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Bürgerentscheid Kaufbeuren: Mehrheit gegen Moscheeneubau

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Von der "AfD die Schnauze voll". Kaufbeuren am Tag nach dem Bürgerentscheid um die Moschee

In Kaufbeuren stimmte eine Mehrheit der Bürger gegen einen Moscheeneubau. Die islamische Moscheegemeinde will nun weitersuchen, der Bürgermeister die Lager versöhnen und der Initiator nicht mehr mit der AfD sprechen. Die Reaktionen. 
23.07.2018, 18:0528.07.2018, 19:46
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Werner Göpel ist erleichtert. Der fast 80-jährige Rentner und Motorradfahrer freut sich über den Ausgang des Bürgerentscheids in Kaufbeuren. 

"Ich war ja selber überrascht und von den Socken. Aber ich triumphiere nicht. Ich bin mein Leben lang anständig gewesen."

Göpel hatte das Bürgerbegehren, aus dem schließlich ein Bürgerentscheid wurde, eingereicht. Eine deutliche Mehrheit (knapp 60 Prozent der Stimmen) der Kaufbeurer hatte am Sonntag gegen die Verpachtung eines Grundstücks an den Türkisch Islamischen Kulturverein, der unter dem Dach der umstrittenen Ditib steht, gestimmt. 59,63 Prozent (8992 Stimmen) der Kaufbeurer, die abgestimmt hatten, sprachen sich gegen die Vergabe aus. 40,37 Prozent (6087 Stimmen) waren dafür.

watson hatte im Vorfeld des Entscheids aufgedeckt, dass sich die AfD Ostallgäu finanziell am Zustandekommen des Bürgerentscheid beteiligt und organisatorische Hilfe geleistet hatte.

Göpel ist sauer auf die AfD, weil die nun den Erfolg für sich beansprucht. "Es gibt nur einen Initiator", sagt er. "Was die zwei Kaschperl erzählen", sei alles falsch. "Mit denen bin ich fertig. Ich tät nicht mal mehr ein Bier mit denen saufen." Mit "Kaschperl" meint Göpel den Kreisvorsitzenden und den Schatzmeister der AfD Ostallgäu.

Der AfD-Vorsitzende Karl Keller hatte behauptet, das Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid sei von der Planung bis Ausführung eine Idee der AfD gewesen. Das Begehren sollte aber nicht offiziell unter AfD-Flagge segeln, deswegen habe man sich Kaufbeurer Bürger gesucht und Werner Göpel gefunden. Der aber hat nun "von der lieben AfD die Schnauze voll". Die schmücken sich mit fremden Federn, sagt er.

Werner Göpel bekomme gerade sehr viel Zuspruch, sagt er. Von überall kämen E-Mails und Glückwünsche. Sogar aus Österreich.

Im Restaurant, beim Italiener, sei ihm eine junge Frau um den Hals gefallen. Sie habe sich bedanken wollen. Außerdem kämen jede Menge Presseanfragen. Die wolle er aber nicht annehmen.

"Mich belustigt das. Ich will das doch gar nicht. Ich wollte die Stimmen sammeln und das wars. Ich brauche keinen Ruhm."

Wie es jetzt weiter geht?

"Was fragts mi?!", sagt Göpel. Das sei seine erste und einzige Aktion gewesen. "Ich bin froh, dass es rum ist. Man wird von mir nichts mehr hören."

Das sagen die Befürworter des Moscheeneubaus:

Recep Benek macht Jugendarbeit und ist 2. Vorsitzender der islamischen Gemeinde, die vorerst kein neues Grundstück beziehen kann. Für ihn ist das Ergebnis "eine Riesenenttäuschung". Dass es so "krass" ausfallen würde, damit habe er nicht gerechnet.

"Wir haben sehr viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Wir haben immer mit offenen Karten gespielt. Wir waren immer transparent. Die Gegenseite nicht", sagt Benek. Auch fühlt er sich ein bisschen von der Stadt im Stich gelassen, weil die islamische Gemeinde seit Jahren versucht habe, gemeinsam mit der Stadt eine Lösung zu finden.  

