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Drogen-Schmuggel: Wie 3,8 Tonnen Kokain im Hamburg Hafen landeten

cocaine powder in lines on a black background
Bild: Getty Images
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Wie 3,8 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen landeten

24.05.2018, 19:4224.05.2018, 22:48
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Mal kommt das Kokain in Seesäcken, mal in Sporttaschen. Oft liegt es gleich hinter der Tür eines Containers, der aus Lateinamerika zum Beispiel nach Europa verschifft wird. Als wäre am Starthafen kurz jemand vorbeigekommen und hätte die illegale Fracht hineingeworfen, damit ein anderer sie am Zielhafen schnell wieder herausholen kann. Wahrscheinlich  läuft es sogar genauso ab.

Jedes Jahr wandern unvorstellbare Massen an Kokain um die Welt. Die Polizeibehörde der Europäischen Union (EUROPOL) geht davon aus, dass jährlich 130 Tonnen Kokain allein nach Europa geschmuggelt werden, vornehmlich übers Meer, aber auch Land- und Luftwege werden benutzt.

Ein Zollbeamter bewacht einen Teil von insgesamt 50 Kilogramm hochreinem Kokain, das 2017 in Hamburg sichergestellt wurde.
Ein Zollbeamter bewacht einen Teil von insgesamt 50 Kilogramm hochreinem Kokain, das 2017 in Hamburg sichergestellt wurde.bild: dpa

Dass die Polizei wohl nur einen Bruchteil davon hochnimmt, zeigt das Bundeslagebild 2017 zur Rauschgiftkriminalität des Bundeskriminalamtes (BKA). Doch selbst die Mengen, die die Fahnder sicher stellen, dürften manchem die Nasenflügel flattern lassen: Mehr als 8 Tonnen Kokain waren es dieses Jahr in Deutschland, davon allein 3,8 Tonnen binnen 3 Monaten am Hamburger Hafen.

Wie gelangt tonnenweise Kokain von kolumbianischen Plantagen nach Hamburg? Mit welchen Tricks werden die Pakete geschmuggelt, dass trotzdem noch so viel unentdeckt bleibt? Die Reise des Kokains in 5 Akten:

Marktführer: Kolumbien

Kolumbien ist weltweit der bedeutendste Produktionsstaat. Riesige Plantagen bestellen Bauern mit Kokasträuchern, aus denen die Droge gewonnen wird. Die Anbauflächen werden von Jahr zu Jahr massiv ausgeweitet. In jüngster Zeit wachsen sie jährlich ungefähr um die Hälfte.

Coca plantation seen in Guaviare district, Colombia, on June 13, 2007. A Colombian plan, was conceived between 1998 and 1999 with the goal of social and economic revitalization, ending the armed confl ...
Eine Koka-Plantage in Kolumbien, das Bild ist von 2007.Bild: dpa

Für 2014 gab das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) bekannt, dass die Koka-Felder in Kolumbien eine Gesamtfläche von 69.000 Hektar umfassen. 2015 waren es 96.000, 2016 dann 146.000 Hektar. Damit würden in die Kokaanbau-Fläche aus 2016 fast 200.000 Fußballfelder passen.

Nach UNODC-Schätzungen werfen die Flächen ungefähr 866 Tonnen Kokain ab.

Vor Ort sterben Menschen und der Wald fällt

Drogenbanden führen erbitterte Kriege, in die auch immer wieder Zivilisten verwickelt werden. Mexiko, das nur Transitland ist, ist ein eindrückliches Beispiel. Unvergessen ist die Gruppe von 43 Studenten, die seit 2014 verschwunden ist (Tagesschau). Um diesen Fall ranken sich bis heute zahlreiche Indizien um korrupte Polizisten, schweigende Anwälte, schludrige Behörden und eine enge Verzahnung aller mit Drogenkartellen, die möglicherweise selbst für das Verschwinden der Studenten verantwortlich sind.

