26 Spieler hat Bundestrainer Joachim Löw in seinen vorläufigen Kader für die WM berufen. Darunter 1 großer Gewinner: Nils Petersen, 29, vom SC Freiburg. 5 Fakten über den neuen DFB-Stürmer:
Ein Fußball-Spiel wird im Kopf entschieden. Heißt es. Aber nun gelten Fußballer nicht unbedingt als große Denker. Stichwort: "Wäre, wäre. Fahrradkette".
Immerhin, der Konjunktiv stimmte. Das reicht oft, um für manche Medien als Intellektueller gehyped zu werden.
Nils Petersen ist klug genug, bescheidener zu sein. "Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann", sagte er der Info-Illustrierten Focus im Interview. Und: "Wir Fußballer sind nicht so belesen. Manchmal schäme ich mich, weil ich so wenig Wissen über die Welt besitze.“
Das reichte, um eine Intellektuellen-Debatte im Fußball loszutreten. Petersen gestand aber freimütig ein, dass es ein Fehler gewesen sei, keine Ausbildung zu haben.
Respekt, der Mann ist selbstkritisch. Mitten in der Debatte um Digitalisierung und Bildungsrepublik Deutschland.
Auf der Tribüne im Freiburger Stadion säßen Zuschauer, die "insgesamt wohl intellektueller und schlauer als ich", gestand Nils Petersen dem Focus noch.
Dazu muss man wissen, Fußball war am grün-alternativen Hochschulstandort Freiburg stets ein bissel anders. Volker Finke führte dort in den 90er-Jahren die Raumdeckung ein, da träumten andere noch vom Libero. So wurde sie begründet, die Freiburger Schule.
Fußball mit Köpfchen. Der ehemalige Lehrer Finke ging zu Vorlesungen im Studium generale. Und unter seinen Spielern gab es eine lustige Geschichte. Einem Stürmer, der nicht so belesen war, gaben die Freiburger Kicker das Magazin Spiegel zu lesen. Montags, an dem damals noch Spiegel-Tag war.
Am Ende der Woche wollten die Mitspieler dann wissen, wie der Angreifer das Magazin so fand. "Weiß nicht. Bin erst auf Seite 96", soll die Antwort gelautet haben. Daraus folgt zweierlei:
Das ist er geblieben. "Man muss nur schauen, wie viele Spieler er als Jugendspieler entwickelt hat, die heute in der Bundesliga oder sogar in der Champions League unterwegs sind", sagte Nils Petersen über seinen leicht kauzigen Trainer Christian Streich.
Sie sind eben ein Ausbildungsverein in Baden. Schon immer gewesen.
Löw, Ginter, Petersen, das ist ja schon fast badische Blockbildung. Ein Hoch auf die Freiburger Schule.
Nils Petersen stammt aus Wernigerode in Sachsen-Anhalt. Sein Vater ist dort immer noch Trainer. In der laufenden Saison kam es im DFB-Pokal zum Duell mit Freiburg.
Der Sohn siegte. Aber der Vater sagte im renommierten Sportteil der Süddeutschen Zeitung einen klugen Satz. "Eine seiner Stärken ist es, dass er sich nie größer gemacht hat, als er ist. Aber wenn er sich ein Ziel setzt, erreicht er es auch. So hat er sich immer weiterentwickelt."
So viel väterliches Lob ist selten. Der Sohn konnte es gebrauchen. Aus der zweiten Liga in Cottbus wechselte er zum großen FC Bayern München.
War ein bisschen zu groß die Münchner Schickeria. Petersen ging. Erst nach Bremen und dann nach Freiburg. 15 Treffer erzielte Petersen dort in der abgelaufenen Saison. Bester deutscher Angreifer. Der Lohn: die Berufung ins WM-Kader.
Das Lob kam von ganz oben. "Man weiß ja, wie in Freiburg Fußball gespielt wird", sagte Bundestrainer Joachim Löw am Dienstag. Will sagen: 15 Tore bei einem Klub aus der Abstiegszone, die muss man sich erstmal verdienen.
Und man muss sie erstmal machen. So wie jenes 1:2 im Bundesligaspiel der Freiburger gegen den VfB Stuttgart.
Der Mann kann also was. Aber er darf jetzt nicht zu viel träumen. Löw hat eine eigene Arbeitsplatzbeschreibung für Petersen und die WM: "Er ist ein sehr guter Joker."
Nicht der schlechteste Job für eine WM. Aber auch nicht ungefährlich. Beim letzten Turnier in Brasilien kam Mario Götze im Finale von der Bank und traf zum Siegtor. Und danach? Ein einziger verregneter Sonntag.
Nils Petersen kennt sich aus. Schon bei den Olympischen Spielen in Brasilien 2016 war er teilweise Joker.
"Ich konnte es super genießen, weil ich 70 Minuten auf der Bank saß", sagte Petersen im Comunio-Interview über das Olympia-Finale gegen Gastgeber Brasilien. Das Spiel ging verloren. Weil Petersen im Elfmeterschießen den entscheidenden Penalty versemmelte.
"Ich habe ihm gesagt, dass er sich keine Gedanken machen soll. Das ist halt so, da musst du mit leben", sagte sein Coach Horst Hrubesch. Das klang tröstlich.
Er sagte aber auch. "Ich habe ihm auch gesagt: Klar, ich habe ihn damals gegen Frankreich reingemacht." Das klang sehr nach Horst Hrubesch.
Und weil dieser Horst Hrubesch eben Horst Hrubesch ist, hatte er nach dem Finale noch einen Satz für Nils Petersen parat. "Entscheidend ist, dass du antrittst, den Mut hast und überzeugt bist."
Nils Petersen ist 29. Er hat aber noch nie einen großen Titel gewonnen. Bei der WM im Sommer darf er nun endlich antreten. Den Mut hat er. Und überzeugt ist er ohnehin.