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"Markus Lanz": Moderator geschockt von Zahlen zu falschen Daten in Corona-Debatte

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Markus Lanz sprach mit seinen Gästren über die steigenden Corona-Zahlen.Bild: screenshot zdf
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Markus Lanz bespricht Prostitution und wird indiskret

23.09.2020, 08:0723.09.2020, 08:53
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Die Coronazahlen in Europa steigen immer weiter an – auch in Deutschland. "Worauf laufen wir da gerade zu", wollte Markus Lanz am Dienstagabend in seiner Talksendung wissen. Dafür hatte er den Virologen Martin Stürmer, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sowie den Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, Falko Droßmann geladen. Auch der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler war zu Gast.

Martin Stürmer erklärt vor allem angesichts der aktuellen Lage in Madrid, Israel und Frankreich: "Wir müssen da ganz genau hinschauen. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir ungeschoren davon kommen, wenn wir nicht lernen, dass diese Infektion wirklich nicht berechenbar ist." Wir hätten es hierzulande gut in der Hand gehabt, hätten alle Maßnahmen getroffen und uns dran gehalten. Doch langsam wende sich das Blatt. Lanz wollte wissen, was Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern anders gemacht habe. "Wir haben letztlich den Vorteil, dass die Grundinfektionsrate in unserem Land deutlich niedriger war, als in den anderen Ländern, wenn man sich die Absolutzahlen anguckt", erklärt Stürmer und meint:

"Wir haben sicher eine andere Bevölkerungsstruktur und eine andere Art und Weise, wie wir miteinander umgehen im alltäglichen Leben."

Virologe warnt vor steigenden Corona-Zahlen

Das würde dabei helfen, dass sich die Infektionen noch nicht so schnell und stark verbreitet haben. "Wir haben den Vorteil, dass wir sehr diszipliniert durch den Sommer gegangen sind und letztlich jetzt die Kontrolle verlieren. Das ist unser Problem", fasst er zusammen. Grundsätzlich sei die noch nicht außer Kontrolle geratene Lage vor allem damit zu begründen, dass wir in Deutschland insgesamt niedrigere Infektionszahlen hätten und es kulturelle Unterschiede gebe. In Frankreich seien Küsschen zur Begrüßung üblich, in Deutschland gebe es mehr Distanz.

Hinzu komme, dass es sich bei Frankreich und Spanien auch um Reiseländer handele, wodurch viele Infektionen ebenfalls eingebracht würden. Ein weiteres Problem: Partys in den großen Städten.

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Falko Droßmann und Martin Stürmer bei Markus Lanz.Bild: screenshot zdf

Stürmer warnt: "Wir sind aber auch in der Gefahr, dass es uns ähnlich passiert. [...] Vielleicht nicht in dem gleichen Maße, was die Absolutzahlen angeht, aber sicher steht uns das auch bevor."

Es seien aktuell vor allem die jungen Menschen, die sich infizierten, was auch die geringere Sterberate und die noch wenigen Intensivpatienten erkläre. Stürmers große Sorge sei, dass die Risikogruppe bald nicht mehr geschützt werden könne und dann sehe es ganz anders aus. "Wenn wir viel zu viele junge Infizierte haben, dann wird das Virus über kurz oder lang auch in die ältere Bevölkerung getragen", mahnt er an.

Bars halten sich oft nicht an Auflagen

Auch der Hamburger Bezirksamtsleiter Droßmann kann bestätigen, dass es vor allem die jungen Leute sind, die momentan zum Risiko werden. Man merke, dass die Menschen wieder eine enorme Lebenslust haben, sie wollen rausgehen, beobachtet Droßmann.

In Hamburg seien es vor allem die 20- bis 29-Jährigen, also die Gruppe, die vermehrt in Bars anzutreffen ist, die sich anstecke. Generell seien Bars und Clubs momentan ein großes Problem. In Hamburg wurden gerade erst in einer Bar mehrere Tresenkräfte positiv auf Corona getestet. Doch die Nachverfolgung der Kontakte ist schwierig, da die Kontaktlisten nicht vollständig oder voller falscher Namen sei.

Tricks der Bars

Droßmann sagt, es gebe die Bars und Clubs, die sich vorbildlich an alle Auflagen halten würden – und die, denen es total egal sei. "Nur schwarz oder weiß, es gab ganz wenig dazwischen", beschreibt er. Die Stadt führe zwar verstärkt Kontrollen durch, doch einige Läden würden bewusst tricksen.

