Jede Woche darf sich ein Watson.de-Redakteur bei unserem Videoformat "Wein doch!" über eine Alltäglichkeit beschweren, die ihn oder sie nervt. Doch als Kollegin Yasmin Polat sich zuletzt über die stiefmütterliche Behandlung ihrer Debitkarte in deutschen Läden ausließ ("Nehmt sie einfach an!"), entbrannte eine heftige Diskussion.
Diese Haltung sei zu bequem. Es würde dem Einzelhandel schaden, wenn Kunden mit Karte zahlen würden. Das Problem seien "Gebühren für Weiterleitung an Transfergesellschaft, höhere Ausgaben bis zu 4%", kommentierte ein User. Und eine andere: "Kartenzahlung ist für Händler teuer und wenn da jemand 2 Euro mit Karte bezahlen will, lohnt sich das einfach nicht."
Dass unsere Lieblings-Bäckerei am Hungertuch nagt, weil wir zu faul waren Geld abzuheben, wollen wir natürlich nicht.
Machen wir den Einzelhandel mit EC-Karten kaputt? Oder ist es völlig egal, ob wir Plastik oder Papier aus der Tasche ziehen? Wir haben uns das Ganze von zwei Experten erklären lassen.
In Deutschland wird immer noch viel mit Bargeld gezahlt. Laut einer Studie der Bundesbank von 2017 werden 74 Prozent aller Transaktionen bar abgewickelt.
Das Gute an der Barzahlung: "Bei einzelnen Transaktionen ist es das günstigste Zahlverfahren", sagt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland zu watson. Es fallen keine Gebühren für den Händler an.
Allerdings gibt es Fixkosten, die ein Ladenbesitzer jeden Tag einrechen muss.
Die Geldbeschaffung muss jeden Tag, insbesondere für Wechselgeld erfolgen. Der tägliche Weg zur Bank klingt nach nicht viel, verlangt aber nach Zeit und Personal – und das läppert sich durchaus.
Die Kosten für die Abwicklung sind ebenfalls vor allem Personalkosten. Logisch, sagt uns Horst Rüter, Leiter des Forschungsbereichs für kartengestützte Zahlungssysteme: "Im Gegensatz zur Kartenzahlung, muss beim Bargeld jemand das Geld sortieren, zählen und die Abrechnung machen..."
Transport und Sicherung sind die Fixkosten, die am Ende des Tages warten. Das verdiente Bargeld muss sicher in einem Safe verstaut und/oder auf die Bank gebracht werden.
57% der Deutschen nutzen laut Bundesbank-Studie ihre Debitkarte ein- bis mehrmals pro Woche. Für Kunden ist es praktisch, mit Karte zahlen zu können – die Händler zahlen allerdings Gebühren für solche Transaktionen!
Das Terminal mit dem Kartenlesegerät wird in den meisten Fällen geleast. Dazu kommt auch noch die Software zur Abrechnung. Das sind etwa 9 bis 16 Euro im Monat.
Die Autorisierungsgebühr erhebt die Bank bei jeder Transaktion mit Karte. Zahlen muss diese nicht der Kunde, sondern der Händler. "Früher lag die Gebühr bei 0,2 Prozent des Kaufbetrags, mindestens jedoch 80 Cent", sagt Rüter. Eine Packung Kaugummi wäre also ein Minusgeschäft für den Händler gewesen. Deshalb haben viele Läden Mindestbeträge für Kartenzahlung eingeführt.
Die 80-Cent-Regelung wurde allerdings 2014 vom Bundeskartellamt abgeschafft. Eine Mindestzahlung gibt es seither nicht mehr, die Höhe der Gebühr wird individuell zwischen dem Händler und der Bank verhandelt und bewegt sich "realistisch zwischen 0,15 und 0,2%", so Rüter.
Ein Problem für kleine Geschäfte. Rüter: "Während Großhändler ganze Payment-Abteilungen haben, die gute Preise mit den Banken aushandeln, zahlen die Kleinhändler im Verhältnis mehr. Sie können eben nicht jede einzelne Sparkasse aufsuchen – die Kapazität hat keiner." Und weil das nicht machbar ist, brauchen sie einen sogenannten Acquirer.
Der Acquirer verlangt eine Service-Gebühr vom Händler. Er funktioniert als Vermittler zwischen ihm und der Bank. Der Acquirer handelt Autorisierungsgebühren aus und sichert ab, dass das Geld des Kunden auch wirklich auf dem Konto des Händlers landet. "Für diesen Service zahlt der Händler meist etwa 0,1% von seinem Umsatz", sagt Rüter.
Kreditkarten abzurechnen ist für Einzelhändler die teuerste Variante, weil sie dann gleich drei Gebühren zahlen müssen.
Beim Kartenlesegerät gelten die selben Konditionen wie für Debitkarten.
Die Servicegebühr der Acquirer für Kreditkarten unterscheidet sich ebenfalls kaum. Sie liegt bei etwa 0,1%.
Die Autorisierungsgebühr nennt man bei Kreditkarten Intercharge-Gebühr, das Prinzip ist aber gleich: Bei jeder Karten-Transaktion zahlt der Händler einen individuell ausgehandelten Prozentsatz an die jeweilige Kreditbank.
Doch: Die Gebühren sind bei Kreditkarten viel höher und können bei kleinen Händlern schon mal 2 bis 2,5 Prozent ihres Umsatzes schlucken. "Die Höhe der Gebühr ist reine Verhandlungssache und nach oben offen", sagt Rüter.
Bei Kreditkarten wird zusätzlich eine Card-Scheme-Fee erhoben. Diese Gebühr beläuft sich auf etwa 0,1 bis 0,2 Prozent der jeweiligen Transaktionshöhe. Sie wird von Visa- und Mastercard erhoben, wenn ihr System genutzt wird.
"Das Gebührensystem ist sehr undurchsichtig und viele kleinere Händler durchschauen es selbst schon nicht mehr", sagt Horst Rüter abschließend. "Das ist auch der Grund, warum viele am Bargeld festhalten."
Denn: Die Gebühren der Banken sinken derzeit und könnten dann die Fixkosten für Bargeld-Zahlung unterbieten. Noch entscheidender ist aber, dass Kartenzahlung schneller wird. "Inzwischen arbeiten wir mehr und mehr mit Karten ohne PIN und Unterschrift", sagt Rüter. "Und diese kontaktlose Kartenzahlung ist viel schneller, als nach Bargeld zu kramen. Für Händler macht es dann Sinn, umzusteigen – selbst bei Kleinstbeträgen."