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Warum die niedrigen Inzidenzen im Osten nur eine Momentaufnahme sind

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Menschen in Dresden setzen ein Zeichen gegen die "Querdenker"-Bewegung.Bild: imago images / Sylvio Dittrich
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Corona-Zahlen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt: Warum die niedrigen Inzidenzen im Osten nur eine Momentaufnahme sind

14.01.2022, 16:4714.01.2022, 18:03
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Und plötzlich spöttelt für einen kurzen Moment kaum jemand mehr über Sachsen. Machte der Freistaat zuletzt vor allem mit "Spaziergängen" von Kritikern und Gegnern der Corona-Maßnahmen Schlagzeilen, darf man sich dort nun über den bundesweit niedrigsten Inzidenzwert freuen.

Das geht aus am Freitag veröffentlichten Zahlen des Robert-Koch-Instituts hervor: Das Institut gibt eine Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner mit 225,2 an. Auch die benachbarten Bundesländer Thüringen und Sachsen-Anhalt verzeichnen mit 228,4 und 253,6 vergleichsweise niedrige Werte.

Dass das einstige Vorzeigeland Bremen währenddessen die meisten Neuinfektionen hat, verstärkt den sächsischen Überraschungseffekt noch ein wenig.

"Das ist nur eine Momentaufnahme."

Nach Meinung vieler Experten dürfte die Freude über den Erfolg bei der Eindämmung der Pandemie aber nur von kurzer Dauer sein.

"Das ist nur eine Momentaufnahme, die Neuinfiziertenzahlen werden in wenigen Tagen überall in die Höhe gehen", teilt der Epidemiologe Timo Ulrichs auf watson-Anfrage mit. Das gelte auch und gerade für den Südosten und den Osten Deutschlands.

Entscheidend sei die Hospitalisierungsrate. Und die werde in Sachsen und Thüringen wegen der vielen Ungeimpften höher ausfallen als im Norden.

Sein Kollege Markus Scholz von der Universität Leipzig sieht die Gründe für den kurzzeitigen Erfolg bei der Eindämmung der Pandemie in Sachsen bei dem seit Ende November bestehenden Teil-Lockdown.

"Dieser führte nach unseren Schätzungen zu 50 Prozent Kontaktreduktion bei den Erwachsenen und zur Vermeidung von circa 3000 Todesfällen", sagt Markus Scholz auf Anfrage von watson. Damit sei die "Delta-Welle", also der Vorgänger der neuen Omikron-Variante des Virus', gebrochen worden.

Allerdings sei dieser Trend trügerisch. Er erwarte auch für Sachsen in Kürze einen deutlichen Wiederanstieg der Fallzahlen wegen Omikron, sagt Scholz, und ergänzt:

"Ich rechne sogar damit, dass die Omikron-Welle Sachsen besonders hart treffen wird, da die Impfquote noch deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt."

Und noch ein weiterer Faktor könnten den pandemischen Musterschüler Sachsen bald wieder auf die hinteren Plätze im Inzidenz-Tableau verweisen.

Ab diesem Freitag gelten in dem Bundesland zahlreiche Lockerungen. Unter Einhaltung der 2G-Plus-Regel, bei der Geimpfte und Genesene zusätzlich einen Test oder den Nachweis einer Booster-Impfung vorzeigen müssen, fallen viele Verbote und Beschränkungen.

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Nach der 2G-Plus-Regel müssen Geimpfte und Genesene einen Test oder einen Booster-Nachweis vorlegen.Bild: picture alliance

So sind etwa touristische Übernachtungen mit 2G-Plus wieder möglich, ebenso wie der Besuch von Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie Kinos und Theater. Die Clubs bleiben allerdings weiterhin geschlossen.

Auch Sportveranstaltungen mit Publikum sind mit 2G-Plus fortan wieder möglich. Die maximale Teilnehmerzahl wird auf 50 Prozent festgelegt, maximal sind 500 Zuschauer und maximal insgesamt 1000 Personen erlaubt. "Körpernahe Dienstleistungen", wie etwa Frisöre, erfahren ebenfalls eine Lockerung.

Die neuen Regelungen gelten fast alle unterhalb der Überlastungsgrenze der Krankenhäuser, bei einem Grenzwert von 1300 Patienten auf der Normalstation und 420 Betten auf der Intensivstation.

Während Sachsen lockert, herrscht bei vielen Expertinnen und Experten hingegen Pessimismus vor. Besonders eklatant sei die Impflücke bei den Jugendlichen, sagt der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz.

In Sachsen seien nur 33 Prozent der Jugendlichen geimpft, in Schleswig-Holstein seien es zum Vergleich 65 Prozent.

"Sachsen hat bis auf den früheren Teil-Lockdown nichts besser gemacht."

Diese fehlenden Impfungen würden die Infektionslage in Sachsen stark anheizen, sagt Scholz. Und sie würden die Infrastruktur gefährlich belasten, etwa durch Personalausfälle aufgrund von Klassen- oder Schulschließungen.

"Sachsen hat also bis auf den früheren Teil-Lockdown nichts besser gemacht, sondern wird in Kürze wieder schlechter dastehen als andere Bundesländer."

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