Auch Sebastian Fiedler weiß von solchen Fällen zu berichten. Er habe erfahren, dass es in einigen Lokalitäten so sei, dass am Eingang Handykameras abgeklebt werden, damit Bilder von Menschenansammlungen gar nicht erst entstehen könnten. Auch würde bei Kontrollen die Musik schnell leise gedreht und die Menschen verschwänden schnell samt Maske an ihren Platz.

Droßmann kann solche Fälle bestätigen. Vielen Betreibern sei das Geld einfach wichtiger, sagt er, "weil die Clubs und Bars auch finanziell große Probleme haben". Ein Bußgeld würde die wenigsten abschrecken, nur rigoroses Schließen helfe.

Lanz wollte von Virologe Stürmer noch einmal wissen, wie hoch die Gefahr der Ansteckung in einer vollen Bar, wie damals in Ischgl, tatsächlich sei. Der Virologe wurde deutlich: "Sie haben ja das Wort Ischgl schon erwähnt. Das ist vollkommen klar. Das ist jetzt im Prinzip eine Kopie davon. Wir haben ein dicht gedrängtes Lokal mit vielen, vielen Menschen ohne Abstand, ohne Maske. Da wird garantiert auch Alkohol getrunken, laut gesprochen und gesungen oder ähnliches. Es wäre ein Wunder, wenn wir da nicht auch Fälle sehen", meint er – und es gab ja bereits Ansteckungen.

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Droßmann berichtet von zahlreichen Fake-Namen auf Kontaktlisten.Bild: screenshot zdf

Das größte Problem sei aber, dass viele Besucher nicht nachvollziehbar seien, weil Fake-Namen auf den Listen eingetragen würden. "Da fehlt dann auch das Verantwortungsbewusstsein nicht nur für einen selber zu erfahren, man ist vielleicht infiziert. Sondern auch für die anderen, für die Mitmenschen, für unsere Gesellschaft. Das finde ich bedenklich", so Stürmer.

Bezirksamtleiter schockt Lanz mit Zahlen zu falschen Daten

Dass fehlende Daten tatsächlich ein großes Problem sind, weiß auch Droßmann. In Hamburg sei er gerade dabei, mehr als 1000 Datensätze zu überprüfen, um herauszufinden, ob man im Fall der Fälle jemanden informieren könne. Und er sagt, nur 32 Prozent der aktuell überprüften Datensätze sei valide. Lanz war angesichts der Zahl geschockt.

Für Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier war das allerdings nicht ungewöhnlich. Der CDU-Politiker sagt, dass am Frankfurter Flughafen ähnliche Probleme bestünden und man manche Einträge auch einfach nicht lesen könne.

Droßmann plädiert dafür, neue Konzepte zu erarbeiten, denn man müsse sich eingestehen, dass man mit den Besucherlisten allein nichts erreicht hat, dass es gescheitert ist. Für Lanz sind die Listen ebenfalls ein Graus. Er fühle sich nicht gut dabei, seinen Namen, Adresse und Telefonnummer einzutragen, wenn quasi jeder die Daten einsehen kann. Er könne nachvollziehen, warum jemand falsche Angaben mache, auch wenn er es natürlich nicht gutheiße. Warum es stattdessen keine elektronische Erfassung gebe, wollte er wissen. Lanz verweist dabei auch auf den Besuch von Boris Palmer vor einigen Wochen, der sich für eine Corona-App-Pflicht ausgesprochen hat. Lanz hält das mittlerweile für eine gute Idee: "Wenn ich das jetzt hier sehe, würde ich mittlerweile sagen: Ja!"

Digitale Erfassung hat auch ihre Tücken

Bouffier ist da etwas zurückhaltender. Er verweist darauf, dass Deutschland ein Land sei, dass sich an die Gesetze hält und diese ja auch selbst beschlossen hätte. Noch vor einigen Jahren sei das Thema Datenschutz extrem groß gewesen. Der Schutz der Daten sei seiner Meinung nach extrem wichtig und die Offenlegung jedem selbst überlassen. Aber er sagt auch, dass es nur Konsequent sei, wenn derjenige, der seine Daten nicht offenlegt, in eine entsprechende Lokalität gar nicht erst reinkommt.

