontonummer an, auf die Unterstützer Geld einzahlen können. Außerdem besteht die Möglichkeit für Zuschauer, Eckert bei seinen Livestreams Geld zu schicken.

Auch Eckerts Themen haben es in sich: Auf seiner Homepage teilt Eckert Fotos von Kleinkindern mit Mundnasenschutz und warnt vor einer baldigen Maskenpflicht für Kinder. Er berichtet über angebliche Impfschäden und teilt Beiträge, die Corona als inszenierte Pandemie darstellen.

Der Verschwörungsmythos von Impfschäden ist eine weitverbreitete Fehlinformation, die ihre Wurzeln in einer Studie des britischen Arztes Andrew Wakefield Ende der 1990er hat. Wakefield hatte in der medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" eine Studie veröffentlicht, die belegen sollte, dass Impfungen teilweise zu Autismus führen würden.

Die Studie stellte sich nachweislich als gefälscht heraus, Wakefield hatte Geld von Eltern autistischer Kinder erhalten, die die Studie instrumentalisieren wollten, um Pharmakonzerne zu verklagen. Wakefield erhielt daraufhin ein Berufsverbot. Der Verschwörungsmythos, dass Impfungen zu schlimmen Krankheiten führen können, hält sich trotzdem bis heute hartnäckig, auch und insbesondere innerhalb der Gemeinschaft der Corona-Leugner.

Dr. Guido Hofmann

Guido Hofmann ist ausgebildeter Gynäkologe.
Guido Hofmann ist ausgebildeter Gynäkologe.Bild: twitter

Guido Hofmann ist Teil der "Querdenker"-Bewegung, die unter anderem in Baden-Württemberg mehrere Großveranstaltungen organisierte. Bei dem gescheiterten Versuch eine Menschenkette um den Bodensee zu bilden, leugnete Hofmann die Existenz einer Pandemie und verbreitete die Falschinformation, dass bereits drei Kinder an "der Maske gestorben" seien. Eine Falschinformation, die von den Behörden wiederholt dementiert wurde.

In den von Michael Wendler verbreiteten Videos spricht Hofmann von der Einführung einer "weltweiten Diktatur". Er erklärt, sich 1500 Stunden in den vergangenen Wochen damit beschäftigt zu haben, weil er überzeugt sei, dass Corona "nichts medizinisches" sei, sondern einen politischen Sinn habe. Beweise für seine Behauptungen liefert er nicht. Stattdessen ruft er zum Widerstand auf.

Immer wieder erklärt Hofmann, dass er durch seine Arbeit als Arzt wüsste, wovon er spricht. Tatsächlich ist Guido Hofmann ausgebildeter Facharzt für Gynäkologie. Seine Schwerpunkte sind nach Angaben auf seiner Homepage unerfüllte Kinderwünsche, Anti-Aging und die sogenannte "Biologische Medizin". Letztere bezeichnet er nicht als Alternativmedizin, sondern als Ergänzung zur Schulmedizin. Ebenso bietet Hofmann "komplementäre Onkologie" an, ein ganzheitlicher Ansatz, der Krebserkrankungen mit Naturheilverfahren begegnet.

Woher Hofmann aus seiner täglichen Praxis seine Expertise zur Virologie hernimmt und warum er glaubt, anerkannten Experten wie Christian Drosten und Hendrik Streeck, die beide seit Jahren wissenschaftliche Studien zu Covid-verwandten Viren veröffentlichen, fachlich überlegen zu sein, ist fraglich. Hofmanns Tagesgeschäft sind nach eigenen Angaben Hormon-Therapien und die Betreuung von Schwangeren. Auch gibt er dafür in seinen Videos keinerlei Belege, sondern wiederholt nur immer wieder, einer Weltverschwörung auf der Schliche zu sein.

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