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Ärztin erklärt, wie Gesundheitsämter für zweite Corona-Welle gestärkt werden müssen

MOSCOW, RUSSIA - JULY 14, 2020: Nurses and patients at an intensive care unit of the Pirogov First City Clinical Hospital. The COVID-19 facility opened at the hospital completed work and after carryin ...
Ärztinnen auf einer Intensivstation behandeln einen Covid-19-Patienten. Bild: www.imago-images.de / Sergei Bobylev
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Immer mehr Corona-Infektionen: Ärztin mit dringender Warnung

31.07.2020, 15:1631.07.2020, 18:04
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Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen wieder in besorgniserregendem Tempo. Das Robert-Koch-Institut registrierte am Donnerstag und Freitag jeweils rund 900 Neuinfektionen – so viele wie seit Wochen nicht mehr. Im Zuge des nun einsetzen Rückreiseverkehrs aus Urlaubsländern wächst außerdem die Sorge, Infektionen könnten nach Deutschland eingeschleppt werden. Ab Samstag sollen daher Coronatests für Rückreisende kostenlos und verpflichtend zur Verfügung gestellt werden.

Eine aktuelle Umfrage des ZDF-Politbarometers zeigt in diesem Zusammenhang: 77 Prozent der Deutschen rechnen damit, dass es eine zweite Corona-Welle geben wird. Das Problem: Sollten sie Recht behalten und dies tatsächlich eintreten, wären die Gesundheitsämter darauf nicht gut eingestellt.

Das jedenfalls sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte, Ute Teichert, am Freitag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Für eine zweite Pandemie-Welle sind die Gesundheitsämter viel zu knapp besetzt."

Ärztin mahnt: Gesundheitsämter hätten jetzt größere Probleme als noch im März

Diese Einschätzung bestätigt auch Gudrun Widders, die stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Ärztinnen und Ärzte der Länder Brandenburg und Berlin: "Die Gesundheitsämter sind bundesweit personell nicht so ausgestattet, dass sie umfänglich ihre gesetzlich geregelten Aufgaben wahrnehmen könnten", erklärt sie gegenüber watson. Die Gründe dafür reichten weit zurück. In den zurückliegenden 20 Jahren sei im öffentlichen Gesundheitsdienst aus Kostengründen Personal abgebaut worden.

"Krisensituationen wie die jetzige machen die Notlage der Gesundheitsämter besonders deutlich."

Der Unterschied zum Beginn der Corona-Krise in Deutschland sei, dass im März und April Personal aus anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung gestanden habe. Dies sei aber nur wegen umfassender Eindämmungsmaßnahmen möglich gewesen. Mit dem Hochfahren der originären Arbeitsaufgaben in den verschiedenen Bereichen könne darauf nicht mehr in dem Umfang zurückgegriffen werden wie in den vergangenen Monaten.

Welche Aufgaben haben Gesundheitsämter?
Zu den Aufgaben von Gesundheitsämtern zählen unter anderem Einschulungsuntersuchungen, die Überwachung medizinischer Einrichtungen wie Krankenhäuser, außerdem Sozialarbeit für Familien in schwierigen Lebenslagen oder für psychisch oder suchtkranke Menschen. Auch für zahnärztliche Untersuchungen bei Kindern, Gutachten, Behindertenberatung sind die Ämter verantwortlich. In der Corona-Krise sind Gesundheitsämter für die Nachverfolgung von Infektionsketten zuständig.

Was jetzt passieren muss

Grundsätzlich sei ein Gegensteuern allerdings noch möglich: "In Berlin werden in diesem Jahr Mittel zur Verfügung gestellt, um beispielsweise befristete Beschäftigungspositionen zu schaffen und Covid-19-Teams zu stärken." Außerdem müsse man den öffentlichen Gesundheitsdienst mit personeller Aufstockung und einem Ärztetarif stärken.

"Alles andere ist Kosmetik."

Schon 2010 habe es den ersten Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz gegeben, in dem die Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Ärztetarif klar gefordert worden seien. "Seitdem sind zehn Jahre vergangen, und beide Ziele sind ganz klar nicht erreicht."

Solange die Corona-Krise andauere, müssten finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um für die Dauer mindestens eines Jahres separate Corona-Teams zu schaffen, damit die Gesundheitsämter wieder ihre eigentlichen Aufgaben wahrnehmen könnten.

Digitalpakt Schule soll fortgesetzt werden: Wie sinnvoll ist das?

Von allen Seiten hörte man vor allem im vergangenen Jahr die Warnung: Der Digitalpakt Schule darf nicht ohne Folgefinanzierung auslaufen. Das sei ein verheerendes Signal in Sachen Bildung und digitale Schule.

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