Neben allen 222 Demokraten stimmten am Mittwoch auch zehn von Trumps Republikanern im Repräsentantenhaus für die Eröffnung eines neuen Impeachment-Verfahrens.Bild: ap / Delcia Lopez
USA
14.01.2021, 06:4114.01.2021, 10:33
Nach der Erstürmung des Kapitols durch
seine Anhänger muss sich Donald Trump als erster US-Präsident in der
Geschichte einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen. Neben allen
222 Demokraten stimmten am Mittwoch auch zehn von Trumps
Republikanern im Repräsentantenhaus für die Eröffnung eines neuen
Impeachment-Verfahrens. 197 Republikaner votierten dagegen. Trump
muss sich damit im Senat wegen "Anstiftung zum Aufruhr" verantworten.
Nach Angaben des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch
McConnell, ist ein Urteil in der Kammer vor der Vereidigung von
Trump-Nachfolger Joe Biden am kommenden Mittwoch ausgeschlossen.
In der Resolution zur Eröffnung des Verfahrens wird Trump für den
Angriff auf den Kongress vergangener Woche persönlich
mitverantwortlich gemacht. Aufgebrachte Trump-Unterstützer waren am
Mittwoch vergangener Woche nach einer aufstachelnden Rede des
Präsidenten in das Kapitol eingedrungen. Dort war zu dem Zeitpunkt
der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg Bidens formell zu
bestätigen. Fünf Menschen kamen bei den Krawallen ums Leben, darunter
ein Polizist. Der beispiellose Gewaltausbruch im politischen Zentrum
der USA löste national wie auch im Ausland einen Schock aus.
Impeachment-Verfahren mehr als nur ein symbolischer Schritt
In der Resolution zur Eröffnung des Verfahrens wird Trump als
"eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die
Verfassung" bezeichnet. Trump muss sich nun einem
Impeachment-Verfahren im Senat stellen, das einem Gerichtsprozess
ähnelt. Im Senat wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, um Trump am
Ende zu verurteilen. Dafür müssten sich mindestens 17 republikanische
Senatoren auf die Seite der Demokraten schlagen.
Ob es dazu kommen könnte, ist derzeit unklar. Trump scheidet mit
Bidens Vereidigung am Mittwoch kommender Woche automatisch aus dem
Amt. Neben der Amtsenthebung sieht die Resolution aber auch vor, dass
Trump für künftige Regierungsämter gesperrt werden soll. Damit würde
ihm eine etwaige Präsidentschaftskandidatur 2024 verwehrt. Deswegen
wäre das Impeachment-Verfahren mehr als ein symbolischer Schritt.
Führende Demokraten hatten außerdem argumentiert, es sei wichtig, ein
Beispiel zu setzen, um Trumps Vorgehen zu verurteilen und damit auch
möglichen ähnlichen Verfehlungen künftiger Präsidenten vorzubeugen.
McConnell teilte am Mittwoch mit: "Selbst wenn der Prozess im
Senat in dieser Woche beginnen und schnell voranschreiten sollte,
würde es kein endgültiges Urteil geben, bis Präsident Trump aus dem
Amt ausgeschieden ist." Er verwies auf Verfahrensregeln und
Präzedenzfälle. Die bisherigen drei Amtsenthebungsverfahren im Senat
hätten 83, 37 beziehungsweise 21 Tage gedauert, sagte McConnell.
Pelosi: Trump habe "inländische Terroristen" angestachelt
Einzelne Republikaner im Senat haben sich bereits offen gegen
Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeachment zugesagt. Der
demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im
Repräsentantenhaus, Adam Schiff, sagte dem Sender CNN, es könne
womöglich ein politisches "Erdbeben" im Senat geben, das zur Mehrheit
für ein Impeachment führen könnte.
Schiff bezog sich auf einen Bericht der "New York Times", wonach
Mitch McConnell intern erkennen ließ, dass er die Absetzung für
gerechtfertigt halte. Unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen
aus McConnells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass die
Demokraten ein Impeachment-Verfahren angestoßen hätten. Das könne es
seiner Partei erleichtern, sich von Trump loszusagen. In seiner
Mitteilung äußerte sich McConnell nicht dazu, ob er das
Amtsenthebungsverfahren für gerechtfertigt halte.
Bei der Sitzung im Repräsentantenhaus bezeichnete die Vorsitzende
Nancy Pelosi Trump als eine "Gefahr für das Land". Der Republikaner
habe "inländische Terroristen" angestachelt, um sich gegen seine
Wahlniederlage zu wehren, sagte sie. "Sie sind nicht aus einem Vakuum
gekommen." Trump habe sich der "Anstiftung zum Aufruhr" schuldig
gemacht. Dafür müsse er zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch der Minderheitsführer der Republikaner im
Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sagte: "Der Präsident ist nicht
ohne Schuld. Der Präsident trägt Verantwortung für den Angriff auf
den Kongress vom Mittwoch durch einen aufrührerischen Mob." Es sei
aber falsch, ihn deswegen in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit
einem beschleunigten Verfahren des Amtes zu entheben. Eine
Amtsenthebung des Republikaners würde die politische Spaltung des
Landes weiter verstärken, warnte er.
FBI warnt vor Protesten rund um die Vereidigung Bidens
Trump rief vor möglichen neuen Protesten anlässlich der
Vereidigung Bidens zur Gewaltfreiheit auf. "Angesichts der Berichte
über weitere Demonstrationen fordere ich, dass es keine Gewalt, keine
Gesetzesverstöße und keinen Vandalismus jeglicher Art geben darf",
hieß es in einer vom Weißen Haus veröffentlichten Trump-Mitteilung.
"Dafür stehe ich nicht und dafür steht Amerika nicht. Ich fordere
alle Amerikaner auf, Spannungen abzubauen und die Gemüter zu
beruhigen."
Die Bundespolizei FBI hat nach Medienberichten davor gewarnt,
dass es rund um die Vereidigung des Demokraten zu neuen gewaltsamen
Protesten kommen könnte. Bis zur Amtseinführung Bidens ist nach
Angaben des Verteidigungsministeriums bislang der Einsatz von bis zu
15 000 Soldaten der Nationalgarde in der Hauptstadt autorisiert, um
die übrigen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Washingtons
Polizeichef Robert Contee sagte am Mittwoch, er rechne sogar mit dem
Einsatz von mehr als 20 000 Soldaten.
Trump hatte in seiner Amtszeit bereits zuvor ein
Amtsenthebungsverfahren über sich ergehen lassen müssen – als erst
dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. In dem
ersten Verfahren musste er sich in der sogenannten Ukraine-Affäre
wegen Machtmissbrauchs und der Behinderung von Kongressermittlungen
verantworten. Im Februar 2020 wurde er am Ende jedoch von allen
Vorwürfen freigesprochen – mit der Mehrheit seiner Republikaner in
der Kammer. Seitdem haben sich jedoch einige Parteikollegen von ihm
abgewandt. Die Krawalle am Kapitol hatten auch in den Reihen der
Republikaner große Empörung ausgelöst.
Trump hatte am Dienstag kritisiert, das Amtsenthebungsverfahren
sei Fortsetzung einer politischen "Hexenjagd". Mit Blick auf seine
Rede unmittelbar vor dem Gewaltausbruch sagte er: "Sie wurde
analysiert, und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe,
völlig angemessen war."
(mse/dpa)
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