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Interview

Dorothee Bär über Übergriff auf Oktoberfest, Twitter und Bayernwahl

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Dorothee Bär: "Geh' rüber auf Twitter. Da kannst du pöbeln"

An Hass im Netz will sie sich nicht gewöhnen, schimpfende Nutzer auf Instagram schickt sie zu Twitter. Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär, im Interview
12.10.2018, 17:5612.10.2018, 18:49
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Es wird genascht, geküsst, geplanscht oder auf Strohballen posiert. Dorothee Bär gibt sehr eigene Einblicke auf Instagram. Kaum ein Politiker gibt sich so nahbar in Social Media. Ein Instaview.

Dorothee Bär ist...
40, seit März erste Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt und ein bisschen instaverrückt. Sie wurde in Bamberg geboren, wuchs in Maintal zwischen Weinbergen auf und trat mit 14 Jahren in die Junge Union, mit 24 in die CSU ein. 2002 schaffte sie erstmals den Sprung in den Deutschen Bundestag.

watson: Frau Bär, konnten Sie als Digitalministerin schon die Rohrpost im Kanzleramt abschaffen?
Dorothee Bär:
Das habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht versucht. Ich habe erst vor Kurzem erfahren, dass es wohl das einzige Medium sei, das sich nicht hacken lässt (lacht). Die Rohrpost war für mich zum Start als Staatsministerin für Digitales eher eine interessante Metapher: Flächendeckendes W-Lan gibt es nicht, aber die Rohrpost im Kanzleramt ist noch installiert.

Laut einer repräsentativen Umfrage der Vodafone Stiftung stößt jeder zweite Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren regelmäßig auf Desinformationen und Hassrede im Netz. 66 Prozent sorgen sich, dass die Verbreitung von Fake News die Gesellschaft spalten könnte. Was tun?
Wir müssen den Schülerinnen und Schülern in den Schulen in ganz jungen Jahren Medienkompetenz an die Hand geben. Es braucht für jedes Medium eine unterschiedliche Herangehensweise. Die Studie sagt ja auch, dass es den Jugendlichen viel zu lange dauert, bis in solchen Fällen dann tatsächlich auch Hilfe da ist. Dass sich Jugendliche allein gelassen fühlen und keinen Ansprechpartner haben, muss man ernst nehmen. Das kann nicht allein vom Elternhaus geleistet werden.

Wie gehen Sie denn persönlich mit dem Druck um, der über sozialen Medien kommt?
Ich habe mich heute zum Beispiel geärgert. Es ging um blaue Häkchen. Ich habe auf eine WhatsApp-Nachricht nicht sofort geantwortet, was daran lag, dass ich einfach noch etwas recherchieren wollte. Wenn dann drei Mal nachgefragt wird, ist das wirklich übertrieben und unangenehm. Wenn es aber um Hass und Drohungen geht: ignorieren, blockieren und melden. Und an die Polizei weitergeben muss natürlich bei strafrechtlich relevanten Fällen auch gehen.

Der Hass im Netz ist mittlerweile auch auf der Straße. Sie haben erst kürzlich auf dem Oktoberfest diese Erfahrung machen müssen.
Ja. Es hat mich jemand allein aufgrund der Tatsache angesprochen, dass ich Politikerin bin. Der Mann ist mich nicht nur verbal, sondern auch körperlich angegangen. Das habe ich in der Form noch nicht erlebt. Er hat mir die Dinge gesagt, wie ich sie bisher nur aus dem Internet kannte. Aber ich wiederhole das jetzt nicht.

Sie sagen auch, dass Sie die sozialen Kanäle ganz unterschiedlich nutzen. Facebook für die Älteren, Instagram für eine jüngere Zielgruppe. Was ist Ihr Lieblingsmedium?
Mit Abstand Instagram.​

Dort steht, Sie seien "Instalover".
Es ist halt ein sehr flauschiges Medium. Die Leute sind in der Regel nett. Wenn mich einer auf Instagram angepöbelt hat, habe ich auch schon mal gesagt: "Geh rüber auf Twitter. Da kannst du pöbeln." Wenn sich die Leute nicht darauf einlassen, das Medium zu wechseln, dann fliegen sie raus. Das heißt nicht, dass man nur Lobeshymnen hören will. Konstruktive Kritik ist völlig in Ordnung. Aber ich möchte, dass der Anstand gewahrt bleibt. Das erwarte ich auf Twitter schon gar nicht mehr Politikern gegenüber. Auf Twitter gehen die Leute nicht gut miteinander um. Das sollte man natürlich nicht hinnehmen. Aber dort ist es wahnsinnig schwer, noch einen Erziehungsprozess einzuleiten.

Twitter ist offenbar nicht ihr Lieblingsmedium.
Das Medium ist ja nicht das Problem. Twitter kann ja nichts dafür, dass die Leute es so nutzen. Die, die es missbrauchen, sind das Problem. Ich nutze es weniger, um politische Botschaften in die Bevölkerung hineinzutragen. Twitter ist ja eher ein Medium für Journalisten.

… und für Politiker und Psychopathen. Ich zitiere nur.
Ich habe für diese Aussage mehr Zuspruch als Kritik bekommen.

