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Horst Seehofer wusste von Maaßen-Quote, Michael Kretschmer von Hetzjagd

People attend a demonstration in Chemnitz, eastern Germany, Friday, Sept.7, 2018, after several nationalist groups called for marches protesting the killing of a German man two weeks ago, allegedly by ...
Bild: AP
Politik

++ Seehofer wusste von Maaßen-Äußerung, Kretschmer von (mindestens einer) Hetzjagd ++

08.09.2018, 11:5009.09.2018, 14:11
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Ende August kommt nach einem Stadtfest in Chemnitz der Deutsch-Kubaner Daniel H. gewaltsam ums Leben. Zwei Männer aus Syrien und Irak werden festgenommen, nach einem dritten Tatverdächtigen wird gefahndet.

Seither hat sich in Deutschland vieles verändert. Rechte versuchen den gewaltsamen Tod für ihre Belange zu instrumentalisieren, in Chemnitz und in anderen Teilen Deutschlands. Die Zivilgesellschaft macht mobil. In Chemnitz und in anderen Teilen Deutschlands. 

Auch die Politik diskutiert. Und ihre Beamten. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, behauptet ein zentrales Video, das Übergriffe auf Flüchtlinge zeigt, sei manipuliert und greift damit Kanzlerin Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik an. 

Chemnitz und die gesellschaftlichen Folgen – der watson-Liveticker.

Sonntag, 9. September 

Seehofers Ministerium wusste von Maaßen-Zitat, Kretschmer von mindestens einer Hetzjagd

9:53 Uhr: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zweifelt an der Echtheit eines Videos aus Chemnitz, das Übergriffe auf Flüchtlinge zeigt und viele reagieren mit Unverständnis. Nur Innenminister Horst Seehofer, CSU, steht zu seinem Untergebenen. Ihn hat Maaßens Statement nicht überrascht, er war über das autorisierte Interview vorab informiert. Es habe vorab eine "Abstimmung gegeben", berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Ist Hans-Georg Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes noch tragbar?

Hans-Georg Maaßen geht schon mal in Deckung

Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU, stellt zusammen mit Hans-Georg Maassen, Praesident des Bundesamtes fuer Verfassungsschutz (BfV) den Verfassungsschutzbericht 2017 in der Bundespressekonferenz  ...
Bild: imago stock&people

Kritik hatte auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer, CDU, auf sich gezogen. Er hatte es – anders als Kanzlerin Angela Merkel – abgelehnt, die Übergriffe in Sachsen als Hetzjagd zu bezeichnen. Wider besseren Wissens. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet auch über Übergriffe auf SPD-Mitglieder aus Marburg, die am 1. September bei einer Demonstration in Chemnitz von Rechten verfolgt und attackiert worden waren. Eine Demonstrantin berichtete der Zeitung: 

"Der Angreifer habe mehreren Frauen zugerufen: 'Ihr habt Glück, dass ihr Fotzen seid, dass wir euch nicht behindert schlagen."
Karin Dettmering, Gegendemonstrantinfrankfurter allgemeine sonntagszeitung

Kretschmer, so die Zeitung, sei über den Übergriff auf die Gruppe, die auf Initiative des SPD-Bundestagsabgeordneten Sören Bartol aus Marburg angereist war, informiert worden. 

(dpa, afp)

Nahles spricht Seehofer und Maaßen Eignung für ihre Ämter ab

9:23 Uhr: SPD-Chefin Andrea Nahles hat die Eignung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen für ihre Ämter in Zweifel gezogen. Sie sagte dem "Tagesspiegel".

"Die Äußerungen Seehofers, aber auch des Präsidenten des Verfassungsschutzes Maaßen aus der vergangenen Woche lassen zweifeln, ob die beiden geeignet sind, unsere Verfassung und damit unsere Demokratie zu schützen."
Andrea Nahles, SPD-Vorsitzendetagesspiegel

Starke Worte auch aus Mainz

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende, die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer, forderte Maaßens Ablösung: Sie sagte: 

"Herr Maaßen stellt die Glaubwürdigkeit von Politik, Medien und den vielen Augenzeugen infrage...
Ich glaube daher nicht, dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle ist."
Malu Dreyer, SPD, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalzbild am sonntag

Zuvor hatten schon Politiker von Grünen und Linken Maaßens Ablösung gefordert. 

(dpa, afp)

Hummels steht zu #wirsindmehr

8:00 Uhr: Fußballnationalspieler Mats Hummels hat das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts gelobt. Der Profi des FC Bayern Münche sagte der Zeitung "Welt am Sonntag": 

""Ich habe von der Aktion #wirsindmehr gelesen und finde das sehr gut und wichtig."
Mats Hummels, Nationalspielerwelt am sonntag

Einer reicht die Hand

Die Nationalelf gilt als Spiegelbild der gesellschaftlichen Debatte um Integration. Spätestens seit der AfD-Politiker sich zum Abwehrspieler Jérôme Boateng ausgelassen hatte. Umso mehr steht der Deutsche Fußball-Bund und sein kriselnder Präsident Reinhard Grindel wegen ihres Umgangs mit dem zurückgetretenen Nationalspieler Mesut Özil in der Kritik. 

