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"Maischberger": Kanzler Kurz verbreitet heikle München-Theorie zu Corona

Wolfram Weimer wirft China vor, Corona lange vertuscht zu haben.
Wolfram Weimer wirft China vor, Corona lange vertuscht zu haben.null / screenshot ard
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Österreich-Kanzler Kurz verbreitet München-Theorie bei "Maischberger"

23.04.2020, 15:0323.04.2020, 15:02
dirk Krampitz
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"Corona hat uns fest im Griff und es ist noch lange nicht vorbei", sagt Sandra Maischberger. So geht es den Nachrichten, so geht es Deutschland und der Welt. Überstanden hat es hingegen ARD-Moderatorin Anna Planken.

Anna Planken hatte Corona.
Anna Planken hatte Corona.bild screenshot ard

"Durchseuchung" der Familie

Sie hatte sich im Österreich-Urlaub unbemerkt mit Corona angesteckt. Nach der Heimkehr fühlte sie sich so erschöpft, dass sie stutzig wurde. Mit Schmerztablette sei es gut auszuhalten gewesen, ohne hingegen nicht. Ihren Corona-Test musste sie sich aber "richtig erquatschen am Telefon". Und das habe sie auch getan, weil sie sonst möglicherweise die Kollegin beim Morgenmagazin angesteckt hätte. Die "Durchseuchung" ihrer Familie liege bei bestimmt 80 Prozent – sogar die Großeltern in den Achtzigern hätten die Krankheit gehabt und glücklicherweise gut überstanden. Anna Planken fühlt sich als "Corona-Besiegerin".

Neben ihr waren am Mittwochabend zu Gast:

  • Robin Alexander (Stellvertretender "Welt"-Chefredakteur)
  • Wolfram Weimer (Publizist und Autor)
  • Sebastian Kurz (österreichischer Bundeskanzler)
  • Prof. Dr. Dirk Brockmann (Pandemie-Experte, RKI)

Wirtschaftsjournalist Wolfram Weimer sagt, dass pro Shutdown-Tag 30 bis 50 Milliarden Euro Schaden entstehen. Und, dass die Uno eine Warnung ausgegeben habe. Wenn die Shutdowns noch zwei Monate länger dauern, würde es in Afrika Hungersnöte geben – mit Hunderttausenden von Toten. Sein Credo: Man müsse einen Weg zurück in die Normalität finden: "Sonst entsteht schlimmerer Schaden als der, den man verhindern möchte." Und doch stellt er fest: "Ich finde es richtig, ich bin sehr dabei wie die Bundesregierung es gemacht hat."

Auch die bisherigen Finanzhilfen für Bürger und Wirtschaft findet er richtig und empfiehlt noch weitere. 500 Milliarden Euro wären bei dem derzeitigen Nullzinssatz in 30 Jahren abgezahlt, wenn man den Soli einfach weiterlaufen lasse, rechnet er vor.

Journalist Robin Alexander findet, Angela Merkel hat einen Fehler gemacht.
Journalist Robin Alexander findet, Angela Merkel hat einen Fehler gemacht.bild: screenshot ard

Politik-Journalist Robin Alexander ist geladen, um sein Wissen darüber, was hinter den geschlossenen Türen der Politik passiert, auszuplaudern. Ihr kolportiertes Zitat von den "Öffnungsdiskussionsorgien" hat Angela Merkel viel Kritik eingebracht. "Da hat sie echt einen Fehler gemacht“, sagt Alexander. Und das habe die Kanzlerin auch eingesehen. "Darum hat sie es auch nicht öffentlich wiederholt."

Politik verliert Glaubwürdigkeit

Auch Weimer empfindet die Formulierung als "Lapsus", schlimmer findet er allerdings den Schwenk der Politik von "Masken helfen nicht" zur dringenden Maskenempfehlung und nun sogar Pflicht. "Da verliert Politik Glaubwürdigkeit". Er unterstellt einen Vorsatz, suggeriert, dass es nur an den nicht vorhandenen Masken gelegen habe. Die Verantwortlichen hätten auch zu Beginn der Krise sagen können: "Masken sind ein Instrument – wir haben aber noch nicht genug."

Maischberger spricht Kurz auf Ischgl an

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ist aus Wien zugeschaltet. Ob sie es überstanden hätten, fragt Sandra Maischberger. "Zumindest sind wir in Phase 2 angekommen", antwortet Kurz. Sie hätten jetzt schon einige Tage hintereinander weniger als 100 neue Infektionen pro Tag. Er hat im Gegensatz zu Deutschland einen Zeitplan verkündet, wie – die passenden Zahlen vorausgesetzt – sein Land stückweise im Zwei-Wochen-Rhythmus wieder hochgefahren wird. Ein Rückfall sei "natürlich eine Sorge – aber wir haben einen wohlüberlegten Plan und setzen es nur um, wenn es die Zahlen hergeben."

