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70 Jahre Grundgesetz: Die Debatte um einen muslimischen CDU-Kanzler

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Bild: imago/getty images/montage: watson
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Wie die Frage nach einem muslimischen CDU-Kanzler zu einer heftigen Debatte führte

Das Grundgesetz wird 70 und die Interpretation seiner Inhalte ist so umkämpft wie selten zuvor. In dieser Reihe zeigen wir euch Fälle, Personen und Streitigkeiten, durch welche die ersten 19 Artikel im "GG" besonders nah an unseren Alltag herangerückt sind.
08.05.2019, 16:10
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Das C in CDU steht für christlich. Könnte ein Muslim trotzdem CDU-Kanzler werden? Der Unionsfraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus findet: Da spricht nichts gegen. Damit löste er Ende Februar 2019 eine hitzige Debatte in CDU und CSU aus.

Es ist nicht so, dass Brinkhaus einen Streit auslösen wollte. Er gab lediglich ein Interview. Im Gespräch mit der evangelischen Nachrichtenagentur Idea wurde er gefragt, ob er sich vorstellen könnte, dass ein Muslim im Jahr 20130 für die Union Bundeskanzler wird. Darauf antwortete er: "Warum nicht?" Ein Unions-Kanzler müsse ein guter Politiker sein, und "unsere Werte und politischen Ansichten vertreten". Erst mehr als eine Woche nach dem Erscheinen des Interviews machten die Aussagen Schlagzeilen. Innerhalb der Union brach ein Streit aus.

"Wir verunsichern unsere Stammwähler mit dieser Diskussion", sagte CDU-Vorstandsmitglied Elisabeth Motschmann in der "Bild". Der CDU-Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger stellte klar, er halte die Debatte nicht mit den Grundwerten der Partei – und dem C im Parteinamen – vereinbar. Alexander Mitsch von der rechtskonservativen Werte-Union vermisste in Brinkhaus' Aussage den Hinweis, "dass der politische Islam den Werten und Normen unserer europäisch-westlich und christlich geprägten Gesellschaft entgegensteht und deshalb keinen Einfluss in Deutschland gewinnen darf".

Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) schlug sich hingegen auf Brinkhaus' Seite: Der habe nur klargestellt, "dass bei uns in der CDU niemand aufgrund seines Glaubens benachteiligt wird, solange er unsere Werte und politischen Ansichten vertritt." Auch die schleswig-holsteinische CDU-Bildungsministerin Karin Prien sagte, selbstverständlich könne auch "ein muslimischer Christdemokrat, ein Hindu oder ein Atheist für die CDU Bundeskanzler werden".

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit

Der Artikel 4 des Grundgesetzes regelt die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und legt das Recht der Kriegsdienstverweigerung fest.

Wichtig: Die Freiheit des Glaubens ist nicht nur eine innere. Das Grundgesetz schützt nicht nur das Recht, an alles oder nichts zu glauben, sondern garantiert auch die ungestörte Religionsausübung. Gläubige dürfen etwa beten, missionieren, Gotteshäuser bauen und religiöse Kleidung tragen – unabhängig davon, welcher Religion sie angehören.

Artikel 4 legt fest, dass Deutschland kein Gottesstaat ist, dass es keine Staatsreligion gibt, in die jemand hinein gezwängt werden darf. Und er stellt außerdem klar: Die Entscheidung für oder gegen einen Glauben und eine Religion ist schützenswert. Niemand darf an seiner freien Entscheidung und Religionsausübung gehindert werden.

Auslegungssache

Und trotzdem wird die Religionsfreiheit in Deutschland immer wieder diskutiert. In den vergangenen Jahren vor allem mit Blick auf den Islam. Kann ein Muslim Bundeskanzler einer Partei sein, die das Christentum bereits im Namen trägt?

Mitglied von CDU und CSU können Muslime auf jeden Fall werden, das stand auch in der von Ralph Brinkhaus losgetretenen Debatte nicht infrage. Rein rechtlich gesehen steht einem muslimischen Unions-Kanzler nichts im Weg. Wer Bundeskanzler oder -kanzlerin werden will, muss mindestens 18 Jahre alt und deutscher Staatsbürger sein. Die Frage ist also eine Glaubens- und Gewissensfrage.

Wer Kanzlerkandidat einer Partei wird, entscheidet die Partei schließlich in einem demokratischen Prozess. Dazu, für einen muslimischen Kandidaten zu stimmen, kann natürlich niemand gezwungen werden. Unionspolitiker, die sagen: Ich kann mir einen Muslim als Unions-Kanzler nicht vorstellen und würde deshalb nicht für einen muslimischen Kandidaten stimmen, richten sich deshalb nicht gegen Artikel 13 des Grundgesetzes. Würden sie infrage stellen, ob ein Muslim grundsätzlich Bundeskanzler werden dürfe, sähe das anders aus.

So geht es bei der Frage schließlich mehr um das Selbstbild der Unionsparteien: Wollen CDU und CSU Parteien für alle Bürger, unabhängig von der Religionszugehörigkeit sein, oder sich auf die immer weniger werdenden Mitglieder der christlichen Kirchen in Deutschland fokussieren?

(fh)

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