Angeblich sollen Kinder einer Schule in Berlin über ihre Meinung zur Hamas befragt worden sein. Bild: dpa / Friso Gentsch
Deutschland
"Ist es okay, dass Hamas-Kämpfer im Krieg mit Israel deren Bürger töten?"
Diese und weitere Fragen sollten angeblich Schüler:innen einer Grundschule in Berlin beantworten. Und zwar schriftlich per Fragebogen. Das behauptet der Linken-Politiker Ferat Koçak auf X, ehemals Twitter. Dazu postet er die angebliche "Gesinnungsprüfung" mit dem Vorwurf: "Kinder einer Grundschule in Berlin sollen sich zur Hamas positionieren."
Eltern haben ihm das Dokument zukommen lassen, behauptet das Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Dabei soll es sich um die Galilei-Grundschule in Kreuzberg handeln.
Marius Mestermann, ein Journalist des "Spiegel", fragte auf X nach: "Haben Sie die Schule darauf angesprochen? Gibt es Informationen dazu, wann genau und in welchem Umfang dieses Papier in Umlauf gekommen sein soll? Gibt es eine zweite Quelle dieser Geschichte? Warum wirkt die Sprache kaum grundschulgerecht? Wurden die Zettel ausgefüllt?"
Die Antwort: "Ich vertraue meinen Quellen. Den Rest müssen Sie übernehmen."
Aktuell steht zumindest fest: Es bestehen erhebliche Zweifel, dass das Schreiben echt ist.
Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich
hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden?
Hier findest du unseren Broadcast-Channel.
Besorgte Eltern dienen als "sichere Quelle"
Auf die Anfrage, wie und in welchem Umfang das Papier in Umlauf gekommen sein soll, antwortete Koçak: "Es haben sich zwei weitere Eltern gemeldet. Die erste Familie ist übrigens eine deutsche Familie."
bild: screenshot X / @der_neukoellner
Watson fragte bei der Schulleitung nach und erhielt prompt eine Antwort vom Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
Berliner Senatsverwaltung für Bildung dementiert Anschuldigung
"Das ist eine Falschmeldung. Lehrkräfte der Schule haben ein solches Arbeitsblatt nicht im Unterricht verwendet, es würde auch nicht den Standards der Schule entsprechen", lautet das kurze Statement.
Koçak ergänzte später in einem weiteren Beitrag: "Zur Transparenz: Die Schule dementiert alles. So etwas habe es nicht gegeben."
Es steht nun Aussage gegen Aussage. Koçak behauptet, mit einer betroffenen Familie gesprochen zu haben. Demnach soll ihre Tochter aus der 6. Klasse den Fragebogen am Montag abfotografiert haben.
"Das ging dann wohl bei den Eltern rum. Am Dienstag waren zahlreiche Eltern dann vor der Schule. Auch die Elternsprecher:innen", führt Koçak aus. Auch das dementiere die Schule.
Als angeblichen Beweis postet der Politiker "das vollständige Bild mit dem Tisch dazu". Er fügt eine Kopie einer weiteren Nachricht von einer offenbar zweiten Quelle an.
screenshot X / @der_neukoellner
Auffällig ist: Zuerst schrieb der Politiker über eine Schule im Berliner Stadtteil Kreuzberg, auf dem Screenshot einer Nachricht ist von Neukölln die Rede.
Die von Koçak angesprochene Galilei-Schule wehrt sich ebenfalls gegen die Vorwürfe. Der Schulleiter sagte zu "Focus online": "Wir beschäftigen uns den ganzen Vormittag damit, haben alle Klassen und Lehrer befragt. Es ist eine Falschinformation, es hat auch nicht an unserer Schule stattgefunden und ist nicht Teil unseres Unterrichts."
In den Kommentaren unter dem Beitrag gab es weitere Rückfragen auch von SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Sie will wissen: "Ist das echt? Es werden gerade so viele falsche Infos gestreut."
Die Quellen "Eltern" lässt sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht überprüfen. Der Zweifel unter den User:innen an der Authentizität der Story bleibt groß. Eine Nutzerin prangert etwa an, dass der Fragebogen wie auf Schreibmaschine getippt wirkt. Zudem sei die Sprache eindeutig nicht für Kinder ausgerichtet. Nutzer:innen fordern den Politiker auf, den Post zu löschen, da es sich hierbei offensichtlich um Fake-News handelt.
Bisher hat Koçak nur wiederholt, dass er seinen Quellen vertraue. Ob er bessere Beweise liefern kann oder einfach Falschnachrichten weiterverbreitet hat, wird sich noch zeigen müssen.