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Deutsche Islamkonferenz: Horst Seehofer trifft Vertreter der deutschen Muslime. Es gibt Probleme.

Exorcist holding wooden cross
Ist die Islamkonferenz für Horst Seehofer nur ein Test der Treue dem Grundgesetz gegenüber? Kritiker im folgenden Text behaupten das. Bild:getty images/ imago/ watson collage
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4 Gründe, warum sich ein "deutscher Islam" nicht einfach backen lässt

28.11.2018, 07:5128.11.2018, 11:06
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Filiz Polat hat genau 29 Fragen zu den Islam-Plänen von Horst Seehofer. Der neuen Sprecherin für Migration und Integration bei den Grünen ist da so einiges unklar.

Am Mittwoch lädt Seehofer in Berlin zum Auftakt der Deutschen Islamkonferenz (DIK). Seit dem ersten Dialog zwischen Islam-Verbänden und Regierung 2006 gab es zwar vereinzelt Fortschritte im Verhältnis zueinander. Das große gemeinsame Projekt aber ist bisher ausgeblieben. Jetzt will das Innenministerium den Dialog zwischen Staat und Muslimen auf eine neue Ebene heben.

Und diese Ebene besteht vor allem aus einer Idee, die der Innenminister und seine Leute gerade durch die Öffentlichkeit tragen. Die DIK, so schrieb Seehofer am Montag, sei Mittel zum Zweck für einen:

"Islam in, aus und für Deutschland".

Auch sein Staatsminister, Markus Kerber, fordert: Muslime und Regierung sollten sich auf der DIK über einen "deutschen Islam" verständigen.

Das klingt nach einer klaren Ansage: Wie sie genau funktionieren soll, bleibt bisher im Dunkeln. Deshalb hat die Grünen-Politikerin Polat offiziell bei der Regierung ihre 29 Fragen gestellt, darunter etwa:

Welche Gäste kommen überhaupt zur DIK ? Über was wird genau diskutiert? Wie will man mit den Ergebnissen der Gespräche umgehen? Vor allem aber:  Welche Rolle wird die Aussage Seehofers vor einigen Monaten spielen: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“?

Eine Antwort hat die Grünenpolitikerin bisher nicht bekommen, Polat sagt gegenüber watson: "Man bekommt fast das Gefühl, man wolle etwas über einen konspirativen Kreis erfahren". Die DIK stehe unter dem "Stern der Unverbindlichkeit".

In der Tat: Kurz vor Beginn gibt es mittlerweile zwar eine Tagesordnung, wirklich schlau über das "Wie" des neuen Plans wird man daraus aber nicht.

Wo liegt das Problem?

Ein Grundgedanke des Innenministeriums ist nachvollziehbar: Der Staat braucht in relevanten religiösen Themen dringend Ansprechpartner. Etwa in Schulen gibt es eine ganze Palette an Problemen, für die Muslime in Deutschland auf der einen und der Staat auf der anderen Seite einen gemeinsamen Weg finden müssen: Von der Kopftuchfrage im Unterricht, dem Besuch der Schwimmstunde, bis hin zur Religion im Unterricht.

Daraus, und auch aus der gefühlten Verunsicherung vieler Deutscher, ist bei Seehofer und Co. dann vermutlich die Idee des "deutschen Islams" entstanden.

Kritiker wie Filiz Polat aber sagen:

"Man kann sich einen deutschen Islam nicht einfach backen"

Das hat mit der Vielseitigkeit des muslimischen Glaubens und seiner Herkunft zu tun, aber auch mit Meinungsverschiedenheiten unter Gäubigen und Verbänden. Und den kontraproduktiven Äußerungen des Innenministers.

Die Vebände vertreten nur einen Bruchteil der Muslime

Die Bundesregierung redet auf der DIK vor allem mit den Vertretern großer muslimischer Verbände wie dem Zentralrat der Muslime oder Ditib. Diese sollen das Fundament für den "deutschen Islam" legen, vertreten aber nicht einmal 20 Prozent aller Moslems in Deutschland

Dieses Problem sieht auch Sineb El Masrar. Die Buchautorin und Publizistin war von 2010 bis 2013 Teilnehmerin der Deutschen Islamkonferenz. Sie sagt:

"Die organisierten Muslime sind nicht die Mehrheit. Dementsprechend spiegeln die Verbände nie Muslime in ihrer gesamten Bandbreite wider."

Sineb El Masrar
Sineb El MasrarBild: herder verlag

El Masrar kritisiert deshalb einen übergroßen Einfluss von Vertretern konservativer muslimischer Verbände auf der DIK: "Wenn man ein reaktionäres Islamverständnis vertritt, wird man wohl auch kaum etwa etwas an dem Geschlechterverhältnis ändern wollen."

