Vor einem Club in Greifswald kommt es Anfang Dezember zu einer Schlägerei. Ausgelöst wird sie mutmaßlich durch rassistische Beleidigungen durch drei Deutsche. Die Polizei schreibt in ihrer ersten Meldung jedoch von einem Angriff durch zehn prügelnde "Zuwanderer". Der Club dementiert das zwei Tage später auf seiner Facebookseite, die Polizei verschickt schließlich eine zweite Pressemeldung.
Doch die Geschichte der "Ausländergewalt" ist zu dem Zeitpunkt längst in der Welt und wird auch von rechten Alternativmedien verbreitet. Der Fall zeigt beispielhaft, welche Verantwortung Polizei-Pressestellen für die öffentliche Debatte tragen.
Aber der Reihe nach:
Die erste Pressemeldung des Polizeipräsidiums Neubrandenburg vom 1. Dezember ist mit den Worten "Schlägerei vor einer Diskothek in Greifswald" überschrieben. Die Beamten hätten vor Ort festgestellt, "dass etwa zehn Personen aus der Gruppe heraus auf drei weitere Personen einschlugen." Daraufhin seien "die zehn Schläger" geflüchtet. Zwei von ihnen hätte die Polizei jedoch stellen können. In der Meldung lässt das Polizeipräsidium wenig Zweifel daran, wen sie für Täter, und wen für Opfer hält:
Zwei Tage später meldet sich der Club "Rosa" dann auf Facebook selbst zu Wort. Nach einer Befragung der Mitarbeiter "die Teile des Geschehens unmittelbar beobachten konnten" ergebe sich ein anderes Bild, als das von der Polizei geschilderte. Die Clubbetreiber schreiben:
Mehrmaligen Aufforderungen, den Club zu verlassen, seien sie nicht gefolgt, stattdessen hätten sie versucht, den Sicherheitsdienst anzugreifen.
Einen Tag später, am 4. Dezember, verschickt das Polizeipräsidium Neubrandenburg dann eine "Ergänzungsmeldung". Darin heißt es nun:
Der Staatsschutz wird in der Regel eingeschaltet, wenn die Polizei von einem politischen Tatmotiv ausgeht. Wie sich die Auseinandersetzung genau entwickelt hat, wer Täter, und wer Opfer ist, steht also bislang nicht fest.
Nach der ersten Polizeimeldung berichten mehrere regionale Medien über die Schlägerei – und verlassen sich dabei auf die Angaben der Polizei. Für die Leser dieser Artikel steht der Angriff von zehn "Zuwanderern" auf drei Deutsche deshalb zunächst als Fakt im Raum. Wie es bei Artikeln zu solchen Themen meist der Fall ist, lassen die ersten flüchtlingsfeindlichen Kommentare nicht lange auf sich warten.
"Zehn gegen drei 😡wie mutig doch die jungen Burschen sind. Schickt sie in ihre Heimat, gibt genug arbeit dort", schreibt eine Nutzerin auf der Facebookseite der "Ostsee-Zeitung". "Sofort abschieben. Punkt aus", meint ein anderer.
Auch rechte Alternativmedien greifen die Schlägerei auf. Die Seite "Fischkopp-News" titelt: "Zehn Araber schlagen vor Disco auf Deutsche ein". Auf der Seite "freie-presse.net" wird unter der Überschrift "Drei Deutsche von Migranten vor Diskothek angegriffen" die Polizeimeldung wiedergegeben.
Im Unterschied zu vielen anderen Fällen müssen Kommentatoren und Blogbetreiber hier nicht einmal Fakten verdrehen, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen – sie brauchen lediglich die Meldung der Polizei mit einer "knackigen" Überschrift zu versehen.
Der Fall zeigt, was für eine große Verantwortung Polizei-Pressestellen gerade bei derart sensiblen Themen tragen. Auch wenn die Behörde drei Tage später mit einer "Ergänzungsmeldung" auf die "neuen Erkenntnisse" reagiert – die Nachricht von den zehn prügelnden Migranten ist in der Welt.
Tausende Menschen haben sie gelesen – und geglaubt, weil sie von der Polizei kommt. Das Statement der Clubbetreiber und die Ergänzungsmeldung der Polizei werden viele von ihnen hingegen nicht mehr erreichen.