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Drosten bei "Illner": "Unsere niedrige Sterblichkeit wird nicht immer so bleiben"

Virologe Christian Drosten bei "Maybrit Illner".
Virologe Christian Drosten bei "Maybrit Illner".Bild: screenshot/zdf
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Virologe Drosten warnt: "Unsere niedrige Sterblichkeit wird nicht immer so bleiben"

Die Gäste von Maybrit Illner diskutieren über die momentan populärsten Ideen, die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland einzudämmen. Virologe Christian Drosten erklärt, wie sich das Infektionsgeschehen in der Bundesrepublik in Zukunft ändern wird.
17.04.2020, 18:17
maik mosheim
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"Können wir schon lockerlassen?", fragt Maybrit Illner eingangs in ihrer Donnerstagabend-Talkrunde im ZDF. Gemeint sind die strikten Corona-Maßnahmen, die nach mehreren Wochen nun erstmals leicht gelockert werden sollen.

Geschäfte unter 800-Quadratmeter-Größe dürfen wieder öffnen, Schulen ab dem 4. Mai schrittweise ebenfalls.

Moderatorin Illner hat am Donnerstagabend eine hochkarätige Runde am Tisch versammelt. Darunter auch die beiden Spitzenpolitiker Markus Söder von der CSU und Christian Lindner, Chef der FDP. Der Berliner Virologe Christian Drosten ist ebenfalls zu Gast.

Zunächst kommt es zu einer regen Debatte von Söder und Lindner, die für zwei Positionen in Deutschland in der Corona-Krise stehen.

"Maybrit Illner": Bayern gegen NRW

Bayerns Ministerpräsident ist an diesem Abend aus München per Video zugeschaltet. Er hat die Maßnahmen in seinem Bundesland als Reaktion auf die Ansprache der Bundesregierung etwas gelockert – aber vorsichtiger, als es andere Ministerpräsidenten in ihren Ländern tun wollen. Wie zum Beispiel das Land Nordrhein-Westfalen mit seiner schwarz-gelben Koalition an der Spitze.

Bayern gegen Nordrhein-Westfalen, Söder gegen Lindner, langsam lockern gegen schnell lockern: Das ist ein Schauplatz bei "Illner".

Lindner wirbt mit dem NRW-Weg, schneller zu lockern, Söder mit dem Bayern-Weg. Die beiden Spitzenpolitiker schaffen es, nahezu jede Maßnahme, jedes Thema, auf "ihr" Bundesland zu ziehen, sich darüber zu profilieren. Irgendwann ist es Moderatorin Illner genug. "Das macht NRW eben so, Bayern macht es anders", würgt sie in einem Moment die Debatte ab

Duell am Donnerstag: Lindner vs. Söder.
Duell am Donnerstag: Lindner vs. Söder.Bild: screenshot zdf

Lindner macht an diesem Abend nicht nur NRW-Werbung, sondern auch viel Oppositionspolitik. Er wirft der Regierung und der Verwaltung vor, in Sachen Digitalisierung viel zu wenig getan zu haben und kritisiert die strikte Maßnahme, dass alle Geschäfte, die weniger als 800 Quadratmeter groß sind, wieder öffnen dürfen. CSU-Chef Söder widerspricht Lindner vorsichtig und betont, man müsse auch beachten, dass es am Ende immer Kompromisse geben müsse. Und die 800-Quadratmeter-Entscheidung sei ein solcher Kompromiss gewesen, er sei sogar für noch weniger gewesen. "Die Bundeskanzlerin übrigens auch", ergänzt er.

Drosten spricht bei "Illner" über einen "Verwischungseffekt"

Die Bundesregierung hat davon abgesehen, eine Maskenpflicht einzuführen. Christiane Hoffmann, Autorin beim Magazin "Der Spiegel", betont, wie wichtig sie das Thema Schutzmasken finde. Was ihr fehle, sei die Leidenschaft, der Bevölkerung zu vermitteln, wie wichtig die Masken seien.

Virologe Christian Drosten hat in der Sendung eine Art Warnung an uns alle: "Unsere beneidenswert niedrige Sterblichkeit wird nicht immer so bleiben."

Er spricht von einem "Verwischungseffekt". Die Bundesländer werden sich laut seiner Einschätzung bei den Fallzahlen angleichen. Bisher seien in Deutschland viele jüngere Menschen infiziert worden – im Gegensatz zu anderen Ländern. Auch dieser Unterschied werde verwischen, meint Drosten. "Wir werden bei gleicher Fallzahl ein Abrutschen in die älteren Altersgruppen kriegen", sagt er. "Das ist ein natürlicher Verwischungseffekt." Und das werde dazu führen, dass schwere Fälle in Deutschland auftreten werden.

Am Ende der Show rückt Virologe Drosten noch einmal in den Fokus. Er kündigt an, dass die Corona-Studie seines Kollegen Hendrik Streeck aus Bonn interessante Erkenntnisse liefern werde. "Es war ein bisschen blöd, dass das in so einem vorläufigen Status kommuniziert wurde mit wenig Hintergrund-Informationen", wiederholt er seine Kritik an der Präsentation der Ergebnisse aus Heinsberg.

Danach kommt er auch noch einmal auf die Sterblichkeitsrate zu sprechen. Die lag in der Heinsberg-Studie bei 0,37 Prozent – und damit weit unter der Rate, die sich aus Fall- und Todeszahlen in Deutschland ergibt. Gangelt, die in Heinsberg schwer getroffene Gemeinde, sei eine Ausnahmesituation in Deutschland, betont Drosten. "Mein Gefühl ist, dass wir bei der Infektionssterblichkeit keine Überraschung erleben werden", sagt Drosten. Er habe den Bereicht 0,3 bis 0,7 Prozent geschätzt, die großen Modellierer arbeiteten mit 0,7 bis 0,9. "Das sind keine großen Unterschiede, wir werden da keinen erhellenden Moment haben."

Digitalpakt Schule soll fortgesetzt werden: Wie sinnvoll ist das?

Von allen Seiten hörte man vor allem im vergangenen Jahr die Warnung: Der Digitalpakt Schule darf nicht ohne Folgefinanzierung auslaufen. Das sei ein verheerendes Signal in Sachen Bildung und digitale Schule.

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