Die Autorin erinnert sich an die Konferenz vor ein paar Jahren:

"Ich hatte ganz oft Fremdschäm-Momente bezüglich der Islamverbände."

Deren Kritik bezeichnet El Masrar als "oftmals argumentationsfrei". Stattdessen arbeite man sich an "liberalen und säkularen Muslimen ab, die vielleicht eine andere Meinung haben."

Die Idee eines "deutschen Islams" stößt auf Widerstand

Nun ließe sich argumentieren, dass die Organisation eines "deutschen Islams" eben über die Verbände beginnen müsse, um sich dann auf den Rest der Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Aber auch die Verbände selbst üben Kritik an der Islamkonferenz. Zu kurz käme das Verständnis für unterschiedliche kulturelle, geographische und religiöse Hintergründe eines Glaubens. Diese Unterschiede aber unter einem Leitbild zusammenzubringen, so sagen mehrere Verbandssprecher watson.de, sei mehr als schwierig.

Vor der Konferenz übt dann auch einer der größten Verbände, der Islamrat, schwere Kritik am neuen Ansatz des Innenministeriums.

In einer Stellungnahme gegenüber watson heißt es:

"Wenn es in Zukunft 'deutsche Muslime geben soll, wird es zwangsläufig Muslime geben, die nicht 'deutsch' oder 'deutsch genug' sind, oder 'ausländische Muslime'?

Die eigenen Mitglieder würden sich deshalb nicht als "deutsche Muslime" sehen, sondern als Muslime, die gleichwohl in ihren Ländern beheimatet seien.

El Masrar verbindet die Idee eines "deutschen Islams" eher mit Geschlechtergleichheit und Gleichbehandlung von beispielsweise queeren Menschen.

Sie sagt:

"Ein deutscher Islam ist für mich einer, der Individualität zulässt und keiner, der reaktionär ist."
Sineb El Masrar

Die DIK greift nur einen kleinen Teil der relevanten Themen auf

El Masrar sieht das Innenministerium als guten Partner: "Ich habe in drei Jahren als Teinehmerin stark wahrgenommen, dass man Vorschläge und Kritik von Verbänden und Einzelpersonen immer aufgenommen hat."

Das habe in Anschluss an die Konferenz durchaus Erfolge hervorgebracht: "Beispielsweise islamische Zentren in Städten, Islamunterricht in Schulen oder die Seelsorge haben wir der Islamkonferenz zu verdanken", sagt El Masrar. 

Trotzdem: "Es gibt Themenfelder, die bis heute nicht verhandelt werden". Eines sei etwa die bi-religiöse Partnerschaft, die für viele muslimische Frauen sehr wichtig sei.

"Solche Lebensrealitäten von Muslimen werden dort überhaupt nicht debattiert, dementsprechend findet die Konferenz bei vielen Muslimen in der Gesellschaft auch keinen Anklang."

Der Innenminister verspielt Vertrauen

Unklar bleibt auch, mit welcher Haltung die Bundesregierung selbst in die Debatten mit den muslimischen Verbänden geht.

Grünen-Politikerin Polat wirft der großen Koalition im Gespräch mit watson vor, dass die DIK mittlerweile zu einer Art "Sicherheitskonferenz" mutiert sei.

Früher sei es um Fortschritte in der gemeinsamen Bildung und den Dialog gegangen, "jetzt muss eine ganze Religion gegen einen Generalverdacht ankämpfen", sagt sie. Mehr gehe es um die Zusicherung, dass man sich an das Grundgesetz halte, als um eine echte Debatte.

Für solche Vorwürfe hat auch Horst Seehofer selbst gesorgt, der das Verhältnis zu den Muslimen in Deutschland zutiefst zerrüttete, als er die Worte "der Islam gehört nicht zu Deutschland" in den Mund nahm.

Filiz Polat übt deshalb Kritik am Verhalten der Bundesregierung:

Bild

So kritisierte auch der Islamrat, man müsse "insbesondere vor Wahlen" eine andere Art des Umgangs miteinander finden. Die Aussage dürfte sich gezielt gegen den Innenminister richten.

Viele Verbandsmitglieder und Gläubige werden sich deshalb hierzulande fragen: Wie will uns eine Regieung eigentlich zu  "Deutschen Muslimen" machen, wenn nicht einmal sie selbst uns zu Deutschland zählt?

Unsere Autorin Yasmin Polat und die Grünen-Politikerin Filiz Polat sind nicht miteinander verwandt.

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Video: watson/Yasmin Polat, Lia Haubner

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