Mit diesem Entscheid habe man die Türen für Intoleranz in Kaufbeuren geöffnet, sagt Benek. "Und für die AfD." Er finde es schade, dass in der Diskussion im Vorfeld des Entscheids andere Themen die eigentliche Frage überlagert hätten.

Die islamische Gemeinde werde jetzt versuchen, ein privates Grundstück zu finden, sagt Benek.

"Wir werden definitiv in Kaufbeuren bleiben."

Benek versucht, den Blick aber auch nach vorne zu richten. "immerhin", sagt er, "40 Prozent waren dafür". Und er sei froh, dass die islamische Gemeinde im Vorfeld so viele Unterstützer gehabt habe, in der Stadt, bei den Parteien, in der Bevölkerung, bei vielen Initiativen. Dafür möchte er "Danke sagen".

Positiv nach vorne schauen will auch Antonia Konstanciak von der Initiative "Gestalten – statt spalten" in Kaufbeuren, die vor allem die Auftritte des Rechtspopulisten Michael Stürzenberger in Kaufbeuren kritisch begleitete. Sie sei zwar erstaunt und erschrocken von dem Ergebnis, aber dankbar für das große Engagement in Kaufbeuren. Wie es mit der Initiative weitergehe, stehe noch nicht fest. Das alles sei sehr aufwendig gewesen und habe sehr viel Energie gekostet. Vor allem emotional. 

Das sagt der Bürgermeister:

Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) kann die Unzufriedenheit in der islamischen Gemeinde nachvollziehen. Betont aber, dass von Seiten der Stadt alles getan worden sei, um eine Lösung mit der islamischen Gemeinde zu finden und die dann auch der Bevölkerung zu vermitteln.

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screenshot: stadt kaufbeuren

Überrascht ist er vor allem von der Höhe der Wahlbeteiligung. 

"Ich sehe, dass das die Menschen bewegt hat und über die Bedeutung einer Grundstücksvergabe hinaus geht. Für mich ist das ein Statement gegen das Projekt."

Es gehe hier offenbar um die Frage, welche Bedeutung der Islam in unserer Gesellschaft habe. "Nur so erklärt sich mir der Ausgang der Wahl." Das sei eine Stimmungslage, die man zurzeit nicht nur in Kaufbeuren, sondern bundesweit erlebe.

Objektiv sei das Grundstück gut geeignet gewesen. Der Standort im Gewerbegebiet, die hohen Auflagen, das letzte Wort der Stadt. Das Grundstück liege auch nicht, wie immer wieder behauptet worden sei, am Ortseingang, sondern in zweiter Reihe. "Aber eine deutliche Mehrheit wollte nicht, dass wir Zugeständnisse an die islamische Gemeinde machen." Die Stadt werde in der Grundstücksfrage keine Initiative mehr ergreifen. Die islamische Gemeinde wird sich also im privaten Grundstücksektor umschauen müssen.

Für Bosse ist es wichtig, die Lager jetzt wieder zusammenzuführen. Erste versöhnliche Schritte will er bereits bei der gemeinsamen Pressekonferenz gesehen haben. Werner Göpel kam dort mit den Vertretern der islamischen Gemeinde zusammen.

Werner Göpel sagt, er habe nach dieser Pressekonferenz den Kontakt mit den beiden islamischen Vertretern gesucht. Die seien ihm auf dieser Konferenz "lieber gewesen als die Jungs von der AfD". Er sei auf sie zugegangen und habe ihnen die Hand gereicht. "Die haben mir leid getan", sagt Göpel. "Leud'", will er zu ihnen gesagt haben, "tut mir leid, das ist halt Demokratie." 

Bei seinen Unterstützern will sich Göpel wieder per Zeitungsannonce bedanken. Aber diesmal wird er sich das Geld nicht von der AfD zurückholen. Sagt er und lacht.

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