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Hambacher Forst und Wackersdorf: Wir haben mit Regisseur Oliver Haffner über erfolgreichen Widerstand gesprochen

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Von der Atomanlage Wackersdorf zum Hambi – wie sich Protest erfolgreich organisieren lässt

"Wackersdorf"-Regisseur Oliver Haffner über erfolgreichen Widerstand
25.09.2018, 14:5525.09.2018, 15:14
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Widerstand, bei dem sich Aktivisten mit einer breiten Mehrheit aus der Mitte zusammentun? Das geht. Im Kino läuft derzeit der Film "Wackersdorf", der den erfolgreichen Protest gegen die Atomwiederaufbereitungsanlage (WAA) in Bayern nacherzählt. 

Wir haben mit Film- und Theaterregisseur Oliver Haffner über die Proteste und Ausschreitungen von damals, den Hambacher Forst und erfolgreichen Widerstand gegen Großprojekte gesprochen. 

Haffner, geboren 1974 im pfälzischen Germersheim am Rhein, verließ im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie die Heimat und zog nach München. Unter anderem, weil im nahen Philippsburg der zweite Meiler eines AKW hochgezogen wurde.

Was war in Wackersdorf los?

Der Hambi der 80er
Im bayerischen Wackersdorf (Landkreis Schwandorf) sollte in
den 80er Jahren auf Betreiben der Industrie und der CSU-Staatsregierung von
Ministerpräsident Franz-Josef Strauß eine Atomwiederaufbereitungsanlage (WAA) für radioaktive Abfälle aus den deutschen AKW entstehen. Das Projekt stieß in der
Region, in der gerade der Braunkohleabbau eingestellt wurde, auf überraschend
großen Widerstand.

Am Bauort im Taxöldner Forst entstand ein Hüttendorf der
Gegner, die "Freie Republik Oberpfalz“. Zentral war Landrat Hans
Schuierer, der vom Befürworter des Projekts zu einem der einflussreichsten
Kritiker der WAA wurde.

Vier Jahre nach Baubeginn wurde das Projekt 1989
eingestellt. Heute liegt auf dem Gelände ein Gewerbepark.

watson: Herr Haffner, was war das Besondere am Protest gegen die Atomwiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf?
Haffner: Das Besondere war die Vielfalt des Protests. Im Widerstand gegen die WAA haben ganz viele Gruppen zusammengefunden, die sonst nichts miteinander zu tun gehabt haben: eher Linksautonome aus der frühen Umweltbewegung, christliche Gruppen, Bürgerliche aus der Region – die haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Das Geheimnis des Erfolgs liegt im Wesen der Demokratie: einen Kompromiss zu finden zwischen verschiedenen Gruppen und Interessen.  

Das Hüttendorf "Wackerland" wird im Januar 1986 von der Polizei geräumt. 
Das Hüttendorf "Wackerland" wird im Januar 1986 von der Polizei geräumt. Bild: dpa

Widerstand eint. Aber wie kam es zum Bündnis zwischen linken Umweltaktivisten und der eher kleinbürgerlichen lokalen Bevölkerung in der bayerischen Oberpfalz?
Die Initialzündung war sicherlich eine gewisse Heimatverbundenheit. Spätestens als klar wurde, dort sollte ein 200 Meter hoher Schlot entstehen sollte, um die radioaktive Abluft besser zu verteilen, war klar, dass die WAA keine saubere Sache war. Das Erstaunliche ist: Im ersten Widerstand waren sehr viele alte Menschen beteiligt, die sich im Durchregieren der bayerischen Staatsregierung und dem Missachten des Rechts an den Nationalsozialismus erinnert fühlten.

Die Wende kam dann mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986, das hat damals dazu geführt, dass der Protest sich bundesweit organisierte. Zu den Demonstrationen am Bauzaun kamen dann ja Zehntausende aus der ganzen Bundesrepublik nach Wackersdorf.  

Ein Landrat muckt auf: Der ehemalige Landrat Hans Schuierer, 88, (M.) mit der Filmcrew.

