Kommentar
Empörung von rechts
Kaum liefen die ersten Meldungen um kurz nach halb fünf am
Samstagnachmittag zum Attentat in Münster über die Agenturen, waren sie auch schon online: zynische Danke-Merkel-Post von rechts.
Ganz vorne dabei AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, die twitterte: "Wir schaffen das!" Die Botschaft: Merkel und ihre Flüchtlingspolitik sind Schuld. Die Liste solcher "Debattenbeiträge" von rechts ließe sich beliebig fortsetzen.
Während die Polizei Münster Twitter nutzte, um ruhig und transparent zu informieren, verbreiteten andere dort gezielt Desinformation und machten Stimmung.
Die Absurdität dieser
Empörungsdynamik ging in die nächste Phase, als sich gegen frühen Abend herausstellte, dass die Tat wohl keinen islamistischen Hintergrund hat. Als bekannt wurde, dass es sich
bei dem mutmaßlichen Täter um Jens R. aus dem
Sauerland handelte, schlug die Stunde des "Ja, aber..." am rechten Rand.
Was folgte, war die
übliche Strategie: Von Storch versuchte erst, ihren "Wir schaffen das"-Post zu relativieren, um dann zu
erklären, warum sie trotzdem Recht hatte.
Mit demselben Eifer löschten andere rechte Putztruppen ihre vorschnellen Schuldzuweisungen.
So weit, so vorhersehbar. Was aber eine relativ neue Entwicklung ist:
Erleichterung darüber, dass die Tat keinen islamistischen Hintergrund hatte.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es eine Art triumphierendes Aufatmen.
Zwischenzeitlich tauchten Meldungen auf, wonach der Amokfahrer dem rechten Spektrum zuzuordnen sei – auch das stellte sich schnell als falsch heraus. Bisher gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass Jens R. aus politischen Motiven gehandelt habe.
Diese Dynamik zeigt, wie dysfunktional mittlerweile in Deutschland über solche Gewalttaten gesprochen wird. Es geht nicht um Opfer, denen es "egal ist, welche Religion der Täter hatte", wie NRWs Ministerpräsident bei seiner Trauerrede sagte.
Nicht Nationalität und Herkunft, sondern Motivation und Ideologie hinter solchen Taten sind entscheidend. Geht es doch darum, nicht von einem Einzeltäter auf Menschengruppen zu schließen.
Stattdessen spielen in der aufgehitzten Diskussion weniger die tatsächlichen Folgen der Tat eine Rolle, als dass es um den politischen Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse geht. Dabei sollte gerade auch die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter ein Deutscher ist, im Grunde keine Rolle spielen.
Im Dezember 2023 wäre die Ampel-Koalition fast am Haushaltsstreit zerbrochen, die Nachwehen ziehen sich bis in die Gegenwart. Seitdem das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig erklärt hat, ist der Spielraum im Etat der Bundesregierung drastisch reduziert worden.