Sag mir, wo du wohnst – und ich sag dir, wer du bist. Diese Logik galt bisher für amerikanische Städte. Doch seit die soziale Schere in Deutschland immer weiter auseinandergeht, nimmt auch hier die Ghetto-Bildung zu.
Arme und Reiche leben in deutschen Städten immer seltener Tür an Tür. Besonders ausgeprägt ist die soziale Spaltung in Ostdeutschland, wie es in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung heißt.
Die höchsten Werte sozialer Ungleichheit beim Wohnen ermittelten die Forscher im Osten für Rostock, Schwerin, Potsdam, Erfurt, Halle und Weimar. Stark betroffen waren aber auch einige Städte in Westdeutschland, darunter Kiel, Saarbrücken und Köln.
Das sagte Forscher Marcel Helbig. Die Dynamik der Veränderung sei vor allem im Osten "historisch beispiellos". Das hat auch gesellschaftliche Folgen: Wer die Probleme des Nachbarn mit wenig Geld nicht mehr hautnah erlebe, könne ein Stück Lebenswirklichkeit leichter ausblenden. Und wer im "Armen-Ghetto" lebt, mag demnach weniger Aufstiegswillen entwickeln.
In 36 deutschen Städten gibt es nach der Analyse inzwischen Quartiere, in denen mehr als die Hälfte der Kinder von staatlichen Leistungen abhängig ist.
Die höchsten Werte errechneten die Wissenschaftler hier für Rostock, Berlin, Halle und Schwerin. "Diese Entwicklung kann sich negativ auf die Lebenschancen armer Kinder ausweiten", sagte Autorin Stefanie Jähnen.
Eine Überraschung für die Forscher war, dass viele Sozialwohnungen die räumliche Ungleichheit in einer Stadt sogar noch verstärkten. Denn Sozialwohnungen seien heute vor allem in Stadtteilen zu finden, in denen ohnehin schon die Armen wohnen, erläuterte Jähnen. In begehrteren Lagen wie Altbau-Vierteln seien sie hingegen oft aus der sozialen Bindung herausgefallen. Als langfristigen Ausweg für die Kommunen empfehlen die Autoren, Neubauten in besseren Wohnlagen immer mit strikten Auflagen für einen Anteil von Sozialwohnungen zu versehen. Das Beispiel München zeige, dass trotzdem gebaut werde.
(ts/dpa)