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Die Debatte um das Grundeinkommen nimmt Fahrt auch

BERLIN, GERMANY - MARCH 09: German Social Democrats (SPD) leader Andrea Nahles (4th from L) and General Secretary Lard Klingbeil (R) pose with SPD members of the next German government cabinet: (from  ...
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Die SPD will Grundeinkommen statt Hartz IV? Darum geht es 

28.03.2018, 16:3830.03.2018, 15:39
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Ein Grundeinkommen vom Staat für jedermann - das hört sich für manchen utopisch an. Doch die Idee findet immer mehr Befürworter, auch in der SPD nimmt die Diskussion Fahrt auf.

Angestoßen hatte die Debatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). In der "Berliner Morgenpost" forderte er "Schluss mit Hartz IV" und sprach sich für ein solidarisches Grundeinkommen aus. 

Auch Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) hat sich nun offen für Gespräche über eine Abschaffung von Hartz IV und die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens geäußert. "Das ist eine notwendige Debatte, die wir führen werden", sagte Heil der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch. Aber: Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen.

Vielleicht hat Heil auch auf watson.de gelesen, welche Themen die SPD verpasst hat:

Das sind die verschiedenen Konzepte:

Allerdings gibt es mehrere Modelle, die sich grundlegend voneinander unterscheiden: Das solidarische und das bedingungslose Grundeinkommen oder das Bürgergeld. Eines ist allen gemein: Sie sollen durch Steuern finanziert werden.

Das solidarische Grundeinkommen

Das von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgelegte Modell sieht die Zahlung eines Grundeinkommens vor, die an Bedingungen geknüpft ist. Dem Regierungschef in der Hauptstadt schwebt vor, dass Langzeitarbeitslose Tätigkeiten übernehmen, die die Kommunen regulär kaum bezahlen könnten. 

Müller denkt dabei an Sperrmüllbeseitigung, das Säubern von Parks, Bepflanzen von Grünstreifen, Begleit- und Einkaufsdienste, Babysitting für Alleinerziehende, oder ehrenamtliche Tätigkeiten in der Flüchtlingshilfe. Diese Arbeiten seien für jene geeignet, "für die die immer komplizierter werdende Arbeitswelt keinen geeigneten Arbeitsplatz mehr bereithält". Bezahlt werden sollen die Tätigkeiten nach Mindestlohn.  

Kritik:

Mit dem Modell könnten sich die Kommunen billige Arbeitskräfte verschaffen, kritisiert etwa der SPD-Arbeitnehmerflügel. Der Linken-nahe Armutsforscher Christoph Butterwegge spricht von:

"Ein-Euro-Jobs de luxe."
Christoph Butterwegge

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund wendet sich gegen die Bezahlung nach Mindestlohn und mahnt eine Bezahlung nach den unteren Tarifgruppen des öffentlichen Dienstes an. 

Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) warnt vor dem Aufbau "künstlicher Beschäftigung". Es müsse vielmehr darum gehen, Langzeitarbeitslose für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. 

Das bedingungslose Grundeinkommen

Das vor Jahren durch den Unternehmer Götz Werner bekannt gewordene Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens sieht die Zahlung eines Betrages vor, ohne dass eine Gegenleistung verlangt wird. Damit soll das Existenzminimum abgesichert werden, ein etwaiges Arbeitseinkommen kommt noch hinzu. 

Das bedingungslose Grundeinkommen betrachtet Werner als "eine Art Vorschuss, der notwendig ist, um überhaupt Leistung erbringen zu können". Erst wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, können Menschen ihre Talente entwickeln. 

Auch Teile der Linkspartei befürworten das Modell, wie es in Finnland bereits erprobt wurde. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen hat ein Modell entwickelt, demzufolge das bedingungslose Grundeinkommen bei 1080 Euro liegen soll. Die Initiatoren in der Partei sehen in einer solchen Leistung "ein Menschenrecht auf bedingungslose wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Teilhabe". 

Kritik:

Unter dem Schlagwort "soziale Hängematte" ist vielfach davon die Rede, das bedingungslose Grundeinkommen schaffe keine Anreize zum Arbeiten und verleite vielmehr zum Nichtstun. Auch bei den Gewerkschaften und selbst in der Linkspartei gibt es Kritik an dem Modell: Der frühere Linkenchef Klaus Ernst hat einst zu Bedenken gegeben, dass es unbezahlbar wäre. Denn nach seiner Einführung würden die Menschen weniger arbeiten - und daher weniger Steuern zahlen. 

Modell Bürgergeld

Das etwa von der FDP vertretene Konzept des Bürgergeldes sieht vor, steuerfinanzierte Sozialleistungen, wie beispielsweise die Regelleistung und die Unterkunftskosten des Arbeitslosengelds II, die Kinderzuschlag oder das Wohngeld, in einer Leistung zusammenzufassen. Bei höherem Einkommen soll es im Sinne einer negativen Einkommensteuer verrechnet werden.

Kritik:

Durch die Zusammenlegung könnten die staatlichen Leistungen insgesamt reduziert werden, was Armut befördern würde, wenden Kritiker ein.

(afp/ts)

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