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WM 2018: 11 Dinge, die wir gelernt haben

MOSCOW, RUSSIA - JULY 15, 2018: France s President Emmanuel Macron (L) and Croatia s President Kolinda Grabar-Kitarovic at the official award ceremony after the final match between France and Croatia  ...
Bild: imago sportfotodienst
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11 Dinge, die wir aus der WM 2018 gelernt haben

18.07.2018, 19:1018.07.2018, 19:14
Dominik Sliskovic
Dominik Sliskovic
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Vier Wochen lang strukturierte sie unseren Alltag, ließ uns länger ARD und ZDF gucken als unsere Großeltern in einem ganzen Monat und für Länder wie Panama und den Iran fiebern: die Fifa-Weltmeisterschaft 2018. Am 15. Juli ging das größte fußballerische Kräftemessen der Welt mit einem 4:2-Sieg Frankreichs gegen Kroatien zu Ende. 

Doch was wird vom Turnier in Russland bleiben? Welche taktischen Kniffe werden sich durchsetzen? Welche Fans werden wir vermissen? Und was kann Deutschland aus seinem Vorrunde-Aus lernen?

Wir haben gleich 11 Dinge aus der WM gelernt.

Umschalten ist das neue Tiki-Taka

Pep Guardiolas Tiki-Taka-Taktik, die den Fußball revolutionierte, ist in ihren Grundzügen sehr simpel: Ständiger Ballbesitz in Verbindung mit schnellen Kombinationen führt früher oder später zu Torerfolg. Guardiola hat jedoch Unrecht: es kommt nicht auf die Dauer, sondern die Qualität des Ballbesitzes an. Die WM bewies, dass die Mannschaft, die das Spiel macht, auch ins Risiko geht und den Gegner zum Umschalten einlädt.

Bei Ballgewinn können dann schnelle und laufstarke Spieler mit wenigen Kontakten Räume einnehmen, die durch die hoch stehende Abwehr des Gegners entstanden sind, und diese dann zur eigenen Überzahl ummünzen. Eine zwar destruktive, jedoch effektive Spielweise, die Frankreich über den Turnierverlauf perfektionierte und "Les Bleus" schließlich auch den WM-Pokal sicherte.

Der VAR kann gut für den Fußball sein

Der VAR soll den Fußball gerechter machen, das betonte Fifa-Präsident Gianni Infantino noch einmal vor dem WM-Finale. Für kroatische Fans wird das ein schwacher Trost sein: Die "Kockasti" waren durch zwei strittige Entscheidungen im WM-Finale in Rückstand gegangen. Einmal griff der Videoschiedsrichter trotz Schwalbe nicht ein, beim zweiten Mal griff er ein – auch wenn man zuvor nicht von einer 100-prozentigen Fehlentscheidung sprechen konnte.

Dabei lobte Alex Feuerherdt vom Schiri-Podcast "Collinas Erben" im Gespräch mit uns doch die sehr hohe Eingriffsschwelle des VAR bei der WM. Denn vor der unglücklichen Leistung im entscheidenden Spiel machten die Videoschiris in Russland einen sehr guten, transparenten Job, von dem die Bundesliga nur lernen kann.

Deutschland braucht ein neues Selbstverständnis

Deutschlands historisches Vorrunden-Aus hat weniger mit fehlender sportlicher Qualität, sondern mehr mit hausgemachten, charakterlichen Fehlern zu tun. Auch vier Jahre nach der berauschenden 7:1-Nacht von Belo Horizonte und dem Titelgewinn im Maracana, auch nach dem Rücktritt wichtiger Typen, nährte sich Deutschlands Selbstverständnis aus der WM 2014.

In Russland gab es jedoch kein zum Garten Eden verklärtes Campo Bahia, sondern ein tristes Sporthotel. Durch sein Confed-Cup-Experiment hatte Löw obendrein die Homogenität der "Mannschaft" verspielt. Plötzlich trafen die sich ihrer Sache sicheren Weltmeister nicht auf Ergänzungspieler mit Touristenmentalität, sondern unbequeme junge Wilde. 

