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Rechtsextremismus

Kampf der Nibelungen in Ostritz: Verurteilter Totschläger unter Teilnehmern

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Straftäter und russische Hooligans – so vernetzt sich die Neonazi-Szene beim Kampfsport

15.10.2018, 20:0616.10.2018, 13:47
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Im sächsischen Ostritz haben am Samstag etwa 650 Kämpfer und Besucher am rechtsextremen Kampfsportturnier "Kampf der Nibelungen" teilgenommen. Mit einer bedrohlichen Mischung an Zuschauern und nicht mehr so geheim wie früher noch.

Unter anderem dabei:

  • Ein Neonazi, der 2005 einen Punk in Dortmund erstochen hat.
  • Beate Zschäpes Gefängnis-Brieffreund.
  • Russische Hooligans.

Das steckt hinter dem "Kampf der Nibelungen"

Der "Kampf der Nibelungen" ist längst ein fester Bestandteil im Event-Kalender der deutschen Neonazi-Szene. Das Konzept: Hunderte Rechtsextreme schauen ebenso rechtsextremen Kampfsportlern bei MMA-, K1- und Boxkämpfen zu.

Der Name des Events ist an die germanische Nibelungensage angelehnt, organisiert werden die Kämpfe von deutschen Neonazis. Offizieller Veranstalter ist der Dortmunder Rechtsextremist Alexander Deptolla.

Bis 2017 wurden die Turniere stets konspirativ veranstaltet, teilweise wussten nicht einmal die Sicherheitsbehörden vorab, wo sie stattfinden. Öffentlich beworben wurden nur das Datum und eine ungefähre Region. 

Vom Geheim-Event zum Festival

Geändert hat sich das im April dieses Jahres. Neonazis veranstalteten ein Musikfestival mit mehr als 1000 Teilnehmern in der kleinen Gemeinde Ostritz, direkt an der polnischen Grenze. Teil der öffentlich beworbenen Veranstaltung war zum ersten Mal auch der "Kampf der Nibelungen".

Am vergangenen Samstag sind die rechtsextremen Kampfsport-Veranstalter nun auf das Gelände in Ostritz zurückgekehrt, um dort ihr erstes eigenständiges und öffentlich angekündigtes Turnier auszutragen.

Das Turnier selbst war dabei allerdings erneut gut abgeschirmt. Die Teilnehmer zu Gesicht bekommen konnten Journalisten und Beobachter lediglich bei der An- und Abreise.

"Es waren Kennzeichen aus dem ganzen Bundesgebiet zu sehen", sagt der Fanforscher und Hooligan-Experte Robert Claus, der am Samstag in Ostritz war.

"Wenig überraschend vor allem aus Städten wie Dortmund, Cottbus oder Chemnitz, aber auch aus kleinen Städten und Landkreisen."
Robert Claus

Auch aus Polen, Tschechien, Russland und der Ukraine seien Teilnehmer angereist, berichtet Claus.

So sah das Neonazi-Festival in Ostritz im April aus:

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Das Wochenende in Ostritz
"Schild und Schwert"-Besucher tauchen am Freitag in Ostritz auf. Auf einem ihrer Pullis steht: "Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen."
quelle: imago stock&people / lausitznews.de/toni lehder
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Ein verurteilter Totschläger beim "Kampf der Nibelungen"

Einer der Angereisten, der von Beobachtern vor dem Veranstaltungsgelände fotografiert wurde, ist der Dortmunder Neonazi Sven K.. K. gehörte einst der "Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld" an und erstach 2005 einen Punk in einer Dortmunder U-Bahnstation. Dafür wurde K. wegen Totschlags zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Seitdem er 2010 frühzeitig entlassen wurde, war K. weiterhin in der Dortmund Neonazi-Szene aktiv. 2011 verprügelte er gemeinsam mit weiteren Neonazis zwei türkeistämmige Jugendliche auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt. ("Westfälische Rundschau")

Auf Twitter veröffentlichte das antifaschistische Recherche-Netzwerk Exif ein Bild, das Sven K. in Ostritz zeigt. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Hooligans Dortmund". Dieses gehöre zur Dortmunder Hooligan-Gruppe "Northside", wie Robert Claus erklärt. 

"Normalerweise geben Gruppen diese Shirts nicht einfach raus. Du musst dazugehören, oder zumindest anerkannt werden", sagt der Fanforscher.

Ein Pappschild erinnert am zehnten Jahrestag des Todes an den Erstochenen.
Ein Pappschild erinnert am zehnten Jahrestag des Todes an den Erstochenen.Bild: imago stock&people

Beate Zschäpes Brieffreund war auch dabei

Sven K. ist nicht der einzige hafterfahrene Dortmunder Neonazi, der am Samstag in Ostritz war. Fotos zeigen Robin S. in einer Ordnerweste an der Einfahrt zum Veranstaltungsgelände. S. wurde wegen eines bewaffneten Raubüberfalls verurteilt. Im Gefängnis begann er eine Brieffreundschaft mit der NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Seit seiner Haftentlassung ist S. in der Dortmunder Neonazi-Szene aktiv und nimmt regelmäßig an rechtsextremen Demonstrationen teil. ("Süddeutsche Zeitung")

Die Neonazi-Kampfsportszene professionalisiert sich

Dass der "Kampf der Nibelungen" nicht mehr streng geheim organisiert wird, ist für Robert Claus ein Zeichen der Professionalisierung der Szene. 

Claus sagt:

"Man merkt, dass die immer professioneller und kommerzieller werden, und sich in der Kampfsportwelt etablieren wollen."

Die Veranstalter wollten den "Kampf der Nibelungen" in das europaweite Netzwerk des russischen Kampfsport-Labels "White Rex" eingliedern. Hinter "White Rex" steht der russische Neonazi, Hooligan und Geschäftsmann Denis Nikitin. Bereits seit mehreren Jahren ist Nikitin eng mit der rechten Szene in Deutschland verbunden. Gemeinsam mit Kölner und Dortmunder Hooligans hat er sich hier geprügelt. Auch er wurde am Samstag in Ostritz fotografiert.

Auf Kämpfen, die Nikitins Label "White Rex" in Russland veranstaltet hat, haben auch ein der Vergangenheit schon Neonazi-Hooligans aus Deutschland teilgenommen. Darunter Timo K. – ein Hooligan genau der Gruppe, deren T-Shirt der Totschläger Sven K. am Samstag trug.

Robert Claus warnt vor der Gefahr durch Kampfsport-Events wie den "Kampf der Nibelungen":

"Da treffen teilweise verurteilte Straftäter aufeinander, finanzieren damit ihre Strukturen und vernetzen sich. Außerdem professionalisieren die ihre Gewalt."

Mehr Informationen über die Russland-Verbindung deutscher Neonazis gibt es hier:

"Das Zentrum ist gesäubert" – WhatsApp-Leak aus Chemnitz

Video: watson/Felix Huesmann, Lia Haubner

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