Der Krieg zieht seine Kreise bis tief in den Dschungel. Inzwischen sind sogar abgeschieden lebende indigene Völker betroffen, die vor ein paar Jahren keine anderen Menschen außer ihre Stammesmitglieder kannten und nun von Bewaffneten durch den Wald getrieben oder gar getötet werden (ZEIT).

Der Wald selbst ist ebenfalls bedroht. Forschen mahnen, dass der Drogenhandel der Umwelt erheblich zusetzt. Banden brennen Bäume nieder, roden Waldflächen für ihren Anbau. Das Fachmagazin "Science" bezeichnete dies mal als "Narco-Entwaldung". Die Autoren des Textes prangerten an, dass  Drogenhandel entscheidend zur Zerstörung des Waldes beitrage, das aber immer übersehen werde.

Wir möchten dazu mal kurz die Band "Von wegen Lisbeth" zitieren:

Ach Chérie, es ist mir echt egal
Was du wo und wann gerne für Drogen frisst
Doch erzähl mir nichts von diesem Regenwald
Honey, wenn du selbst gerade am Koksen bist

Rip oder Drop?

Mal nehmen die Kokainladungen den direkten Seeweg, in anderen Fällen werden sie über Umwege geschickt, um Fahnder zu verwirren. Das BKA benennt zwei Methoden, die Händler nutzen, um die Droge zu schmuggeln. Gut möglich, dass es noch mehr gibt, die den Behörden nur nicht bekannt sind.

Wenn sich watson-Redakteure betrinken:

Video: watson/Julia Dombrowsky, Lia Haubner

"Rip-on/Rip-off"-Methode

Das Kokain fährt als Beiladung in einem Container mit. Die Unternehmen, denen die Container gehören, sind oft unbeteiligt und wissen von nichts. Die Schmuggler brechen die riesigen Frachtbehälter auf, stellen ihre Ware hinter der Tür ab und versiegeln die Räume wieder, etwa mit Duplikaten offizieller Siegel.

"Drop-off/Drop-on"-Methode

Hierfür müssen zumindest ein paar Leute an Bord eines Schiffes eingeweiht sein. Auf hoher See schmeißen etwa Mannschaftsangehörige wasserdichte Behälter über Bord. Darin ist das Kokain. An den Behältern hängt für gewöhnlich eine Boje oder ein Peilsender. So finden die Abholer leichter zu den Paketen, die sie etwa per Schnellboot einsammeln.

Hotspots: Antwerpen und Rotterdam

Die beiden Städte gelten als die großen Umschlagplätze für Europas Kokainmarkt. 2016 wurden in beiden Städten rund 41 Tonnen sichergestellt, 2017 allein am Antwerpener Hafen 42 Tonnen.

In Deutschland ist Hamburg ein wichtiger Schmuggelhafen. Dort stoßen Fahnder immer wieder auf Ladungen von mehreren Dutzend Kilogramm.

Die Mengen, die die Ermittler auf einen Schlag finden, werden in jüngster Zeit immer größer. Das BKA beschreibt ein Fallbeispiel in ihrem Bericht, wonach sie rund 1,6 Tonnen Kokain verteilt auf gerade mal drei Container gefunden haben.

Die Händler können sich anscheinend das Risiko leisten, dass so große Mengen Ermittlern in die Hände fallen. Das BKA vermutet deshalb, dass die Produktion in den Anbauländern blühen muss.

Preise stabil, Taxis ständig unterwegs

Die 3,8 Tonnen Kokain, die Fahnder binnen drei Monaten in Hamburg sichergestellt haben, hatten nach Behördenangaben einen Marktwert von 800 Millionen Euro.

Selbst wenn solche beeindruckenden Mengen abgefangen werden, passiert auf dem Schwarzmarkt nicht viel. Die Kokspreise schwanken kaum. Die "Koks-Taxis", die in deutschen Großstädten viele Konsumenten beliefern, haben eher immer mehr als weniger zu tun.

Und am Ende unterhält sich auf der Clubtoilette halt niemand darüber, wie viele Menschenleben diese und die nächste Line gekostet haben oder was jedes Gramm Koks mit dem Klima macht.