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Dieselskandal: Auto-Experte hält weitere Festnahmen für möglich

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"Außerordentlich ungewöhnlich", sagt Experte zu Audi-Chef-Festnahme

19.06.2018, 05:15
annemarie Munimus
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Im Dieselskandal geht es dem ersten deutschen Top-Manager an den Kragen: Rupert Stadler, Chef der Volkswagen-Tochter Audi, sitzt in Untersuchungshaft. Der Vorwurf lautet unter anderem auf Betrug im Zusammenhang mit dem Verkauf von Dieselfahrzeugen mit manipulierter Abgasreinigung. Konzernkreisen zufolge soll nun der Vertriebsvorstand Bram Schot das Unternehmen vorübergehend führen.

t-online.de sprach mit dem Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, über den Fall.

Herr Dudenhöffer, wie bewerten Sie die Verhaftung Rupert Stadlers?
Ferdinand Dudenhöffer: Das ist ein sehr einschneidendes Ereignis. Die Durchsuchung seiner Privatwohnung letzte Woche war schon äußerst ungewöhnlich – um das mal vorsichtig auszudrücken. Die Untersuchungshaft jetzt ist ein Schritt, der einen schon ins Staunen versetzt. Das sind Dinge, die außerordentlich ungewöhnlich sind.

VW hat Vorwürfe gegen Audi-Ingenieure erhoben. Wie schätzen Sie das ein?
Audi hatte wohl eine eigene Task-Force, beziehungsweise der VW-Konzern hatte diese Task-Force ins Leben gerufen, um die Vorwürfe zu untersuchen. Einer der Vorwürfe muss wohl sein, dass ein Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben hat, der Audi-Vorstand habe es im Prinzip untersagt, dass diese Task-Force mit den Mitarbeitern spricht, die direkt mit der Schummel-Software betraut gewesen waren. Und das wären harte Vorwürfe. Dass man erstens Ermittlungen bewusst aufhält oder verhindert. Und zweitens, obwohl man es weiß, weitermacht und die Fahrzeuge weiter verkauft und damit bewusst illegale Abschaltvorrichtungen auf den Markt bringt.

Glauben Sie, dass da absichtlich die Augen verschlossen wurden?
Nach meiner Einschätzung ist es schon ein hochbrisantes Thema, sonst hätte eine Untersuchungsrichterin keinen Haftbefehl erlassen. Einen Haftbefehl gibt es nicht einfach so. Eine Razzia ist ja auch etwas, was ein Richter anordnen muss. Daher glaube ich schon, dass es sich um sehr ernst zu nehmende Vorwürfe und Anschuldigungen handelt.

Wie bewerten Sie, dass die oberen Etagen jetzt zur Rechenschaft gezogen werden? Hat das eine Signalwirkung?      Eine Signalwirkung hatten wir ja letzte Woche, als die Staatsanwaltschaft Braunschweig diese eine Milliarde Euro Strafe bekannt gegeben hat, die VW bezahlt, weil man Aufsichtspflichten verletzt sah und VW es zugegeben hat.

Glauben Sie, es folgen noch weitere Festnahmen?
Das kann man nicht ausschließen. Ich gehe auch davon aus, dass dann, wenn sich diese Vorwürfe erhärten, VW seine ehemaligen Vorstände privatrechtlich auch mit in Haftung nehmen muss. Zum Beispiel auch den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn und ähnliche. Gerade Winterkorn hat Volkswagen jahrzehntelang in allen Belangen vertreten.

Was könnten die Folgen für die Automobilindustrie sein?
Für die Automobilindustrie ist der Diesel ohnehin tot. Seit zweieinhalb Jahren steckt man mitten im Dieselsumpf, und jede Woche gibt es eine neue Hiobsbotschaft. Wir haben kein Audi-Problem, wir haben kein VW-Problem, kein Mercedes-Problem, kein BMW-Problem, sondern wir haben ein Problem der Branche. Diese ist unendlich stark in Dinge verstrickt, die ihre sogenannte Zukunftstechnologie Diesel für die Zukunft nicht mehr tragfähig machen.

Das Gleiche gilt für die Franzosen und für die Italiener, die genauso im Dieselsumpf stecken: Die Renaults und die Fiats wie die Daimlers und die BMWs. Es gibt keinen Hersteller, der Diesel-Fahrzeuge baut, der nicht tangiert ist von diesen großen Problemen. Deshalb haben einige schon mit Recht gesagt: Wir beenden die Diesel-Ära. Der Diesel ist ein Auslaufmodell.

Was schätzen Sie, wie lange zieht sich der Dieselskandal noch?                                                                                              Es geht ja auch um Fahrverbote und diese Dinge. Wir werden mindestens noch 18 Monate oder länger mit Diesel-Gate in der Öffentlichkeit konfrontiert werden.

Und danach? Um welche Themen wird es dann gehen?
Es geht ja darum, die Zukunft zu gestalten. Und durch Diesel wird viel Kapazität und Zeit weggenommen, um diese Zukunft zu gestalten. Übrigens fehlt dann auch viel Geld für Innovationen, beispielsweise durch die Strafzahlungen bei VW. Große Themen sind in Europa sicher Elektromobilität und das autonome Fahren. In Märkten wie China bereitet man die Zukunft schon deutlich schneller vor als in Europa, weil man in Europa im täglichen Geschäft immer noch mit der Altlast Diesel konfrontiert ist.

Können Sie das Wort "Diesel" eigentlich noch hören?
Ich bin überrascht, wie lange man in diesem Sumpf bleibt. Und ich glaube, die Autobauer haben in ihrer Kommunikation auch mit ihren Verbänden im Kern Fehler gemacht, die dazu führen, dass die Krise länger dauert, anstatt diese zu beenden. Es ist die renitente Weigerung, die Fahrzeuge, die auf der Straße sind, durch die Hardware-Nachrüstungen so sauber zu machen, dass sie auch mit der Stadtluft kompatibel sind. Die Automobilindustrie und die Verbände haben den großen Fehler gemacht, sich gegen den Rest der Welt zu stellen und überhaupt nicht über Hardware-Nachrüstungen nachzudenken. Das kostet der Automobilindustrie in der Öffentlichkeit sehr viel Sympathie und erregt zusehends Zorn.

Professor Dudenhöffer, vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Text erschien zuerst auf t-online.de

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