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"Farbe bekennen" mit Angela Merkel (ARD): Kanzlerin erhöht Druck auf Impfverweigerer

Bundeskanzlerin Angela Merkel während des Interviews in der ARD-Sendung "Farbe Bekennen".
Bundeskanzlerin Angela Merkel während des Interviews in der ARD-Sendung "Farbe Bekennen".bild: screenshot das erste
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Merkel verspricht Impfungen bis zum Sommer – und erhöht Druck auf Impfverweigerer

Wie geht es weiter in der Corona-Krise? Was die Kanzlerin zu fünf wichtigen Themen gesagt hat, von Impfungen bis Lockerungen.
02.02.2021, 20:3103.02.2021, 09:20
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Es ist ein seltener TV-Moment: Am Dienstagabend hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einem viertelstündigen Interview im Ersten gestellt. Den Journalisten Rainald Becker und Tina Hassel aus dem ARD-Hauptstadtstudio beantwortete Merkel Fragen zum Stand der Dinge und zum Ausblick in der Corona-Krise: zu Impfungen und Infektionszahlen, zu möglichen Lockerungen und dem Ausblick auf Frühjahr und Sommer.

Die Kanzlerin hat vor allem über fünf Themen gesprochen. Wir analysieren, was sie gesagt hat.

Merkel wiederholt ihr Impf-Versprechen – mit einer zusätzlichen Note Optimismus

Bis zum 21. September soll es so weit sein. Bis dahin, also bis zum kalendarischen Ende des Sommers, soll jeder in Deutschland wohnende Mensch die Möglichkeit bekommen, sich gegen Covid-19 zu impfen. Die Kanzlerin hatte das Datum schon vor dem Interview genannt, auch Bundesgesundheitsminister Spahn hatte vom Sommer gesprochen. Auch in diesem ARD-Interview wiederholt Merkel das Versprechen. Man könne zwar "keinen starren Impfplan" machen. Sie sagt aber:

"Wir wissen, dass selbst, wenn keine neuen Impfstoffe zugelassen werden, bis Ende des Sommers jeder ein Impfangebot bekommt."

Merkel präzisiert dabei: mit "Impfangebot" ist die erste Covid-19-Impfdosis gemeint. Die soll jeder Bürger in Deutschland bis zum 21. September angeboten bekommen. Um einen ausreichenden Schutz vor der Krankheit Covid-19 zu erhalten, sind zwei Impfdosen nötig.

Diesem Versprechen mischt Merkel eine Prise Pessimismus bei – und eine etwas größere Menge Optimismus. Die pessimistische Note: Falls eine der Coronavirus-Mutationen, die derzeit im Umlauf sind, den Impfschutz unwirksam machen würde, "würde das die Situation verändern", sagt Merkel.

Merkels optimistischer Zusatz: Das Versprechen bis Ende September gilt auch, falls kein einziger weiterer Impfstoff in der EU zugelassen wird. Es ist aber ziemlich wahrscheinlich, dass neben den schon zugelassenen Stoffen der Hersteller Biontech-Pfizer, Moderna und Astrazeneca weitere die Zulassung erhalten. Sollten weitere Impfstoffe zugelassen werden, sagt Merkel, dann könne sich das Datum, bis zu dem alle geimpft werden können, nach vorne verschieben, also schon zu einem früheren Zeitpunkt im Sommer.

Wie es bis Ende März weitergeht

Aber wie geht es in den kommenden Wochen weiter? Angela Merkel sagt dazu zunächst eine Zahl: 10 Millionen. So viele Menschen, meint die Kanzlerin, könnten bis zum Ende des ersten Quartals, also bis 31. März, geimpft werden. Mit Blick auf den Impfgipfel vom Montag und die Unsicherheit, wie viel Impfstoff eigentlich für Deutschland da ist, versichert Merkel: "Was uns für das erste Quartal versprochen war, bekommen wir auch".

Merkel stellt auch Lockerungen in Aussicht, allerdings ohne ein Datum zu nennen. Die Bundeskanzlerin nennt aber Voraussetzungen dafür, dass Geschäfte, Restaurants und Freizeiteinrichtungen wieder öffnen können:

  • Die Infektionszahlen in Deutschland müssten weiter zurückgehen, Merkel nennt den Zielwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohnern, der in manchen Städten und Landkreisen inzwischen wieder erreicht ist. Die Gesundheitsämter müssten wieder in der Lage sein, Ansteckungsketten nachzuverfolgen.
  • Die Mutationen des Coronavirus, die derzeit zirkulieren, dürften das Infektionsgeschehen nicht zu stark in die Höhe treiben, ihr Prozentsatz an den Coronavirus-Infektionen dürfe nicht zu hoch sein. Dazu habe man "Anfang nächster Woche hoffentlich Zahlen", sagt Merkel.