Zentral in Ihrem Film ist der SPD-Landrat Hans Schuierer, der damals erst für das Projekt war und dann aber umschwenkte. Welche Bedeutung hatte das?
Hans Schuierer, heute 88, ist eine beeindruckende Persönlichkeit: Er hat auf sein Gewissen gehört und sich gefragt: "Kann ich das verantworten, was hier geschieht?"
Das brachiale Vorgehen von Ministerpräsident Franz-Josef Strauß hat ja einfach alles zerstört, woran er geglaubt hat: Rechtstaat, Verwaltung, der bayerische Landtag hat eigens ein Gesetz erlassen, um seine Zuständigkeit für die Bauaufsicht auszuhebeln.

Und Hans Schuierer hat eine seltene Fähigkeit: Er konnte einen Irrtum öffentlichen eingestehen. Das setzte bei vielen einen Umdenkungsprozess in Gang. Das öffnete Schleusen ins bürgerliche Lager.

Ein umgestoßener Polizeiwagen in Wackersdorf: Bei einer Demonstration kam es am 21. Mai 1986 auf dem Gelände im Taxöldner Forst zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und militanten Ato ...
Ein umgestoßener Polizeiwagen in Wackersdorf: Bei einer Demonstration kam es am 21. Mai 1986 auf dem Gelände im Taxöldner Forst zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und militanten Atomkraftgegnern.Bild: dpa

Ceta, TTIP, Plastikmüll – heute kann man mit einem Click ständig gegen irgendwas sein. Was macht den Unterschied aus zwischen Onlinepetition und aktivem Bürgerprotest auf der Straße?
Im WhatsApp-Zeitalter kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie mühsam es in den 80ern war, Protest zu organisieren: Da gab es sowas wie Telefonketten, also eine Liste, wer wen verständigte, wann was passierte. Über Festnetztelefon wohlgemerkt. Digital ist das einfacher mit Likes und Don’t Likes, aber irgendwie verpufft diese Wut in den sozialen Medien.

Der Protest gegen das Polizeigesetz in München, #Ausgehetzt, #WirSindMehr – ich glaube, dass sich das gerade ändert. Viele Suchen das Gemeinschaftserlebnis und die Erfahrung, ich bin in der digitalen Blase nicht allein.  

#NoPAG oder Wie sich die Bilder gleichen

In den Niederlanden gibt es für Großprojekte sogenannte Technik-Mediatoren. Wie lassen sich bei der Planung von Großprojekten die Bedenken der Menschen berücksichtigen?
Es lässt sich ja vieles gegen Strauß sagen, aber er hatte wenigstens eine Meinung. An der konnte man sich abarbeiten und reiben. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU tut ja gerade so, als ginge ihn der Hambacher Forst nichts an, der macht sich zum reinen Sachverwalter und beruft sich darauf, einen Beschluss umzusetzen. Ehrlich gesagt, brauche ich keine Mediatoren. Die Politik muss mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen, das reicht. Laschet ist der Vertreter des Volkes und nicht der Wirtschaft.

Die Räumung des Hambacher Forsts:

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Die Räumung des Hambacher Forsts
quelle: michael trammer/imago stock&people / michael trammer/imago stock&people
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Holzhütten im Hambacher Forst (waren auch schon in Wackersdorf erfolgreich)

Was lässt sich denn aus Wackersdorf für den Protest im Hambacher Forst lernen?
Vieles. Erstens mal, dass erfolgreicher Widerstand Zeit braucht. In Wackersdorf waren das 7 Jahre und auch im Hambacher Forst sind ja schon viele sehr lange im Protest aktiv, auch wenn die Öffentlichkeit das jetzt erst registriert.

Das zweite ist die Überzeugung zu friedlichem Widerstand. Die Polizei ist nicht der Gegner, nicht in Wackersdorf, bei allem brutalen Vorgehen. Und nicht im Hambacher Forst. Der Skandal liegt in der Politik, die den Willen der Bevölkerung übergeht.

Hier geht's zum Trailer von "Wackersdorf"

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