Einzig der DFB-Stab weiß wirklich, wie die Stimmung während des Turniers war, wie laut es tatsächlich bei der Aussprache nach der Auftaktniederlage gegen Mexiko wurde. für Außenstehende scheint es jedoch, als habe Löw in der Moderation dieser Reibereien ebenso versagt, wie er es während der "Erdogan-Affäre" um Özil und Gündogan getan hat. 

Schwalben sind wunderschön

Ohne Schwalben hätte es nie den "Diver"-Torjubel von Jürgen Klinsmann gegeben, ohne Schwalben hätte sich Timo Werner vermutlich nie so schnell ein dickes Fell rangeschafft, dass er für seine anstehende Weltkarriere brauchen wird. Und ohne die Schwalben Neymars bei der diesjährigen WM wären wir um die "Neymar Competition" und das Internet um zig Gifs und Memes ärmer – und wer würde das schon wollen?

Doch auch wenn man den Spaß an der Fallsucht weglässt, war sie zu etwas gut, brachte sie neue Dynamik in die Diskussion über Strafen für Zeitschinderei und Schauspieleinlagen.

Die Fifa hat jedes Strafmaß verloren

Russische Fans hängen einen Neo-Nazi-Banner auf: 8.500 Euro Geldstrafe. Schwedens Kapitän Andreas Granqvist trägt über den Stutzen Socken eines "unauthorisierten Anbieters": 60.000 Euro Geldstrafe. Mexiko belegt Deutschlands Team mit homophoben Rufen: 8.500 Euro Geldstrafe. Kroatien greift vor dem Elfmeterschießen gegen Dänemark zur Zuckerbrause eines nicht-offiziellen WM-Sponsors: 60.000 Euro Strafe.

Wir halten also fest: Ein Paar falscher Socken ist so schlimm wie sieben Neo-Nazi-Banner, für einmal am falschen Energy-Drink nippen darf man bei sieben Spielen den Gegner sexistisch beleidigen. 

Kinder sollten nur noch von Japanern erzogen werden

Japaner sind sehr höflich und äußerst reinlich, das ist schon lange kein Geheimnis mehr. Nichtsdestotrotz fallen der Weltöffentlichkeit bei jeder WM kollektiv die Kinnlade herunter, wenn sie sieht, wie sich japanische Schlachtenbummler nach Spielschluss auf den Tribünen benehmen: Da wird nicht der Bierbecher auf den Boden geschleudert, sondern fachgerecht in den Gelben Sack getütet.

Dass Japans Nationalspieler aus dem selben wohlerzogenen Holz geschnitzt sind wie ihre Fans, zeigten sie nach der herben 2:3-Achtelfinal-Niederlage gegen Belgien: Statt die Kabine nach dem Todesstoß in der letzten Spielsekunde auseinanderzunehmen, räumten die "Blue Samurai" diese fachgerecht auf, wischten einmal durch und hinterließen eine auf russisch geschriebene Notiz: "Danke, Russland." Können wir den Erziehermangel nicht bitte durch Fachkräfte aus Fernost lösen?

Auch eine Niederlage kann sich wie Sieg anfühlen

Wer sich nicht mit Panama über ihr erstes WM-Tor der Geschichte – dem 1:6 gegen England – gefreut hat, hat wahrscheinlich ein Herz aus Stein. Die Mittelamerikaner bewiesen nämlich, dass das alte olympische Motto "Dabei sein ist alles" auch für die WM gelten darf. 
Wir freuen uns deshalb schon auf die ersten WM-Tore Swasilands und Sri Lankas bei der 48er-WM.

Orakel sind over

An dieser Stelle ein großes "Žao nam je" an alle kroatischen Fans, denen unser Mikrowellen-Orakel einen Finalsieg ihres Teams vorausgesagt hat. Wir sollten uns einfach alle eingestehen, dass Paul, die Krake, nicht zu ersetzen ist – und die meisten Tiere, die seitdem als Orakel missbraucht wurden eh farbenblind sind oder nur schematisch sehen. Was juckt es ein hungriges Lama, ob da nun eine Deutschland- oder Südkorea-Flagge auf seinem Napf klebt? 

