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Corona: So erklärt die "New York Times" sich die geringe Sterberate in Deutschland

In Deutschland werden aktuell wöchentlich rund 350.000 Corona-Tests durchgeführt.
In Deutschland werden aktuell wöchentlich rund 350.000 Corona-Tests durchgeführt.Bild: dpa/Marijan Murat
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Wie sich die "New York Times" die Corona-Sterberate in Deutschland erklärt

10.04.2020, 15:46
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Mehr als 100.000 Infizierte, weniger als 1.600 Todesfälle. Mit diesen Zahlen liegt die Corona-Sterberate in Deutschland ungefähr bei 1,6 Prozent. Das ist verhältnismäßig wenig. In diesem Fall könnte auch von einer Anomalie gesprochen werden.

Denn in Italien liegt sie bei zwölf Prozent, in Spanien bei zehn oder in den USA bei drei. Sogar in Südkorea ist die Sterberate mit 1,8 Prozent höher als in Deutschland. Dabei gilt die Halbinsel als Musterbeispiel in Sachen Corona-Eindämmung.

Was also macht Deutschland anders?

Es ist eine Frage, die sich aktuell viele Menschen weltweit stellen. Auch und gerade in den USA, wo längst die meisten Corona-Fälle weltweit verbucht werden und das Virus sich weiterhin rasant ausbreitet.

Die US-Zeitung "The New York Times" hat der Sterblichkeitsrate in Deutschland nun sogar einen eigenen Artikel gewidmet. Sie schaute sich das Phänomen genauer an. Dabei machten die Autoren fünf Gründe ausfindig, die für die verhältnismäßig geringe Sterberate verantwortlich sein könnten.

Das niedrige Durchschnittsalter der Patienten

Generell kann man sagen, dass die ersten Corona-Fälle in Deutschland relativ jung waren. Denn bei den ersten Infizierten handelte es sich vorrangig um junge Urlauberinnen und Urlauber, die aus Skiresorts in Italien oder Österreich zurückkamen, erklärt der Virologe Georg Kräusslich der "New York Times".

Das Virus verbreitete sich mit der Zeit auch unter älteren Menschen, aber das Durchschnittsalter der Infizierten liege noch immer bei 49 Jahren, ergänzt er. Da ältere Menschen zu den Risikopatienten gehören, scheint das auch logisch. Denn dagegen fällt das Durchschnittsalter in Italien mit 62,5 Jahren wesentlich höher aus.

Die vielen Tests

Auch hierzulande wurde diese Erklärung häufig diskutiert: In Deutschland wird weitaus mehr getestet als in anderen Ländern. Dadurch werden auch die Menschen erfasst, die milde oder keine Symptome ausprägten.

Bereits Mitte Januar entwickelte die Charité Berlin einen Test und stellte die zugehörige Formel online zur Verfügung. So konnten Labore landesweit einen Bestand aufbauen, lange bevor die Pandemie in Deutschland als solche bezeichnet wurde.

Virologe Christian Drosten sagt dazu zur "New York Times":

"Der Grund, warum wir in Deutschland derzeit so wenige Todesfälle haben, kann größtenteils durch die Tatsache erklärt werden, dass wir eine extrem große Anzahl von Labordiagnosen durchführen"
Christian DrostenNYT

Aktuell werden wöchentlich 350.000 Corona-Tests durchgeführt. Außerdem wird das medizinische Personal in Deutschland regelmäßig getestet. Da Tests bei jedem Mitarbeiter kostenintensiv werden könnten, werden in einigen Krankenhäusern Blocktests von je zehn Mitarbeitern durchgeführt, also Stichprobenprüfungen. Sollte es zu einem positiven Ergebnis kommen, wird jeder getestet.

Viele Tests können im Übrigen auch dazu führen, dass die Sterberate nur auf dem Papier wesentlich geringer aussieht als in anderen Ländern. Schließlich könnte es anderswo viel mehr Infizierte geben, die lediglich nicht erfasst wurden.

Das Engagement aller Beteiligten

Die "New York Times" beginnt ihren Artikel mit den sogenannten Corona-Taxis in Heidelberg: Mediziner, natürlich mit entsprechender Schutzkleidung, fahren zu Patienten nach Hause. Und das rund fünf oder sechs Tage, nachdem diese an Covid-19 erkrankt sind.

Warum das so wertvoll ist? "Am Ende der ersten Woche gibt es diesen Wendepunkt", sagt Virologe Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg zur US-Zeitung. Dann entscheidet sich, ob die Corona-Erkrankung schlimmer wird. Die Heidelberger Ärzte nehmen Bluttests und prüfen, ob es Anzeichen für eine baldige rapide Verschlechterung bei den Patienten gibt. Wenn ja, dann werden die Betroffenen ins Krankenhaus geschickt. Die Überlebenschancen seien deutlich besser, wenn Patienten zu Beginn dieser Verschlechterung in der Klinik seien.

Die "New York Times" nennt die Heidelberger Arzt-Taxis nur als eines von vielen Beispielen, die das Engagement des deutschen Staats im Kampf gegen Corona veranschaulichen.

Das Gesundheitssystem

Aktuell werden die Gesundheitssysteme in Italien oder Frankreich an ihre Belastungsgrenze getrieben. In Deutschland ist das (noch) nicht der Fall. Als sich die Corona-Krise anbahnte, stockten viele Kliniken ihre Intensivbetten mit Beatmungsgeräten auf.

In den Krankenhäusern bilden diese Betten den Flaschenhals. Umso wichtiger ist es, genug davon zu haben. Aktuell stehen in Deutschland 40.000 solcher Betten zur Verfügung – im Januar waren es noch 28.000. Diese Kapazitäten wurden bisher noch nicht voll ausgereizt. Deshalb können momentan auch Patienten aus Spanien, Italien oder Frankreich aufgenommen werden, um die Kapazitäten dort zu entlasten.

Das Vertauen in die Regierung

Zuletzt lobt die US-Zeitung Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch sie könnte demnach dafür verantwortlich sein, dass die Sterberate so gering ausfällt.

Ihre ruhige und besonne Art bei gleichzeitiger schrittweiser Einfuhr strengerer sozialer Distanzierungsmaßnahmen führten dazu, dass es kaum politischen Widerstand gegeben habe. Zudem würden die Maßnahmen weitgehend befolgt.

(tkr)

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