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Ökonom bei "Anne Will" zur Impfstoff-Posse: "Man hat dicke Fehler gemacht"

Ökonom Clemens Fuest kritisiert die Impfstoff-Beschaffung.
Ökonom Clemens Fuest kritisiert die Impfstoff-Beschaffung.Bild: screenshot ARD
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Ökonom über Impfstoff-Posse: "Man hat dicke Fehler gemacht"

01.02.2021, 06:4101.02.2021, 07:26
maik mosheim
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Wie geht es weiter mit dem Corona-Lockdown – und wann endet er oder wird zumindest gelockert? Das ist die große Frage, die sich ganz Deutschland und auch die Runde bei „Anne Will“ am Sonntagabend stellt.

Die Gäste der Sendung:

  • Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
  • Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen
  • Corinna Pietsch, Leiterin des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Leipzig
  • Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
  • Brigitte Meier, Unternehmerin im Einzelhandel

Spoiler: Eine Antwort darauf kann keiner der Anwesenden geben. Die Unternehmerin Brigitte Meier sorgt aber für Diskussionsstoff.

"Ich höre jetzt seit Monaten eine Mischung aus 'Das wissen wir nicht‘ und konkreten Aussagen von Herrn Spahn wie 'Mit dem Wissen von heute würde der Staat keinen Einzelhandel mehr schließen‘.“
Brigitte Meier

So dürfe es nicht weitergehen, fordert sie. Meier merkt man die Frustration deutlich an. Ihr Wunsch: Ihr Einzelhandelsgeschäft möglichst schnell wieder öffnen zu können.

Unternehmerin: "Ich finde, der Staat muss jetzt mal liefern"

Sie habe mal "nachgerechnet": Bei einer Inzidenz von 100 müsse das Gesundheitsamt die Kontakte von 250 positiv Getesteten am Tag nachverfolgen. Sie denke, das sei nicht unmöglich und fordert: "Ich finde, der Staat muss jetzt mal liefern."

Unternehmerin Brigitte Meier beklagt die Corona-Politik.
Unternehmerin Brigitte Meier beklagt die Corona-Politik.Bild: screenshot ARD

Und der Staat versucht zu liefern. Wirtschaftsminister Peter Altmaier wiederholt in der Sendung zumindest das Versprechen der Politik, dem Handel durch die finanziellen Hilfen den Lockdown zu erleichtern. Ihm sei aber auch bewusst, dass alle Hilfen nicht die Wiedereröffnung ersetzen können.

Virologin mit düsterer Prognose für die nächsten Monate

Im Gegensatz zu Altmaier wird die Virologin Corinna Pietsch konkreter, was die Entwicklung des Lockdowns angeht. Und ihre Worte sind kein Hoffnungsschimmer für Unternehmerin Meier.

"Ehe wir wieder richtig viel öffnen werden, werden noch einige Wochen, vielleicht auch Monate vergehen."
Corinna Pietsch

Und Pietsch glaubt auch nicht, dass es Mitte Februar zu Lockerungen kommen kann, sondern dass der Lockdown eher verlängert wird. Wenn es nach der Meinung einiger Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft geht, sollte der Lockdown sogar nochmal verschärft werden.

Corinna Pietsch hat keine guten Nachrichten mitgebracht.
Corinna Pietsch hat keine guten Nachrichten mitgebracht.Bild: screenshot ard

Niedersachsens Stufenplan

Die mittlerweile viel diskutierte „NoCovid“-Strategie zielt auf eine Inzidenz unter 10 ab, dafür soll im Extremfall auch eine Schließung der Industrie in Kauf genommen werden. In Niedersachsen ist diese Inzidenz-Stufe eine von mehreren Stufen in einem extra ausgearbeiteten Stufenplan. Bei einer Inzidenz von unter 10 im Bundesland sollen sogar Diskotheken wieder öffnen dürfen.

Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil.
Niedersachsens Ministerpräsident, Stephan Weil.Bild: screenshot ARD

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat diesen Plan mit seiner Staatskanzlei ausgearbeitet – und steht deswegen wenig überraschend auch voll dahinter. Bei den anderen Gästen in der Runde kommt der Plan so mittelmäßig gut an. So richtig diskutiert wird darüber aber gar nicht, obwohl der Stufenplan aufwendig mitsamt Einspieler vorgestellt wird.

Die Impfstoff-Posse - und was Clemens Fuest darüber denkt

Moderatorin Will will lieber über den Impfstoff reden. Am heutigen Dienstag kommt Deutschland politische und pharmazeutische Elite zum sogenannten Impf-Gipfel zusammen, um die nächsten Schritte beim Thema Impfstoff zu besprechen.

Das in dieser Hinsicht bislang längst nicht alles glatt lief, ist spätestens seit dem in der vergangenen Woche entbrannten Streit zwischen der EU und dem schwedisch-britischen Hersteller Astrazeneca klar. Die Kritik war und ist riesig: Die EU habe schlecht verhandelt und sei selber schuld, heißt es aus verschiedenen Quellen. Und auch Clemens Fuest, der Präsident des ifo-Instituts, sieht große Versäumnisse.

"Man hat dicke Fehler gemacht. Der Hauptfehler der gemacht wurde, war, man wollte möglichst billig sein."
Clemens Fuest

Die EU habe zudem zu spät verhandelt und zu schwache ökonomische Anreize für die Impfstoff-Unternehmen gesetzt, pünktlich die vereinbarte Menge zu liefern. Er meint damit zum Beispiel Prämien, die für eine pünktliche Lieferung an die Unternehmen hätten gezahlt werden können.

Die Runde bei "Anne Will".
Die Runde bei "Anne Will".Bild: screenshot ARD

Doch zu spät sei es noch nicht. "Jeder macht mal Fehler, es macht keinen Sinn, nach einem Schuldigen zu suchen", sagt er. Jetzt sei aber der Zeitpunkt, um nachzuverhandeln.

Nun sitzt die EU beim Impf-Gipfel nicht mit am Verhandlungstisch, dennoch könnte der Gipfel den Grundstein legen für eine nachhaltigere Impfstoff-Politik. Denn so wie es derzeit vorangeht, kann es nicht weitergehen – da sind sich Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und die Bevölkerung ausnahmsweise mal einig.

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