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht sein Land in "Phase 2".
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht sein Land in "Phase 2".bild: screenshot ard

Maischberger spricht Kurz auch auf die Corona-Drehscheibe Ischgl an. "Was ich sagen kann ist, dass wenn es Fehlverhalten gab, es auf jeden Fall aufgeklärt und bestraft wird", sagt Kurz zunächst. "Ich tue mich ein bisschen schwer mit diesem Blame-Game, das da immer stattfindet. Egal, wo man hingeht, überall hört man eine andere Geschichte. Ich habe in Italien von einigen gehört: Das haben uns die Chinesen eingeschleppt." In Ischgl hingegen vermuten viele, dass italienische Touristen das Virus eingeschleppt hätten, so Kurz. "In Deutschland gibt es dann einige, die sagen: Ich hab mich beim Skifahren angesteckt."

Kurz verbreitet München-Theorie

Das möge ja alles stimmen, bringe einen aber nicht weiter, sagt Kurz. Nur um im nächsten Satz dann eine heikle München-Theorie zu verbreiten.

"Es gibt jetzt Studien, dass sich das Virus in Europa von München aus ausgebreitet haben soll. Ich weiß nicht, ob es stimmt." Einen Vorwurf wolle er allerdings niemanden machen, es handle sich um eine weltweite Pandemie.

Auf welche Studie sich Kurz bei seiner München-Andeutung konkret bezieht, ist unklar. Denkbar ist, dass er den Tweet eines amerikanischen Genetikers im Kopf hatte, der Anfang März geschrieben hatte, der Covid-19-Ausbruch in Europa könnte von Bayern ausgegangen sein.

Der Virologe Christian Drosten hatte in einer Folge seines NDR-Podcasts ebenfalls über diese Hypothese des US-Wissenschaftlers gesprochen. Drosten kam jedoch zu dem Schluss, dass die Annahme nicht stimmen könne und verwies dabei auf die großen Unterschiede zwischen den bayerischen und italienischen Viren.

Journalist erhebt schwere Vorwürfe gegen China

Wolfram Weimer macht China schwere Vorwürfe.
Wolfram Weimer macht China schwere Vorwürfe.bild: screenshot ard

Zurück zu "Maischberger". Dort hatte Wolfram Weimer noch einmal einen starken Auftritt.

"China hat von Anfang an versucht, es zu vertuschen, die Sache totgeschwiegen. Es verschwanden Dutzende von Menschen. Ärzte, Whistleblower. Allein dadurch ist Corona wahrscheinlich erst zur Pandemie geworden."
Wolfram Weimer

Und er ist sich auch nicht sicher, dass Corona wirklich von einem Tiermarkt in Wuhan stammt oder vielleicht aus einem Labor-Patzer und beruft sich auf einen wissenschaftlichen Artikel im Magazin "Science", wonach die 41 ersten mit Corona diagnostizierten Kranken in China gar keinen Kontakt zum Tiermarkt hatten.

Weimer: China sperrt Journalisten weg

Er wünscht sich, dass China die Fragen nach der Herkunft des Virus erforscht oder erforschen lässt. "Aber im Moment werden alle verhaftet, die das Thema recherchieren wollen." Drei bekannte Journalisten seien weggesperrt worden. Man müsse China angesichts der Corona-Pandemie sagen: "Ihr habt hier Hunderttausende Menschen in den Tod geführt", so Weimer.

Dirk Brockmann präsentiert die ausgewerteten Bewegungsdaten.
Dirk Brockmann präsentiert die ausgewerteten Bewegungsdaten.bild: screenshot ard

Pandemie-Experte Dirk Brockmann war nicht überrascht von Corona. "Unter den Experten sind sich alle einig gewesen, dass irgendwann so eine Pandemie kommt, es war nur die Frage wann", sagt er ruhig. Zu Maischberger mitgebracht hat er die ausgewerteten Bewegungsprofile der Telekom-Handydaten. Das Ergebnis: Im März 2020 haben sich die Deutschen bis zu 40 Prozent weniger mobil gezeigt – und das schon vor den Ausgangssperren. Im Moment steigt die Kurve aber wieder an.

"Die Leute sind müde geworden, sie wollen wieder zurück zur Normalität", deutet der Experte die Daten. Zwar liege man immer noch deutlich unter dem normalen Niveau, aber in einigen Gebieten in Thüringen und Sachsen gebe es schon fast wieder so normale Bewegungen wie vorher. Seine Warnung ist deutlich:

"Wenn wir uns jetzt verhalten wie unter normalen Umständen, müssten wir nur zwei Wochen warten und es würde wieder losgehen."
Dirk Brockmann
Kriminalstatistik: Zahl der Straftaten in Deutschland gestiegen – was das bedeutet

Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent auf 5,94 Millionen gestiegen. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 hervor, aus der die "Welt am Sonntag" am Samstag vorab zitierte und die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag vorgestellt hat. Die Gewaltkriminalität erreichte demnach mit rund 215.000 Fällen den Höchststand seit 15 Jahren.

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