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Parteienfinanzierung: Union und SPD wollen mehr Geld

Ocean’s Three: SPD-Chefin Andrea Nahles, Alexander Dobrindt (CSU) und Volker Kauder (CDU) haben die Gesetzesänderung zur Parteienfinanzierung eingefädelt. 
Ocean’s Three: SPD-Chefin Andrea Nahles, Alexander Dobrindt (CSU) und Volker Kauder (CDU) haben die Gesetzesänderung zur Parteienfinanzierung eingefädelt. Bild: dpa montage watson
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25 Millionen Euro mehr für sich selbst – Union und SPD sagen: "alternativlos"

Union und SPD wollen mehr Geld für die Parteien. Heftige Kritik kommt von der Opposition.
14.06.2018, 17:5614.06.2018, 20:07
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Es gilt als Binsenweißheit, dass deutsche Politiker unbeliebte Gesetze dann durchboxen, wenn die Leute Fußball schauen. An diesem Freitag aber gibt es Empirie für diese Regel. 

Im Schatten der Weltmeisterschaft und im Hauruck-Verfahren soll im Bundestag eine satte Erhöhung der von den Steuerzahlern finanzierten Zuschüsse für Parteien beschlossen werden. 

Den Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes haben die Fraktionen CDU/CSU und SPD eingebracht. Unter Punkt C, Alternativen, heißt es im Entwurf nur: "Keine".

Mit ihrer Mehrheit wollen Union und SPD im Bundestag eine Anhebung der Parteienfinanzierung um rund 15 Prozent von der Höchstgrenze 165 Millionen Euro auf dann 190 Millionen Euro beschließen. 

Vor allem die SPD braucht frisches Geld

Gerade die SPD hat mit einem Millionenloch zu kämpfen. Allein die schwierige Regierungsbildung mit zwei Sonderparteitagen, Mitgliedervotum und Regionalkonferenzen habe rund vier Millionen Euro gekostet, sagte SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan der Deutschen Presse-Agentur.

Der reguläre Bundesparteitag im Dezember habe nochmals mehr als zwei Millionen gekostet. Und wegen des historisch schlechten Wahlergebnisses von 20,5 Prozent bekomme die SPD derzeit im Jahr etwa 1,6 Millionen Euro weniger aus der Parteienfinanzierung.

SPD-Chefin Andrea Nahles hatte in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden.

Die Höhe der steuerfinanzierten Zuschüsse...
richtet sich nach den Wahlergebnissen in Bund und Ländern und auch nach den Einnahmen von Mitgliedern und Mandatsträgern. Für 2017 bekaneb CDU und SPD 48,3 und 49,2 Millionen Euro, die CSU 11,8, die Grünen 15,8, die FDP 11,7, die AfD 7,5 und die Linke 12,2 Millionen Euro. Die Zuschüsse des Staates machen in der Regel ein Drittel der Einnahmen aus. 20 Parteien bekamen Zuschüsse, von CDU bis Tierschutzparte.

Begründung: Digitalisierung ist teuer

Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD denn auch primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation mit Kanälen wie Facebook, Twitter und YouTube ist aufwendiger geworden, zudem steigen Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe. 

SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan betonte, er habe er seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 einen zweistelligen Millionenbetrag allein in die Computertechnik und Digitalisierung gesteckt. Mit immer mehr Informationskanälen wächst auch der Sicherheitsaufwand der SPD, etwa gegen Hackerangriffe. 

Aus dem CDU-Vorstand heißt es, ohne mehr Mittel werde auch die Verankerung in der Fläche mit eigenen Geschäftsstellen schwieriger, da man mehr Hauptamtliche bezahlen muss, Ehrenamtliche werden weniger.

Die Kritik kommt von...