Droßmann weiß allerdings auch von Fällen aus Hamburg zu berichten, in denen sich die digitale Erfassung nicht als die beste Lösung entpuppte. Bei den Kontrollen seien auch Läden mit digitaler Erfassung via QR-Code dabeigewesen. Doch einige Betreiber wussten nicht mal, wie sie letztendlich an die Daten herankommen. "Die Daten sind doch kein Selbstzweck. Die sind dafür da, bei einer Gefährdung die Leute warnen zu können", erklärt Droßmann.

Virologe leidet noch unter Corona-Spätfolgen

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Corona war das große Thema bei Markus Lanz.Bild: screenshot zdf

Auch Virologe Stürmer sagt, dass die Geschwindigkeit bei der Nachverfolgung das A und O sei. "Es ist absolut unabdingbar die Kontaktpersonen so schnell wie möglich zu identifizieren, denn wir haben eine Infektion, die bei vielen Menschen sehr milde bis asymptomatisch verläuft, das heißt ohne Symptome. Also ich weiß nicht mal, dass ich das Virus habe und kann es weiterverbreiten."

Wenn dann 70 Prozent der Menschen in einem Lokal nicht identifiziert werden könnten, könnten unzählige Menschen das Virus unbemerkt weitertragen. "Dann haben wir relativ schnell ein ganz großes Problem", warnt er.

Problematisch ist aber auch, dass gerade junge Leute die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, noch immer unterschätzen. Stürmer, der im März selbst an Covid-19 erkrankt war, warnt: "Wir wissen noch immer viel zu wenig über die Langzeitfolgen." Man wisse, dass das Virus in vielen Organen schädlich aktiv sei, sagt er. "Wir reden über die Niere, wir reden über die Lunge natürlich, auch über das zentrale Nervensystem", zählt er auf. Auch er hat noch mit den Folgen der Erkrankung zu kämpfen. "Mein Geruchs- und Geschmackssinn leidet immer noch ein bisschen", sagt er. "Hier ein Risiko einzugehen bei einem Erreger, den wir noch gar nicht so gut kennen in dem Ausmaß, das halte ich auch für sehr gefährlich", macht er deutlich.

Auch Droßmann weiß um diese Problematik und berichtet, dass nach den Fällen in der Hamburger Bar "Katze" die Leitungen der Gesundheitsämter völlig überlastet waren, weil Hunderte Menschen angerufen hätten, um zu melden, dass sie dort waren. Und dann sei sich beschwert worden, dass die Ämter nicht erreichbar seien. Dabei gebe es ja eigentlich einen funktionierenden Ablauf über die Kontaktlisten. "Das ist eigentlich das Zynische dabei, wenn die plötzlich persönlich betroffen sind, dann haben wir das große Aufstöhnen", so Droßmann.

Beim Thema Prositiution wird Lanz indiskret

Markus Lanz interessiert sich allerdings nicht nur für das Nachtleben in den Hamburger Bars und Clubs, sondern auch in den Bordellen. Bei diesem Thema wird der Moderator direkt von Droßmann belehrt: Es heiße Prostitutionsstätten. Auch diese seien am Wochenende wieder verstärkt kontrolliert worden, berichtet er, dabei sei allerdings nichts gefunden worden, was Grund zur Sorge gebe. Lanz hakt nach, wie es dort mit Abständen möglich sei. Droßmann kann sich bei seiner Antwort ein breites Grinsen nicht verkneifen:

"Mein Gesundheitsamt hat das geprüft. Gewisse Dienstleistungen, Herr Lanz, sind da nicht mehr möglich."

Auf weitere Details wolle er angesichts der anwesenden CDU nicht eingehen, witzelte er mit Hinblick auf Volker Bouffier. Der verstand die Anspielung allerdings nicht: "Was hat das denn mit der CDU zu tun?", polterte er. Aber Lanz hatte da eine Vermutung: "Mit dem C vielleicht." Und ja, damit lag er ganz richtig, Droßmann wollte auf das "Christ" im Namen der Partei anspielen. Zu einer weiteren Info ließ sich Droßmann auf Lanz' Drängen aber doch noch hinreißen: "Ich sag mal, alles, wo Körperflüssigkeiten ausgetauscht werden können, wo eingedrungen wird, das ist natürlich nicht möglich."

Die Prostitution wieder zuzulassen, sieht er auch nicht als problematisch an, denn sie habe auch vorher stattgefunden. Sein Appell: "Wir müssen soziales Leben mit Corona wieder ermöglichen." Wie das vor allem vor dem Aspekt der Sicherheit aussehen soll, muss noch erarbeitet werden.

(jei)

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