Wie das Leben mit Lockerungen und vor der Herdenimmunität durch Impfung konkret aussehen könnte? Merkel verweist auf den Sommer 2020. Da sei ja auch "eine Menge normales Leben" möglich gewesen. Wenn die Menschen Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln einhielten und die Unternehmen weiter möglichst viel Homeoffice anböten, dann "wird es besser werden", sagte Merkel.

Die Kanzlerin will optimistisch auf die Lage blicken

In den vergangenen Wochen und Tagen ist viel Kritik an den Regierenden in Bund und Ländern laut geworden: vor allem an der Impfstrategie, es geht vielen Beobachtern deutlich zu langsam. Merkel antwortet auf diese Kritik, die auch die Journalisten Becker und Hassel vorbringen, mit Optimismus: "Ich glaube, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen ist", sagt Merkel mit Blick auf die europäische Impfstrategie.

Und sie verweist darauf, dass noch nie in der Geschichte so schnell Impfstoffe gegen eine neue Krankheit entwickelt worden sind wie jetzt gegen Covid-19. Merkel wörtlich:

"Wenn sie mich vor einem Jahr, als wir die ersten Fälle gehabt haben, gefragt hätten, wann haben wir einen Impfstoff, hätte ich nicht gewettet, dass das so schnell geht."

Warum in Deutschland langsamer geimpft wird als andernorts

Die ARD-Journalisten Hassel und Becker konfrontieren Merkel mit der Tatsache, dass in mehreren Ländern deutlich schneller geimpft wird als in Deutschland. Sie nennen Großbritannien, Israel, die USA – und Serbien.

Darauf sagt Merkel: "Es wurmt einen natürlich", wenn andere Länder schneller seien. Sie ergänzt aber, warum es in diesen Ländern schneller gehe – und warum Deutschland trotzdem den aus ihrer Sicht besseren Weg geht.

  • In Großbritannien, sagt Merkel, habe sich die Regierung anders als in der EU für eine Notzulassung des Biontech-Pfizer-Impfstoffs entschieden. Ob das ein Fehler der EU gewesen sei, fragt Interviewer Becker. Merkel entgegnet: "Nein, das war kein Fehler". "Wir sind auf das Vertrauen angewiesen", meinte Merkel, deshalb hätten sich die 27 EU-Staaten für die ordentliche Zulassung entschieden.
  • In den USA wiederum gebe es hohe Produktionskapazitäten, unter anderem durch den US-Konzern Pfizer. Und die USA exportierten momentan fast keinen Impfstoff. "Wir sind auf unsere Produktionsanlagen angewiesen", meint Merkel.
  • In Serbien werde wiederum ein chinesischer Impfstoff verteilt. Der sei aber in der EU noch nicht zugelassen. Merkel ergänzte allerdings, jeder der einen Antrag auf Zulassung für einen Impfstoff stelle, sei "willkommen". Die Kanzlerin erwähnte Russland, zu dem im Land hergestellten Impfstoff Sputnik V liefert eine erste unabhängig geprüfte Studie vielversprechende Ergebnisse zur Wirksamkeit.

Die Botschaft der Kanzlerin: In Deutschland wolle man, bei aller Eile zur Impfung, vorsichtig vorgehen, damit hierzulande kein Impfstoff mit bösen Nebenwirkungen verabreicht wird.

Ob Geimpfte anders behandelt werden als Ungeimpfte

Im letzten Abschnitt des Interviews antwortete Merkel auf Fragen zu einer Diskussion, die schon seit Ende Dezember in Deutschland läuft: Sollen für Menschen, die gegen Covid-19 geimpft sind, bestimmte Grundrechtseinschränkungen aufgehoben werden?

Die Kanzlerin macht dazu zunächst klar, dass sie das Wort "Privilegien" vermeide. Merkel wörtlich:

"Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen, dass das normale Leben, wie wir es kennen, nicht normal ist."

Weiter sagt sie:

"Da wollen wir wieder hin, das sind die Grundrechte, die hat jeder."

Merkel macht dann zweierlei klar: Zum einen werde es so lange keine andere Stellung für Geimpfte geben, bis klar ist, ob die Impfung überhaupt eine Übertragung des Coronavirus verhindert – oder ob sie nur vor der Erkrankung an Covid-19 schützt.

Zum anderen deutet Merkel aber an, dass Impfverweigerern später im Verlauf des Jahres noch Nachteile drohen könnten. Die Kanzlerin meint wörtlich:

"Ich glaube, wenn wir später sehr vielen Menschen ein Angebot gemacht haben können zum Impfen und dann sagen manche Menschen – wir machen ja keine Impfpflicht – das möchte ich nicht, dann müsste man vielleicht solche Unterschiede machen und sagen: 'Okay, wer das nicht möchte, der kann vielleicht auch bestimmte Dinge nicht machen'."
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