dpa/Montage watson
Wer jetzt als nächstes von der Matte fliegt
War was?
Nö, sagt die große Koalition. Transitzentren heißen jetzt Transferzentren, aber sonst... Horst Seehofer ist noch CSU-Chef und Innenminister. Angela Merkel kriegt Hilfe auf dem EU-Gipfel. Und die SPD ihr Einwanderungsgesetz noch in diesem Jahr. Nur Gewinner? Nicht ganz.
Eines muss man ihm lassen, der Kerl ist im Stoff. Eurodac 1, Eurodac 2 – da stand er nun Horst Seehofer in Wien neben Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und dozierte über die Feinheiten der Einreisebestimmungen.
In Wien hat Seehofer nichts erreicht. Nächste Woche will er deshalb nach Italien reisen. Die "Südroute" soll jetzt dichtgemacht werden, also der Fluchtweg nach Italien. So geht das. Wenn man nichts erreicht, muss man sich nur stetig neue Ziele setzen.
Robert Habeck, Co-Vorsitzender der kleinsten Oppositionspartei im Bundestag Bündnis 90/Die Grünen lästerte "wirkungsgleich wird zu wirkungslos".
Der beißt nicht! Horst Seehofer im Fasching Bild: dpa
Immerhin seine Ämter hat Seehofer noch – trotz der Drohung notfalls binnen drei Tagen abzutreten. Denn an einem überstürzten Abgang dürften die Jungen in der Partei kein Interesse haben:
"Die Rückführungsabkommen ist Sache der Staats- und Regierungschefs", sagte der Innenminister im Bundestag. Und er legt im "Spiegel" nochmal nach. Bestehe der Kompromiss den Praxistest nicht, gehe das Ganze von vorne los.
Horst Seehofer
Fazit: Seehofers Beliebtheit sinkt dramatisch. Aber er bleibt CSU-Chef. Mindestens bis zur Landtagswahl im Oktober.
Spätestens seit dem Abgang von Nicolas Sarkozy 2012 war Angela Merkel die unumstrittene Nummer 1 in Europa.
Damit ist jetzt Schluss.
Der EU-Gipfel Ende Juni war nochmal so etwas wie eine europäische Soli-Aktion. Merkel bekam die große Bühne und ihre Rückführungsabkommen. Aber die Kanzlerin ist geschwächt.
Fazit: Merkel wackelt. Und muss die Verträge mit den unwilligen Ländern verhandeln. Viktor Orban hat am Donnerstag schon mal abgesagt. Ein quälend langes Ende.
Genutzt hat Seehofers Schein-Debatte niemandem. Auch nicht der Opposition.
Winfried Kretschmann, Grünen-Über-Ich
Fazit: Der Opposition fehlt eine alternative Machtperspektive jenseits der Union. Traurig, nach 13 Jahren Merkel.
Nation branding, nennen Diplomaten das gezielte Imageschaffen für ein Land. Hat spätestens mit der WM 2006 im eigenen Land ziemlich gut geklappt.
WM-Aus, Diesel-Betrügereien, Seehofer-Aufstand – die sind gar nicht so perfekt, die Deutschen. Aber die inszenierte Regierungskrise hat Folgen.
Inge Gräßle, CDU-Europaabgeordnete
Fazit: Deutschlands Image litt und leidet unter der Schein-Regierungskrise gewaltig.
Gerettete Flüchtlinge im Mittelmeer Bild: imago stock&people
Der Kurs in der Flüchtlingspolitik hat sich gewandelt.
Europa riegelt sich ab. Kanzlerin Angela Merkel hat diese Woche im Bundestag nochmal daran erinnert, dass die meisten Flüchtlinge in Afrika unterwegs sind.
Fazit: Eine Binse: Mit Abschotten allein lässt sich das Thema nicht regeln.
Die Kurz-Methode:
Wenn Kurz über seine Agenda spricht, klingt das so.
Die Seehofer-Debatte hat auch ihn getroffen. Ganz Österreich droht im Streit um die Abschiebung zu einer einzigen Transitzone zu werden.
Fazit: Wehe, wenn Größere die eigene Methode kopieren.
Donald Trump hat es vorgemacht. Und weil Trump damit eine Wahl gewann, machen es alle: Bullshitten. Der Philosoph Harry S. Frankfurt hat den Unterschied mal so erklärt: Der Lügner versuche noch eine eigene Wahrheit zu konstruieren, also einer gewissen Rationalität zu folgen. Der Bullshitter verkündet nur groben Unsinn.
Harry S. Frankfurt on bullshit
Zwei Wochen lang hielt der Führungsstreit der Union das Land in Atem. Ein kompletter EU-Gipfel wurde okkupiert. Ein Minister trat vom Amt zurück, um dann vom Rücktritt zurückzutreten. Das Ergebnis: Null.
Wahnsinn. Wer so handelt, muss sich über die Folgen nicht wundern.
Fazit: Das Ansehen der Politik sinkt.
Video: watson/Yasmin Polat, Leon Krenz
Lange nichts Gutes gehört von der SPD. Inhaltlich spielt sie durch den Asylkompromiss mit der Union mit ihrer Glaubwürdigkeit. Gut, sie bekommt ein Einwanderungsgesetz. Noch dieses Jahr.
Dennoch hatte der Führungsstreit in der Union auch sein Positives.
Die Sozialdemokraten waren ausnahmsweise mal nicht der Problembär der großen Koalition. Sie mussten einfach nur zusehen. (Und zwischendurch wie alle vor Neuwahlen zittern.) Aber selten in der jüngsten Vergangenheit hat man einen SPD-Politiker so souverän gesehen, wie Parteivize Olaf Scholz am Donnerstagabend in der ARD.
Olaf Scholz, SPD-Vize