Noch viel unsinniger: Mikrowellen-Orakel 😝 

Video: watson/Marius Notter, Lia Haubner

Mit Turnier-Slogans kann man sich nur lächerlich machen

Klar, nicht alle Slogan sind so einfallslos platt wie Polens "Go Polen", aber Hand aufs Herz: Wer wird sich in 20 Jahren an die WM zurückerinnern und denken "Frankreich ist seinem Slogan 'Eure Stärke, unsere Leidenschaft' richtig gerecht geworden"?

In Deutschland sieht die Sache ganz anders aus, da werden sicherlich sehr viele das offizielle Motto noch im Kopf haben – weil sich das DFB-Marketingteam damit schön tief in die Nesseln setzte. "Zusammen. Geschichte schreiben", hieß es, und ja, Deutschland schrieb mit seinem allerersten Vorrundenaus Geschichte. Bloß lag das daran, dass die Mannschaft alles andere als #zsmnn war (siehe Punkt 3).

Stimmt noch einmal ab: wie fandet ihr die Slogans der WM-Teilnehmer?

Sportgroßereignisse sind noch immer die beste Bühne für Krisen-Politiker

Die WM 2018 galt im Voraus als Wladimir Putins große Propaganda-Show. Schlussendlich hielt sich der Kreml-Boss größtenteils im Hintergrund und ließ sich nur zum Eröffnungsspiel und Finale im Stadion blicken. Dennoch sorgte der beinahe störungsfreie und friedliche Ablauf der WM dafür, dass sich Putins Umfragewerte erholten, nachdem sie nach einer angekündigten Rentenreform kräftig zu stürzen begannen.

Noch glücklicher dürfte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sein, der bereits vor der WM die politische Macht des Sports beschworen hatte: Der gewonnene WM-Titel und seine Nähe zur Nationalmannschaft dürften ihm – wie schon seinem Vorgänger Jacques Chirac 1998 – ein ordentliches Plus in den Umfragen bringen.

Auch Vizeweltmeisterpräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović aus Kroatien nutzte den Erfolg der Sportler, um von ihren politischen Problemen abzulenken und stattdessen die bodenständige, heimatliebende Mutter des Volkes zu geben. Ist ihr gelungen, müssen wir zugeben.

Russland 2018 war nur ein Vorgeschmack auf Katars Megalomanie 2022

Na, habt ihr auch schon Bock auf die nächste WM in vier Jahren? Die WM 2018 war doch beste Werbung für den Fußball! Ihr fühlt es nicht? Mag vielleicht daran liegen, dass die nächste Weltmeisterschaft in Katar stattfinden wird. Einem Emirat auf der arabischen Halbinsel mit der Fläche von Ostwestfalen. 

Blöd ist, dass Katar, im Gegensatz zu Ostwestfalen, null Fußballtradition besitzt. Fußballstadien, Trainingsplätze, Unterkünfte: wird alles aus dem Wüstenboden gestampft. Geld ist dank der Petrodollar ja mehr als genug da. Einige Bauchschmerzen kann jedoch auch das liebe Geld nicht lösen: Da das Thermometer im katarischen Sommer gerne mal die 50-Grad-Marke erreicht, wird der über Jahrzehnte gepflegte Fußballkalender einfach über Bord geworfen und die WM 2022 in der Adventszeit gespielt. Public Viewing mit Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, während in Katar klimatisierte Stadien angenehme 25 Grad produzieren sollen: Ja, warum denn nicht?

Wer also schon bei Russland wahnwitzigen Investitionen den Kopf geschüttelt hat, wird zugeben müssen: Der wahre Endgegner für die lebendige Fußballkultur ist und wird Katar. Von Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit auf WM-Baustellen ganz zu schweigen...

Und hier nochmal der WM-Rückblick in Pixel-Optik:

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Weltmeister Frankreich!
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