Deutschland
Politik

CDU - Jens Spahn provoziert - und könnte damit irgendwann Bundeskanzler werden.

BERLIN, GERMANY - FEBRUARY 26: Jens Spahn, who has been an outspoken critic of Chancellor and CDU Chairwoman Angela Merkel and who is slated to become the next German health minister, speaks under a s ...
Bild: Getty Images Europe
Politik

Keifen bis zur Kanzlerschaft – 3 wahrscheinliche Spahn-Szenarien 

19.03.2018, 12:3921.03.2018, 18:15
Mehr «Deutschland»

Wer in Deutschland links denkt, hat sein neues Feindbild in der Bundesegierung schon gefunden. Keine Woche arbeitet das Kabinett unter Angela Merkel, da hat es ihr Gesundheitsminister Jens Spahn schon zweimal die Schlagzeilen geschafft:

Am Sonntag verglich Spahn die Abtreibungsdebatte mit dem Tierschutz

„Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.“

Vergangene Woche verschärfte er den Ton der Armuts-Debatte

„Jeder hat, was er zum Leben braucht (…) Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut“

Die Reaktionen fielen heftig aus. Hunderttausende Unterschriften hat eine Petition gesammelt, die Jens Spahn zu einem Monat mit Hartz IV zwingen will. Kritik hagelt es von Kommentatoren, Parteien, Frauenrechtlerinnen und Verbänden. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, Spahn bemühe sich, das konservative Profil seiner Parteien zu schärfen und schiene wohl „nicht ganz ausgelastet zu sein“ (Spiegel).

Dazu muss man wissen, Jens Spahn profiliert sich schon lange als konservativer Hardliner - jetzt geht es aber auch im Kabinett weiter. Wohin das führen könnte? Drei Szenarien:

Szenario 1: Der rechte Kronprinz wird Kanzler

Es ist eine Frage, die CDU-Wähler beschäftigt: „Wann werden Sie Bundeskanzler, Herr Spahn?“ möchte eine ältere Dame auf einem Bürgertreffen in Westfalen vom 37-Jährigen wissen ("WiWo"). Das war sogar noch vor der Bundestagswahl. Spahn antwortet damals jovial: „Das ist in der Politik nicht planbar“.

Dennoch scheinen seine Provokationen sehr geplant. In den vergangenen zwei Jahren kritisierte Spahn:

  • die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin in einem eigenen Buch "Ins Offene: Deutschland, Europa und die Flüchtlinge"
  • forderte ein Burka-Verbot
  • forderte ein Islam-Gesetz
  • kritisierte, dass er in Berlin keinen Kaffee mehr auf deutsch bestellen könne
  • sprach sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft aus 
  • forderte eine Leitkultur an deutschen Schulen

Um ihren innenpolitischen Widersacher und rechten Kronprinzen zu zähmen, holte Angela Merkel Spahn ins Kabinett.

Mit seinem Ministeramt kann Spahn jetzt aber mehr, als nur politisch Enttäuschte abholen, wie Donald Trump und die AfD es tun. Er kann seinen rechten Populismus mit einem Regierungsamt verbinden. Dazu gehören:

  • Konstante Öffentlichkeit
  • Stetige Möglichkeit, sich am Rest der Regierung abzuarbeiten
  • Sich als eines der einzigen Regierungsmitglieder mit klarer rechter Meinung zu profilieren
  • verprellte Union-Wähler aus der AfD abzuschöpfen

Je mehr Widerspruch Spahn erntet, desto besser. Der Fall Donald Trump hat es gezeigt: Wer ständig mit rechten Äußerungen in den Medien auftaucht, kann Wähler hinter sich bringen. Dreht sich so eine Spirale weiter, ist Spahn alles zuzutrauen. Gleichzeitig läuft der Gesundheitsminister in seinem eigenen Ressort nur wenig Gefahr, über politische Affären zu stolpern.

Wenn Angela Merkel geht, könnte Jens Spahn soviel öffentliche Unterstützung gesammelt haben, dass der CDU nicht viel anderes übrig bleiben wird, als ihn zum Kanzlerkandidaten aufzustellen.

Szenario 2: Spahn löst einen Grabenkampf in der CDU aus

Die Warnung von Annegret Kramp-Karrenbauer in Richtung Jens Spahn war deutlich:

Es sei keine gute Idee, wenn Menschen

"die wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte“
Annegret Kramp-Karrenbauer

Auch in Bezug auf die Debatte um die Strafbarkeit von Abtreibung und den Strafrechtsparagrafen 219a will Kramp-Karrenbauer demonstrativ vermitteln statt wie Spahn zu polarisieren.

Das ist wichtig, denn auf diese Weise degradiert AKK ihren Konkurrenten Spahn. Sie gilt als Merkel-Nachfolgerin und wird dem rechten Flügel der Partei nicht einfach so das Feld überlassen.

Kramp-Karrenbauer kommt als Wahlgewinnerin aus dem Saarland; sie gab den Posten der Landesministerin auf, um ihrer Partei als Generalsekretärin zu dienen. Bei ihrer Wahl bekam sie knapp 99 Prozent der Deligierten-Stimmen. Das ist historisch.

Der Grabenkampf kommt

ESSEN, GERMANY - DECEMBER 7: The Member of the German Parliament, Jens Spahn speaks during the 29th annual congress of the Christian Democrats (CDU) on December 7, 2016 in Essen, Germany. Over 1,000 C ...
Bild: Getty Images Europe/illu

Sie wird zur Stimme in der konservativen Öffentlichkeit werden, die gegen Spahn steht. Gegen Ende der Ära von Angela Merkel könnte ein lange bestehender Flügelkampf in der Union ausbrechen. Mit einer gemäßigt konservativen AKK auf der einen und einem Hardliner Jens Spahn auf der anderen Seite.

Szenario 3: Der heimliche Favorit kämpft an einem anderen Tag

Jens Spahn kann provozieren. Aber er kann auch zurückrudern. Wer den CDU-Politiker in den vergangenen Jahren beobachtet hat, hat auch einen Spahn erlebt, der es versteht, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Spahn ist jung und kann auf Zeit spielen:

  • Er wird stetig die öffentliche Aufmerksamkeit ausnutzen
  • sich als Gesundheitsexperte auch eine fachliche Reputation in der Regierung verschaffen
  • Den Kampf um Angela Merkels Nachfolge abwarten, um danach erst zum Sprung anzusetzen

Mit einer guten Basis bei den Rechtsaußen-Wählern und mit einer guten Reputation bei der gemäßigteren Basis hat Spahn in acht Jahren vielleicht noch bessere Chancen.

Genug Arbeit gibt es bis dahin. Der Pflegenotstand und die Situation an Krankenhäusern macht Bürgern im ganzen Land zu schaffen. Wenn Spahn diese Baustellen anpacken kann, dann hat er gleich doppelt gepunktet und kann auf das leidige Rennen in der „Merkel-Folge“ verzichten.

Das könnte dich auch interessieren:

Alle Storys anzeigen
Nach Gender-Verbot in Bayern: CSU irritiert mit gegenderter Stellenausschreibung

Die deutsche Sprache ist Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) besonders wichtig. Dialekte findet der Franke super, 2019 setzte er sich sogar dafür ein, dass Mundart und Bairisch im Unterricht an Gymnasien und Realschulen eine größere Rolle spielt.

Zur Story