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Antisemitismus

"Kein Jude in Deutschland!" – ein Professor wurde in Bonn angegriffen

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"Haltlose Lügen" – Der angegriffene israelische Professor beschuldigt Polizei

14.07.2018, 16:12
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Der israelische Hochschullehrer Jitzchak Jochanan Melamed aus den USA, der am Mittwoch in Bonn von einem Deutschen mit palästinensischen Wurzeln angegriffen worden war, hat schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. In einem Facebook-Beitrag beschuldigt der Professor von der Universität Baltimore die Polizei, "Lügen" über den Vorfall zu verbreiten.

Melamed war von der Polizei zunächst irrtümlich für den Angreifer gehalten, überwältigt und geschlagen worden. Dies hat die Polizei auch zugegeben und sich entschuldigt. Sie hat in ihrer Pressemitteilung allerdings auch geschrieben, dass die beteiligten Polizisten angegeben hätten, Melamed sei auf ihre Zurufe hin nicht stehen geblieben und habe sich dann gewehrt.

Der 50 Jahre alte Philosophie-Professor bestreitet das entschieden: "Ich war nicht zu 100, sondern zu 500 Prozent passiv", sagte er auch dem "Hamburger Abendblatt". Die Polizisten seien sofort auf ihn losgegangen, und er habe danach kaum noch atmen, geschweige denn Widerstand leisten können. Er habe lediglich gerufen, dass er der Falsche sei. Die Polizei habe ihm seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt und ihn Dutzende Male ins Gesicht geschlagen. Sein Gesicht habe anschließend geblutet.

Kurz nachdem ihm die Handschellen wieder abgenommen worden seien, habe ihn einer der Polizisten belehrt: "Don't get in trouble with the German police!" ("Legen Sie sich nicht mit der deutschen Polizei an"). Darauf habe er geantwortet, dass die deutsche Polizei 1942 seinen Großvater, seine Großmutter, seinen Onkel und seine Tante ermordet habe.

Dem "Hamburger Abendblatt" sagte Melamed: "Ganz sicher habt ihr ein Problem mit dem Antisemitismus, aber ihr habt auch ein Problem mit brutaler Polizeigewalt."

Das Verhalten der Bonner Polizisten wird zurzeit vom Polizeipräsidium Köln untersucht.

So berichtete die Polizei den Vorfall:

Als die Beamten am Mittwochmittag in einem Park in Bonn ankamen, so berichtet es die Polizei, wurden sie Zeuge einer scheinbar absurden Szene: Ein 50-Jähriger Mann rennt darin einem Jüngeren hinterher, der sich das T-Shirt vom Leib gerissen hat.

Die Beamten entschieden sich dazu, erst einmal den Verfolger zu Boden zu ringen. Sie schlugen ihm sogar ins Gesicht, weil er zuvor nicht auf ihre Rufe reagiert habe. In Wahrheit handelte es sich bei dem 50-Jährigen aber um einen israelischen Hochschulprofessor aus den USA – und der hatte sich nur gegen einen antisemitischen Angriff gewehrt.

Die Bonner Polizeipräsidentin kommentiert:

"Ein schreckliches und bedauerliches Missverständnis"
Ursula Brohl-Sowa

Immerhin nahm die Polizei dann auch den 20 Jahre alten mutmaßlichen Angreifer fest, den sie anschließend in eine psychiatrische Klinik brachten.

Er hatte der Polizei zufolge:

  • Den Professor erst auf seine Kippa angesprochen.
  • Ihn dann mehrfach die Kippa vom Kopf geschlagen und ihn geschubst.
  • Immer wieder auf Englisch Beschimpfungen gerufen, unter anderem: "Kein Jude in Deutschland!"

Mittlerweile sei der Wissenschaftler abgereist, sagte ein Sprecher der Bonner Polizei. Zuvor habe sich Polizeipräsidentin Brohl-Sowa noch mit ihm getroffen und sich bei ihm entschuldigt.

Gegen den 20-Jährigen ermittele jetzt der Staatsschutz.

(yp/pb/dpa)

Für Aufsehen hatte erst im April ein Gürtel-Angriff auf einen Kippa tragenden Israeli in Berlin gesorgt.

Generell gibt es ein Problem mit der Erfassung von antisemitischen Übergriffen in Deutschland:

(mbi/pb/dpa)

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