Als Horst Seehofer angekündigt hat, zu twittern, waren Sie skeptisch und sagten, dass ein Medium auch immer zur Person passen müsse. Welches Medium passt zu Seehofer?
Ich glaube, dass Facebook eigentlich das Idealste für ihn ist. Über Bilder auf Instagram Innenpolitik zu erklären, fände ich auch schwierig. Um eine ältere Zielgruppe zu erreichen, ist Facebook schon passender.

Wer medial auch breit aufgestellt ist, ist Bayerns amtierender Ministerpräsident Markus Söder. Er hat, nun ja, eine sehr besondere Bildsprache. Reden Sie eigentlich darüber? So in der Art: Hier, guck mal, Dorothee, ich habe gerade ein Bild mit Laserschwert gepostet?
Da ich ihn nun etwas necken möchte, sage ich: Ich glaube, er ist ein bisschen neidisch auf meinen Account. Er tut immer so, als ob seiner toller ist als meiner.

Dorothee Bär so:

Söder so:

Dorothee Bär so:

Markus Söder anders:

Klingt nach einem kleinen Wettbewerb zwischen Ihnen beiden.
Für ihn ja, für mich nicht. Weil, ganz ehrlich, ich habe natürlich wesentlich mehr Follower als er. Da mess‘ ich mich doch gar nicht. Können Sie bitte ein Augenzwinkern an diese Stelle machen?

Natürlich. Klassisch oder als Emoji?
Als Emoji! Unbedingt.​

(Anmerkung der Redaktion: 😂)

Am Sonntag wählt Bayern einen neuen Landtag. Der CSU droht der Verlust der absoluten Mehrheit. Die CSU wird einen Koalitionspartner brauchen. Mit wem reden Sie als CSU am kommenden Montag? Grüne, SPD…?
Ich denke, dass wir am Montag erst einmal im Parteivorstand untereinander sprechen müssen. Wir brauchen dann eine saubere Analyse des Ergebnisses, das wir ja alle noch nicht kennen. Umfragen sind keine Wahlergebnisse.

Für den Umfragegau schieben sich Bayern und Berlin gerade den Schwarzen Peter hin und her. Wer hat Schuld: Söder oder Seehofer?
Die Leute interessieren sich nicht für Schuldfragen. Wir müssen die Wahl auch zum Anlass nehmen, wieder mehr bei den Menschen zu sein. Was die Leute aufregt, ist, wenn Politiker sich nur mit sich selbst beschäftigen und sich nicht um ihre Sorgen und Probleme kümmern. Im Großen und Ganzen brauchen wir ernsthafte Antworten auf die Herausforderungen der Zeit. Wenn die Digitalisierung im Land nicht ordentlich gelöst wird, dann werden wir nicht von einer erfolgreichen Industrie zu einer erfolgreichen Digitalnation werden.

Markus Söder ist mit seiner Raumfahrtstrategie "Bavaria One" ziemlich angeeckt, Sie vor einiger Zeit mit den sogenannten Flugtaxen. Hat Deutschland ein Problem mit Visionen? Darf man nicht groß denken? Oder liegt es eher an der Präsentation?
Ich glaube, bei mir lag es weniger an der Darstellung. Der Markus hatte das Problem, dass das Raumfahrtprogramm mit einem Logo in Verbindung gebracht wurde, was gar nicht von der Staatsregierung kam, sondern von der Jungen Union. Die wollte ihm damit einen Gefallen tun. Das ist dann bewusst bösartig dargestellt worden. Das Logo, was die JU für ihn kreiert hat, wurde mit den Raumfahrtplänen der Staatsregierung in einen direkten Zusammenhang gebracht.

Das Bild hat er aber auf Facebook und Instagram gepostet. Den Zusammenhang hat er ganz alleine hergestellt.

Das Logo gibt es schon ein Dreivierteljahr und ist nicht neu, aber sei‘s drum. Die Kritik bei meinem Beispiel mit den Flugtaxen hatte weniger mit der Bildsprache zu tun, sondern einfach nur mit der klaren Aussage, dass Digitalisierung halt nicht Breitbandausbau ist. Wenn Sie etwas vorschlagen, dass fünf oder zehn Jahre in die Zukunft blickt, kommt immer ein: "Erstmal müsst ihr aber das und das machen." Das Schlagloch direkt vorm Haus ist immer wichtiger, als in die Zukunft zu denken. Und auf der anderen Seite wird uns Politikern gleichzeitig vorgeworfen, dass wir immer nur innerhalb von Legislaturperioden denken. Das ist ehrlicherweis auch schizophren. Politik ist auch dafür da, über den Tellerrand zu blicken. Wir leiden immer noch unter dem alten Zitat, dass man zum Arzt muss, wenn man Visionen hat.

Das geht zurück auf Altkanzler Helmut Schmidt.
Das absolute No-Go-Zitat. Mein Politikverständnis ist das genaue Gegenteil. Wir brauchen keine Dystopien und auch keine Utopien, aber Visionen brauchen wir ganz dringend.​

Dorothee Bär so:

Markus Söder so:

Welches Insta-Profil findest du besser?

Auch das ist Instagram – 23-mal Einheitsbrei:

1 / 25
23 mal Instagram-Einheitsbrei
Bild: instagram.com/insta_repeat/
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Toyah Diebel über unfähige Berliner Barkeeper:

Video: watson/Marius Notter, Lia Haubner

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