(dpa, afp, rtr)

Samstag, 8. September

++ Grünen fordern Auflösung des Verfassungsschutzes ++

15:56 Uhr: Die Grünen haben eine Auflösung von Maaßens Behörde und eine Neugründung als Amt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr gefordert. Die Bundesregierung könne nicht die Augen davor verschließen, dass der Verfassungsschutz unter Maaßen "vor die Wand gefahren ist", erklärten die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck am Samstag. Nun sei eine "klare Zäsur" notwendig.

"Der Verfassungsschutz braucht einen Neustart", forderten Baerbock und Habeck. Nötig sei ein personell und strukturell völlig neues "Bundesamt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr", das klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeite. "Um die Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen wie Faschismus oder Islamismus zu beobachten und zu analysieren, braucht es daneben ein unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung", erklärte die beiden Parteivorsitzenden. Nur so ließen sich "die wiederkehrenden eklatanten Missstände im alten Verfassungsschutz beseitigen."

04.09.2018, Berlin, Deutschland - Pressekonferenz von BUENDNIS 90/DIE GRUENEN zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Foto: Robert Habeck, Bundesvorsitzender von BUENDNIS 90/DIE GRU ...
Bob HabeckBild: imago stock&people

So habe es bezüglich der lange Zeit unentdeckten Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) ein "absolutes Versagen" der Sicherheitsbehörden gegeben, insbesondere des Verfassungsschutzes. Als Konsequenz habe die Bundesregierung einst eine fundamentale Reform der Verfassungsschutzbehörde angekündigt. "Doch stattdessen folgte ein weiteres Desaster: Nachweislich hat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Maaßen, im Fall Anis Amri dem Parlament die Unwahrheit gesagt", erklärten Baerbock und Habeck.

Nun bediene Maaßen "mit unbelegten Behauptungen die Agenda der Rechtspopulisten", kritisierten die Grünen-Vorsitzenden. "Dabei soll der Verfassungsschutz unsere Verfassung schützen und nicht die Feinde der Verfassung." Doch genau diesen Eindruck erwecke Maaßen und gefährde damit das Vertrauen in staatliche Strukturen.

(dpa)

++ Bellmann wünscht keine Muslime in der CDU – und erntet Kritik aus der eigenen Partei ++

15:02 Uhr: Die sächsische CDU-Politikerin Veronika Bellmann hatte sich schon vor längerem für ein Bündnis ihrer Partei mit der AfD ausgesprochen. Am Samstag sorgte sie erneut für Aufsehen. Im rechten Blatt "Junge Freiheit" lehnte sie es ab, Muslime in die CDU aufzunehmen. "Heute geben sie sich säkular und morgen doch wieder streng gläubig", sagte Bellmann und forderte vor dem Eintritt von Muslimen in die CDU ein Bekenntnis zum Grundgesetz ein. 

Widerspruch kam prompt. Auch aus der eigenen Partei. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht im muslimischen Glauben kein Hindernis für eine Mitgliedschaft in ihrer Partei. "Für mich ist die entscheidende Frage: Zu welchen Werten stehst Du? Da spielen für mich Herkunft, Geschlecht, Religion, sexuelle Identität oder was auch immer keine Rolle", sagte sie. 

Auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz lehnte Bellmanns Forderung ab.  

(dpa)

++ FAZ trennt sich von Leser Björn Höcke ++

CORRECTS SPELLING - Bjoern Hoecke, left, leader of the Alternative for Germany, AfD, in German state of Thuringia, and Pegida founder Lutz Bachmann, second from right, participate in a commemoration m ...
Björn Höcke und Pegida-Frontmann Lutz Bachmann Bild: AP

13:11 Uhr: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist eine Institution. Nicht minder ihre Werbekampagne "Dahinter steckt immer ein kluger Kopf". Am Samstag räumte die Zeitung aber auf. Unter einem Foto des AfD-Rechtsexremauslegers Björn Höcke bekannte die Zeitung am Samstag freimütig: "Dahiner steckt nicht immer ein kluger Kopf."

Höckes Kündigung seines Abonnements liegt zwar schon 15 Jahre zurück. Aber mit der Zeitung und ihrer Berichterstattung setzt er sich noch jetzt gern auseinander. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler bekannte nun: 

"Die Kündigung an sich kam damals nicht wirklich überraschend. Unser Blatt konnte für einen wie Höcke nur eine Enttäuschung sein."
Berthold Kohler, Herausgaber Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Ganze ist mehr als eine Posse. Es signalisiert einen schleichenden Enfremdungsprozess und eine Radikalisierung in der bürgerlich-konservativen Welt. Populistische Bewegungen haben nur dann Erfolg, wenn sie konservative Eliten stützen. Auch deshalb sind die Gaulands und Höckes so gefährlich. 