Der Opposition. FDP, AfD, Linken und Grünen kritisieren vor allem das Hauruck-Verfahren im Schatten der WM scharf.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der Linkspartei, Jan Korte, sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: 

"Die Koalition schiebt etliche gesellschaftliche Themen auf die lange Bank, aber die eigenen Probleme beseitigt sie in neun Werktagen."
Jan Kort, Linkspartei

Darüber hinaus droht die Linkspartei mit einer Klage gegen das Gesetz. "Die Koalition muss den Gesetzentwurf zurückziehen", sagte Jan Korte. "Wenn sie es nicht tut, werden wir eine Normenkontrollklage prüfen."

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, nannte den Zeitplan der Gesetzesänderung mit Blick auf die WM "einfach nur dreist". Britta Haßelmann von den Grünen richtete ihren Zorn direkt an die Regierungsfraktionen von Union und SPD: "Sie beide tragen die Verantwortung für dieses Verfahren aber letztlich trifft die negative Bewertung im Kern alle demokratischen Parteien und deshalb bin ich so sauer auf Sie. Weil Sie es eigentlich hätten wissen müssen."

Der AfD-Abgeordnete Thomas Seitz warf den Regierungsparteien eine "Selbstbedienungsmentalität" vor. Und sprach von einem "Griff in den Geldbeutel des Steuerzahlers". Im Bundestag konterte SPD-Mann Carsten Schneider, dass man sich halt nicht wie die AfD "von russischen Gönnern den Privatjet bezahlen lässt". Worauf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel rief: "Sie brechen die Verfassung! Sie gehören alle auf die Anklagebank und eingelocht." 

FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms rät Union und SPD:

"Machen Sie bessere Politik, dann kriegen Sie auch wieder mehr Zustimmung, und dann werden Sie ihre Finanzprobleme auch lösen."
Hermann Otto Solms, FDP.

Der Bundestagsabgeordnete der FDP, Lukas Köhler, findet das Vorgehen der Großen Koalition "demokratieverachtend".

Die Liberalen schafften es trotz eines drastischen Sparkurses zurück in den Bundestag.

Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz hält das Ganze für verfassungswidrig. So eine starke Anhebung wäre "nur bei einschneidenden Veränderungen" rechtens, die es nicht gebe. Zudem könne der Eindruck einer "Selbstbedienungs-Mentalität" entstehen.

Der Zeitplan ist auch so eng getaktet, weil bis Anfang Juli der Haushalt verabschiedet werden soll, die ab Anfang 2019 geplante Aufstockung muss noch eingepreist werden.

Wie Parteien zu staatlichem Geld kommen
In Deutschland erhalten Parteien finanzielle Unterstützung vom Staat. Gefördert wird aber nur, wer bei der jüngsten Bundestags- oder Europawahl mindestens 0.5 Prozent oder bei einer Landtagswahl 1.0 Prozent der Stimmen bekam.

Im Jahr 2017 hatten 20 Parteien Anspruch auf staatliche Finanzierung.
Eine Partei erhält für jede ihrer ersten vier Millionen Stimmen jährlich einen Euro, für jede weitere 83 Cent.
So legte der Bundestag in seiner Berechnung für die CDU für das Jahr 2017 rund 31.5 Millionen Wählerstimmen in Bundestags-, Europa- und Landtagswahlen zugrunde (=knapp 27 Millionen Euro), bei der SPD rund 27.5 Millionen Stimmen  (=knapp 23,5 Millionen Euro).

Zudem bekommen Parteien vom Staat für jeden Euro, den sie aus Beiträgen oder Spenden einnehmen, einen Betrag von 45 Cent.

Pro Person gilt dies jedoch nur bis zu einer Grenze von 3300 Euro im Jahr. Für die CDU wären es laut Bundestagberechnung 2017 demnach weitere 29.6 Millionen Euro, für die SPD knapp 34 Millionen.

Allerdings sind die Zuwendungen des Staates über die "absolute Obergrenze" gedeckelt
. 2017 lag diese bei rund 161.8 Millionen Euro. Da 2017 die Gesamtsumme für alle 20 Parteien darüber lag, wurden die Zuwendungen jeweils proportional gekürzt. Für CDU und SPD lagen die Obergrenzen damit bei jeweils weniger als 50 Millionen Euro.

(ts/dpa)

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