Dank dem Mietendeckel wurden die Mieten von vielen Berlinern heftig verringert. Doch am Donnerstag kippte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz. Es drohen Mieterhöhungen und Nachzahlungen.
Umstritten war das bundesweit einmalige Berliner Mietendeckel-Gesetz mit staatlich festgelegten Obergrenzen für die Wohnkosten von Anfang an. Nun findet es ein unrühmliches Ende: Laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hätte es nie existieren dürfen – ein einzelnes Bundesland ist nicht befugt, eigenmächtig Mietobergrenzen festzulegen. Ausbaden müssen es Mieterinnen und Mieter. Was die am Donnerstag veröffentlichte Entscheidung bedeutet:
Sie kommen nach einer sogenannten Normenkontrollklage zu dem Schluss, dass bei den Mietpreisen allein der Bund das Sagen hat (Az. 2 BvF 1/20 u.a.). Das Mietrecht sei seit 1900 ein zentraler Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Und spätestens durch die 2015 erlassene Mietpreisbremse für besonders begehrte und teure Wohngegenden sei deutschlandweit alles abschließend geregelt. Ein Landesgesetz mit eigenen, schärferen Verboten hat daneben keinen Platz. Der Zweite Senat erklärte es daher komplett für nichtig.
Seit Februar 2020 waren die Mieten für rund 1.5 Millionen vor 2014 fertiggestellte Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Wurde eine Wohnung wieder vermietet, musste sich der Vermieter an Obergrenzen halten, die sich an Alter, Ausstattung und Lage bemaßen sowie an die zuletzt verlangte Miete. Seit 23. November 2020 waren Mieten, die mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen lagen und damit als überhöht galten, gesetzlich verboten. Sie mussten vom Vermieter bei Androhung hoher Bußgelder gesenkt werden. Schätzungen zufolge betrifft das zwischen 340.000 und 512.000 Wohnungen. Mieter konnten mitunter mehrere Hundert Euro monatlich sparen.
Auf diejenigen, deren Miete gesenkt war, kommen Nachzahlungen und eine Rückkehr zur früheren Miete zu. Denn sie müssen rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Deckels wieder die Miete zahlen, die sie mit ihren Vermietern auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches vereinbart haben, so Berlins Senatsverwaltung für Wohnen. Wurde die Miete also gesenkt, wird der Differenzbetrag zur ursprünglich vereinbarten Miete nun schnell fällig. Der Wohnungskonzern Vonovia kündigte an, auf Rückzahlungen zu verzichten, der Konzern Deutsche Wohnen SE will das nicht. Mit Kündigung müssen Mieter, die sich an das Mietendeckel-Gesetz hielten, nicht rechnen.
Wer im Bestand seit Ende Februar 2020 eine Wohnung bezog, profitierte von den Obergrenzen und zahlte oft weniger Miete. Allerdings vereinbarten viele Vermieter mit ihren neuen Mietern sogenannte Schattenmieten für den Fall, dass das Gesetz gekippt wird. Diese lagen teils deutlich höher als die offizielle Miete und dürften nun zum Tragen kommen. Rechtlich umstritten ist nach Angaben des Berliner Mietervereins aber, ob Differenzbeträge ähnlich wie bei den Mietsenkungen für Bestandsmieter auch rückwirkend nachgezahlt werden müssen. "Hier gibt es keinen Automatismus", meint Geschäftsführer Reiner Wild. Es gebe durchaus Annahmen, dass es sich bei Schattenmieten unabhängig vom Mietendeckel um rechtswidrige Vereinbarungen handele. Am Ende könnten das also Gerichte entscheiden.
Aus Sicht der rot-rot-grünen Landesregierung sollte das Gesetz den Mieterinnen und Mietern eine "Atempause" verschaffen. Berlin gilt als Tummelplatz für Immobilieninvestoren, die auf hohe Renditen setzen. Die Mieten stiegen hier über viele Jahre überdurchschnittlich stark. Nach Berechnungen des Dachverbands Zentraler Immobilien-Ausschuss (ZIA) kletterten Neuvertragsmieten allein zwischen 2013 und 2019 um 27 Prozent.
Die bundesweite Mietpreisbremse erlaubt Vermietern seit Mitte 2015 in "Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten", beim Einzug neuer Mieter höchstens zehn Prozent auf die örtliche Vergleichsmiete aufzuschlagen. Aus Sicht von Kritikern wie dem Berliner Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) hat sie den deutlichen Anstieg der Mieten in Berlin aber nicht verhindert.
Da der Landesgesetzgeber nicht zuständig ist, richtet sich der Fokus
auf den Bund. SPD, Linke, Grüne oder Sozialverbände forderten
bereits, dass nun Bundesregierung und Bundestag tätig werden. Der
Deutsche Mieterbund sprach von einem "Weckruf an den
Bundesgesetzgeber, endlich zu handeln und die Mietenexplosion in
vielen deutschen Städten zu stoppen". In der Tat ist mit dem
Beschluss aus Karlsruhe das Problem stark steigender Mieten in vielen
Städten nicht weniger drängend. Als Alternative zu neuen Regelungen
auf Bundesebene schlugen Berlins Grüne vor, den Ländern eigene
Maßnahmen gesetzlich zu erlauben. Ohne eine solche Möglichkeit sind
regionale Mietendeckel, wie sie zuletzt auch in Bremen, Bayern oder
Hamburg diskutiert wurden, aber erst einmal vom Tisch.
(vdv/dpa)