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Polizeimeldung aus Greifswald trägt dazu bei, rassistische Stimmung zu schüren

Symbolbild.
Symbolbild.Bild: getty images/montage: watson
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Wie eine Polizeimeldung aus Greifswald dazu beiträgt, rassistische Stimmung zu schüren

05.12.2018, 19:3305.12.2018, 19:43
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Vor einem Club in Greifswald kommt es Anfang Dezember zu einer Schlägerei. Ausgelöst wird sie mutmaßlich durch rassistische Beleidigungen durch drei Deutsche. Die Polizei schreibt in ihrer ersten Meldung jedoch von einem Angriff durch zehn prügelnde "Zuwanderer". Der Club dementiert das zwei Tage später auf seiner Facebookseite, die Polizei verschickt schließlich eine zweite Pressemeldung.

Doch die Geschichte der "Ausländergewalt" ist zu dem Zeitpunkt längst in der Welt und wird auch von rechten Alternativmedien verbreitet. Der Fall zeigt beispielhaft, welche Verantwortung Polizei-Pressestellen für die öffentliche Debatte tragen.

Aber der Reihe nach:

Die erste Meldung der Polizei

Die erste Pressemeldung des Polizeipräsidiums Neubrandenburg vom 1. Dezember ist mit den Worten "Schlägerei vor einer Diskothek in Greifswald" überschrieben. Die Beamten hätten vor Ort festgestellt, "dass etwa zehn Personen aus der Gruppe heraus auf drei weitere Personen einschlugen." Daraufhin seien "die zehn Schläger" geflüchtet. Zwei von ihnen hätte die Polizei jedoch stellen können. In der Meldung lässt das Polizeipräsidium wenig Zweifel daran, wen sie für Täter, und wen für Opfer hält:

"Ersten Ermittlungen zufolge kam es in der Diskothek zu verbalen Streitigkeiten zwischen den drei deutschen Geschädigten und anderen, offenbar ausländischen Partygästen . Als die drei die Lokalität verlassen haben, kamen die etwa zehn Tatverdächtigen, bei denen es sich ausschließlich um Zuwanderer gehandelt haben soll, auf die Geschädigten zu und griffen sie mit Schlägen an. Die 32, 34 und 36 Jahre alten Greifswalder blieben unverletzt. Bei den zwei gestellten Tatverdächtigen handelt es sich um einen 18-jährigen und einen 24-jährigen Syrer."

Das Statement des Clubs

Zwei Tage später meldet sich der Club "Rosa" dann auf Facebook selbst zu Wort. Nach einer Befragung der Mitarbeiter "die Teile des Geschehens unmittelbar beobachten konnten" ergebe sich ein anderes Bild, als das von der Polizei geschilderte. Die Clubbetreiber schreiben:

"Gegen 02:20 Uhr fielen drei Personen im Club auf, die andere Gäste rassistisch beschimpften und Mitarbeiter beleidigten."

Mehrmaligen Aufforderungen, den Club zu verlassen, seien sie nicht gefolgt, stattdessen hätten sie versucht, den Sicherheitsdienst anzugreifen.

Weiter schreiben die Clubbetreiber:

"Die Situation hatte sich in den Vorraum des Clubs verlagert, wo sich nun auch andere Gäste sammelten und offenbar den Sicherheitsdienst unterstützen wollten. Aus der Dreiergruppe kam es weiterhin zu massiven Beleidigungen, Drohungen und Provokationen, jedoch konnten die Personen aus den Räumlichkeiten gedrängt werden. Kurz bevor die inzwischen verständigte Polizei eintraf, kam es außerhalb des Clubs zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen dieser Dreiergruppe und anderen Gästen."

Die zweite Meldung der Polizei

Einen Tag später, am 4. Dezember, verschickt das Polizeipräsidium Neubrandenburg dann eine "Ergänzungsmeldung". Darin heißt es nun:

"Die genauen Umstände, wie es zu dieser Auseinandersetzung gekommen ist und was der mögliche Auslöser gewesen sein könnte, werden derzeit ermittelt. Nach neuen Erkenntnissen durch Hinweise von Involvierten kann ein ausländerfeindlicher Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Daher hat der polizeiliche Staatsschutz der Kriminalpolizei Anklam nun die Ermittlungen aufgenommen."

Der Staatsschutz wird in der Regel eingeschaltet, wenn die Polizei von einem politischen Tatmotiv ausgeht. Wie sich die Auseinandersetzung genau entwickelt hat, wer Täter, und wer Opfer ist, steht also bislang nicht fest. 

Rassistische Kommentare und rechte Blogartikel

Nach der ersten Polizeimeldung berichten mehrere regionale Medien über die Schlägerei – und verlassen sich dabei auf die Angaben der Polizei. Für die Leser dieser Artikel steht der Angriff von zehn "Zuwanderern" auf drei Deutsche deshalb zunächst als Fakt im Raum. Wie es bei Artikeln zu solchen Themen meist der Fall ist, lassen die ersten flüchtlingsfeindlichen Kommentare nicht lange auf sich warten.

"Zehn gegen drei 😡wie mutig doch die jungen Burschen sind. Schickt sie in ihre Heimat, gibt genug arbeit dort", schreibt eine Nutzerin auf der Facebookseite der "Ostsee-Zeitung". "Sofort abschieben. Punkt aus", meint ein anderer.

Auch rechte Alternativmedien greifen die Schlägerei auf. Die Seite "Fischkopp-News" titelt: "Zehn Araber schlagen vor Disco auf Deutsche ein". Auf der Seite "freie-presse.net" wird unter der Überschrift "Drei Deutsche von Migranten vor Diskothek angegriffen" die Polizeimeldung wiedergegeben.

Die rechte Website "freie-presse.net" verbreitet die Polizeimeldung.
Die rechte Website "freie-presse.net" verbreitet die Polizeimeldung.Bild: screenshot

Im Unterschied zu vielen anderen Fällen müssen Kommentatoren und Blogbetreiber hier nicht einmal Fakten verdrehen, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen – sie brauchen lediglich die Meldung der Polizei mit einer "knackigen" Überschrift zu versehen.

Die Polizei trägt eine besondere Verantwortung

Der Fall zeigt, was für eine große Verantwortung Polizei-Pressestellen gerade bei derart sensiblen Themen tragen. Auch wenn die Behörde drei Tage später mit einer "Ergänzungsmeldung" auf die "neuen Erkenntnisse" reagiert – die Nachricht von den zehn prügelnden Migranten ist in der Welt.

Tausende Menschen haben sie gelesen – und geglaubt, weil sie von der Polizei kommt. Das Statement der Clubbetreiber und die Ergänzungsmeldung der Polizei werden viele von ihnen hingegen nicht mehr erreichen.

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