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Pegida nutzt Polizei gegen Journalisten und für öffentliche Aufmerksamkeit

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Pegida vs. Journalisten vs. Polizei – so funktioniert die neue rechte Demo-Strategie

20.08.2018, 14:4121.08.2018, 10:36
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Politiker aus der Opposition fordern Konsequenzen. Journalistenverbände warnen vor drohender Gefahr für die Redefreiheit. Wütende Bürger fühlen sich ungerecht behandelt.

Man kann es recht einfach auf den Punkt bringen: Am Wochenende sind Journalisten, Polizisten und Pegida-Demonstranten heftig aneinandergeraten. Seitdem stehen die Zeichen auf Konfrontation.

Dresden ist nicht der erste Fall, in dem das so gelaufen ist. Dahinter könnte das Kalkül einer schrumpfenden Bewegung stecken. 

Aber Schritt für Schritt:

Ein Streit vor der Kamera

Angela Merkel war am Wochenende zu Besuch in Sachsen – und dort warteten etwa 300 Anhänger der noch immer existierenden Pegida-Bewegung vor dem Landtag in Dresden auf die Kanzlerin. Nicht weiter verwunderlich.

Dann passierte aber das hier:

Der Mann mit dem Mikro ist Arndt Ginzel, ein freier Journalist, der zu rechten Bewegungen in Deutschland recherchiert. Er hat das Video sofort nach dem Vorfall veröffentlicht.

Ginzel und sein Kameramann seien anschließend über 45 Minuten lang kontrolliert und somit an der Arbeit gehindert worden, berichtet er. Dazu kommt eine Anzeige gegen ihn wegen angeblicher Beleidigung eines Demonstranten. Ginzel verneint diese.

Der Streit nach der Kamera

Der Zwischenfall erreichte umgehend die regionale Politik, auch weil der sächsische Innenminister sich noch am Wochenende hinter seine Polizisten stellte und damit indirekt die Journalisten und Demonstranten auf eine Stufe stellte.

Seitdem reien sich die Vorwürfe auf, nach denen sich die sächsische Polizei von Pegida instrumentalisieren lasse.

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung warf auch Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linken im sächsischen Landtag, der Polizei vor, als Handlanger von Pegida aufzutreten.

Die Linke im Bundestag hat übrigens ebenfalls bereits eine Anfrage an die Regierung gestellt, die sich auf den Fall in Dresden bezieht. Darin zählt die Partei mehrere Vorkomnnisse ähnlicher Natur aus den vergangenen drei Monaten auf:

  • Demnach attackierten Neonazis Journalisten im April mit Baseballschläger und Schraubenschlüssel.
  • Bei einem Konzert griffen Szene-Mitglieder einen Fotografen an und verletzten ihn.
  • Journalisten wurden am Rande des Parteitags der AfD in Bremen gehindert und bedrängt.

Der Deutsche Journalistenverband teilt immer wieder mit, dass die Polizei in Deutschland gerade auf Demonstrationen rechter Gruppen keine gute Figur mache, sobald die Demonstranten sich Journalisten als Ziel aussuchen.

Der Verband berichtet von:

"Polizisten, die Pöbeleien und tätliche Übergriffe auf Journalisten zufällig nicht sehen, obwohl sie daneben stehen. Polizisten, die die Berichterstatter auffordern, ihr Bildmaterial zu löschen, damit sich die Lage beruhigt. Polizisten, die darauf drängen, dass sich die Journalisten schnellstmöglich entfernen, damit Ruhe einkehrt."

Wem der Streit nutzt

Fragt man bei den Journalistenverbänden nach, bekommt man dennoch eine überraschende Antwort:

Ein Sprecher des DJV sagt:

"Bei aller Verärgerung über den aktuellen Fall, er bleibt die Ausnahme"
watson

Stattdessen sei eine andere Entwicklung auffällig. Zwar würden die massenhaften Rufe über die "Lügenpresse"  auf den Pegida-Demos zurückgehen, genauso wie deren Zulauf zurückgeht.

Stattdessen aber träten zusehends professionell agierende Scharfmacher in den Vordergrund. 

Das gibt auch der Chefredakteur der "taz" zu bedenken:

"Aufmerken lässt das Vokabular des Mannes mit dem Deutschlandhut: „Strafbar“, „polizeilich“, „Frontalaufnahme“. Das klingt geschult. Der Mann sagte sogar, er wolle den Kameramann vorläufig festsetzen. Die Rechten als Rechtspfleger, Pegidisten als Hilfspolizisten – das darf nicht Schule machen. Wenn sie damit Erfolg haben, dann werden sie mehr und mehr versuchen, die Polizei zu involvieren."

Für die "Schulungs"-These spricht, dass Dresden nicht der erste Fall ist, in dem Pegida-Demonstranten die Polizei dazu aufforderte Journalisten zu kontrollieren.

Auch dort wurden Journalisten an der Arbeit gehindert, weil Pegida-Demonstranten sie auf ihr Recht am eigenen Bild hinwiesen und die Polizei diesem Gesuch offenbar sofort nachkam.

Dabei sind Bilder auf Demos eigentlich klar geregelt:
Im Paragraph 23 des
Kunsturhebergesetzes heißt es, dass "Bilder von Versammlungen,
Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen
teilgenommen haben" veröffentlicht werden dürfen, ohne die abgebildeten
Personen zu fragen. Das Gesetz wird jedoch häufig so ausgelegt, dass die
Erlaubnis nicht für Porträtfotos von einzelnen Demo-Teilnehmern gilt.

Der Sprecher des DJV sagt gegenüber watson: Man könne nur vermuten, dass die gezielte Ansprache von Polizisten dazu dienen soll, Skandale zu produzieren. Vielleicht könne nur so ein wichtiges Feindbild für die Pegida-Bewegung am Leben gehalten und öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt werden.

Vielleicht, so sagt er weiter, könne das Feindbild der Lügenpresse am Leben zu halten. Wie die Fälle München und Dresden zeigen, funktionert das auch ziemlich gut.

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