(dpa, rtr)

++ Überfall auf jüdisches Restaurant in Chemnitz ++

9:57 Uhr: Nach einem Überfall auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz mahnt Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, ein energisches Vorgehen an. Er sagt: 

"Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun. Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen.
Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierungwelt am sonntag

Zuvor hatte die Welt am Sonntag berichtet, dass in Chemnitz bereits am 27. August das koschere Restaurant "Shalom" überfallen worden sei. Die Männer hätten unter anderem gerufen. "Hau ab Deutschland, du Judensau!"

(afp)

++ Kritik an Maaßen auch aus der CDU ++

8:30 Uhr: Nach seinen Zweifeln an der Authentizität eines zentralen Videos zu Übergriffen auf Flüchtlinge in Chemnitz gerät Verfassungsschutzpräsident weiter in die Kritik. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte dem Deutschlandfunk: 

"Was ich von einem Behördenchef erwarte, ist Sensibilität und eine saubere Lagebeurteilung.
Armin Schuster, CDU-Bundestagsabgeordneterdeutschlandfunk

(dpa, afp)

++ Polizeigewerkschaft lehnt Begriff Hetzjagd ab ++

7:05 Uhr: Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Oliver Malchow, lehnt den Begriff "Hetzjagd" für die Übergriffe in Chemnitz ab. Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": 

"Es hat keine Hetzjagd per Definition gegeben, also dass da bewaffnete Menschen ihre Opfer durch die Straßen jagen, aber es war keineswegs eine friedliche Veranstaltung."
Oliver Malchow, Deutsche Polizeigewerkschaft

Zuvor hatten sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch ihr Regierungssprecher Steffen Seibert die Übergriffe auf Flüchtlinge in  Chemnitz als Hetzjagd bezeichnet. 

(dpa, afp)

Freitag, 7. September

++ Sachsens Justiz hegt keine Zweifel am Chemnitz-Video ++

22.30 Uhr: Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat keine Zweifel an der Authentizität des Chemnitz-Videos zu Übergriffen auf Flüchtlinge. Dem Portal Zeit.de teilte die Justizbehörde mit. 

""Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass das Video ein Fake sein könnte."
Generalstaatsanwaltschaft Dresdenzeit,de

(dpa, rtr)

++ Aufmärsche und Gegendemonstrationen in Chemnitz und Landau ++

19 Uhr: In Chemnitz gehen erneut rund 2.500 Rechte auf die Straße, ein Bündnis hat als Gegendemonstration ein Beethoven-Konzert organisert. 

Im pfälzischen Landau scheitert der Versuch der Rechten, den Mordfall der 15-jährigen Mia zu instrumentalisieren. Zahlreiche Gegendemonstranten dominieren den Rathausplatz der Stadt. Mia war im vergangenen Dezember von ihrem Ex-Freund, einem jugendlichen Flüchtling erstochen worden. Der Jugendliche war Anfang der Woche nach Jugendstrafrecht zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein. Viele, nicht nur Rechte, hatten das Urteil als zu mild empfunden.  

(dpa)

++ Steinmeier warnt vor Weimar ++

News Bilder des Tages Bundespraesident Frank-Walter Steinmeier in einem Ausstellungsraum der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus in Rhoendorf, Bad Honnef, Deutschland, 29.08.2018. Adenauerhaus *** Fe ...
Bild: imago stock&people

18.11 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter galt lange als Suchender im neuen Amt. Nun gibt er den präsidialen Mahner und warnte vor Demokratieverachtung. Auf einem Bürgerfest für Ehrenamtler warnte er vor Weimarer Verhältnissen. Steinmeier warnte, Begriffe wie "System", "Systemzeit" und "Systemparteien» gehörten zum Propagandawortschatz der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik. Damit diffamierten sie die politischen Institutionen der damaligen Demokratie, die sie nach 1933 schließlich beseitigten.  AfD-Bundeschef Alexander Gauland hatte kürzlich in einem Zeitungsinterview öffentlich für eine "friedliche Revolution" gegen das "politische System" und das "System Merkel" geworben.

(afp)

++ Linke, Grüne und SPD drängen Maaßen zum Rückzug ++

15.05 Uhr: Der Bundestag soll sich am Montag in einer Sondersitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums mit Maaßen und seinen Äußerungen befassen. Zahlreiche Politiker von Grünen, Linken und SPD drängten Maaßen zum Rückzug. 

(dpa, rtr)

++ Maaßen sieht keine Belege für Übergriffe in Chemnitz ++

5:45 Uhr: Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, zweifelt die Echtheit eines Videos an, das Übergriffe von rechten Demonstranten auf Flüchtlinge in Chemnitz zeigt. Dem Boulevardblatt "Bild" sagte er: 

"Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken."
Hans-Georg Maaßen, Verfassungsschützer

Maaßen hatte sich schon 2015 offen gegen die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel gestellt. Sein Dienstherr Horst Seehofer, CSU, und dessen Vorgänger als Innenminister Thomas de Maizière, CDU, hatten den konservativen Juristen stets gestützt.

(rtr)

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