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Antisemitismus-Vorwürfe: Nemi El-Hassan wird nicht "Quarks" moderieren

WESTDEUTSCHER RUNDFUNK KÖLN
Florence Randrianarisoa und Nemi El-Hassan - Moderatorinnen Quarks
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Nemi El-Hassan (rechts) wird nun doch nicht Moderatorin von "Quarks".WDR Kommunikation/Redaktion Bild
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Nemi El-Hassan: Was "Quarks" sind, interessiert längst keinen mehr

01.10.2021, 17:2401.10.2021, 17:34
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Betrachten wir die Sache einmal aus einmal aus einer menschlichen, aus einer emotionalen Perspektive. Nemi El-Hassan ist eine Ärztin Ende 20, die kurz davor stand, eine populäre Wissenschaftssendung zu moderieren. Doch dann holt ihre Vergangenheit sie ein. Und die reicht von ihrem Geburtsort am brandenburgischen Scharmützelsee bis ins biblische Nablus.

Nach einer wochenlangen Debatte über Antisemitismus- und Islamismus-Vorwürfe ist der Traum vom Job für die Deutsche mit palästinensischem Hintergrund nun geplatzt. El-Hassan wurde vom WDR hinter die Kamera, in eine Autorinnen-Stelle für "Quarks", verbannt.

Und nun die andere Perspektive. Jüdische deutsche Zuschauerinnen sollen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Moderatorin hinnehmen, die Jahre zuvor auf einem der größten judenfeindlichen Aufmärsche der deutschen Nachkriegsgeschichte mitlief. Und die noch in diesem Jahr antisemitische und antiisraelische Instagram-Posts mit "Gefällt mir" gewürdigt hat. Nach berechtigter Kritik wurde diese am Ende nur kosmetisch von ihrem vorgesehenen Posten entfernt.

Und dann sind da die sozialen und etablierten Medien, in denen es wochenlang brodelt. Immer neue Details werden bekannt, der Druck im Kessel steigt. Das wichtigste Nachrichtenmagazin des Landes veröffentlicht ein rabulistisches Kreuzverhör, in dem die Tränen der jungen Frau ausbuchstabiert werden. Dreihundertfünfundachtzig Kulturschaffende, darunter einige recht unangenehme und auch viele honorige Namen, solidarisieren sich mit der Journalistin.

El-Hassan weg, aber nur ein bisschen, irgendwie

Am Ende dieser zähen Prozession steht eine Entscheidung, die niemanden befriedigt zurücklassen dürfte. El-Hassan weg, aber nur ein bisschen, irgendwie.

„Quarks“ sind übrigens die Teilchen, aus denen Atomkerne bestehen. Es gibt sie, und das ist kein Witz, in sechs Geschmacksrichtungen ("Flavours").

Das klingt eigentlich so spannend wie absurd, dass man gerne mehr darüber erfahren würde. Aber die putzigen Elementarteilchen, die Namensgeber für die umkämpfte Wissenschaftssendung in der Causa El-Hassan sind, interessieren längst keinen mehr.

Und auch wenn es für "Quarks" im November im WDR mit anderer Besetzung weitergeht, wird wohl noch eine Weile über ganz andere Dinge als den banalen Ursprung allen Seins diskutiert werden.

Antisemitismus muss am besten bekämpft, mindestens diskutiert werden

Vielleicht ist das gut, weil Antisemitismus in all seinen Facetten so agil wie nie scheint. Und diese Entwicklung muss am besten bekämpft, mindestens aber möglichst breit diskutiert werden.

Und auch über Debattenkultur und Perspektiven wird weiter zu reden sein. In diesem Sinne hat der WDR mit seiner maximalen Unentschiedenheit immerhin wertvolle Kollateralnutzen erschaffen. Atomkerne hin oder her.

Militärische Reform: Was Pistorius mit der Bundeswehr plant

"Kriegstüchtigkeit" ist das erklärte Ziel für die Bundeswehr, auch wenn der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) das Wort während seiner Pressekonferenz am Donnerstagmittag nicht mehr explizit erwähnte. Verabschiedet habe er sich von dem Wort allerdings keineswegs, betonte er auf Nachfrage eines Journalisten. "Ich verstehe, dass sich einige an dem Wort reiben", er werde es aber dennoch weiter benutzen.

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