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Rechte Todeslisten: Warum das BKA Feindeslisten lieber anders nennt

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Bild: iStockphoto/watson montage
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Warum das BKA rechtsextreme Feindeslisten nicht Feindeslisten nennen will

01.08.2019, 16:0201.08.2019, 16:16
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Wer seinen Namen auf einer dieser Listen findet, der sollte sich Sorgen machen. In Medienberichten haben sie ganz unterschiedliche Bezeichnungen: Feindeslisten, Ziellisten oder Todeslisten.

Dahinter steckt immer das Selbe: Datenbanken mit Informationen zu mehr oder weniger prominenten Personen der Öffentlichkeit: Politiker, Aktivistinnen, Medienleute. Gesammelt haben sie rechtsextreme und Neonazi-Netzwerke. Wo die Extremisten früher nur die gegnerische "Linke-Szene" beobachtete, schaut man jetzt offenbar auch nach jedem, der sich öffentlich gegen rechts äußert.

Die rechtsextreme "Nordkreuz"-Prepper-Gruppe nannte ihre Liste die "Wir-kriegen-euch-alle-Liste". 25.000 politische Gegner sind darauf zusammengetragen. Der Rechercheblog "Beltower News" berichtete unlängst ebenfalls über eine Liste mit dem Namen "Nürnberg 2.0 Deutschland". Dabei handelt es sich laut Verfassern um eine Art "Datenbank gegen die Islamisierung". Zu finden sind Namen, Geburtsdaten, Berufe und Zitate politischer Gegner in Deutschland. Übrigens führte auch schon die Terrororganisation NSU solche Listen. 2011 fanden Ermittler bei ihr 10.000 Datensätze mit Informationen über den "Feind".

Klingt bedrohlich. Aber es gibt Streit darüber, wie bedrohlich.

Das Innenministerium teilte vergangene Woche öffentlichkeiswirksam mit: Nein, eine konkrete Gefährdung bestehe nicht.

"Listen, die Angst und Verunsicherung schüren sollen, bedrohen die Freiheit und damit unsere Demokratie", sagte Innenminister Horst Seehofer. Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern seien wachsam. "Bei konkreter Gefährdung werden Betroffene informiert." (ntv) Ansonsten: Ruhe bewahren.

Das Bundeskriminalamt nahm die Bedrohung dennoch zum Anlass, auf seiner Seite ein FAQ zum Thema zu schalten. Die Beamten wollten offenbar noch einmal aufklären. In diesem "Frage und Antworten" macht das BKA das Listenproblem sogar noch kleiner. Der Begriff "Todeslisten" sei nicht angebracht. Ähnlich wie zuvor das Innenministerium erklären auch die Polizeibeamten, es gebe "keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung".

So sieht das auf der BKA-Website aus:

Bild
Screenshot

Die Beamten nutzen lieber den Begriff: "Informationssammlung".

Das wiederum ärgert viele Opfer, die ihren Namen auf den Listen gefunden haben: Die Verharmlosung der Listen sei "völlig inakzeptabel", sagt ein Betroffener gegenüber Netzpolitik.org. Ein anderer erklärt: "Nazis machen Listen – schon immer. Wer gegen Nazis den Mund aufmacht, landet auf diesen Listen. Was mich besorgt ist nicht mein Name auf der Liste, sondern die offensichtliche Untätigkeit der Behörden gegen rechten Terror."

Was denn jetzt, Verharmlosung oder gute Strategie?

Von der "Todesliste" zur "Informationssammlung"? Irgendwas kann da doch nicht stimmen. Wir haben noch einmal beim BKA nachgehakt und gefragt: Warum diese neue so offensiv harmlos klingende Bezeichnung?

Ein Sprecher weicht der direkten Frage aus, beschreibt aber gegenüber watson noch einmal, wie die Polizei vorginge:

  • Sobald das BKA von solchen Listen wüsste, "sichtet es in einem ersten Schritt den Sachverhalt und nimmt eine Gefährdungseinschätzung vor."
  • Diese Bewertung schicke man dann an die Polizeistellen der Länder.
  • Dort bewerte die Polizei dann den Einzelfall vor Ort. Liegen "gefährdungserhöhende Erkenntnisse" würden Maßnahmen durchgeführt.

Richtig weitergeholfen hat das noch nicht. Eine Antwort könnte aber eng mit einer anderen Frage verbunden sein, die auch im FAQ des BKA zu finden ist: "Warum informiert die Polizei nicht alle Personen auf den "Listen"? Antwort: "Würde die Polizei alle Betroffenen, die auf Listen oder in sonstigen Sammlungen auftauchen, informieren, hätten die Täter eines ihrer Ziele erreicht: Verunsichern und Angst schüren."

Demnach könnte auch schon bei der Namensgebung der Listen eine Deeskalations-Strategie der Polizei zu Grunde liegen.

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Wenn die Listen tatsächlich nur auf Öffentlichkeit aus sind, dann ist es sicher sinnvoll ihnen diese nicht zu bieten und ihre bedrohlichen mediengemachten Namen mit nüchternem Bürokratie-Slang zu kontern. Im Fall von zahlreichen Berichten über Morddrohungen an Personen, die auf solchen Feindeslisten stehen, könnte die Polizei mit dieser Strategiebewertung aber daneben liegen. Dann ist es kein Wunder, dass es gerade bei Opfern so klingt, als wolle das BKA da etwas herunterspielen.

(mbi)

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