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"Markus Lanz": Journalist schießt gegen Michael Müller – der poltert zurück

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Donnerstag bei "Markus Lanz".
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Donnerstag bei "Markus Lanz".Bild: Screenshot ZDF
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Journalist schießt gegen Berliner Bürgermeister Müller: "Gesetz gegen eigene Mitarbeiter"

26.06.2020, 06:48
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Knapp 40 Minuten lang diskutierten die Gäste von Markus Lanz sachlich und konstruktiv, kamen im Gespräch über den Fleischskandal bei Tönnies schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Doch dann hatten sich die zwei Streithähne des Abends gefunden: Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Politikkommentator Hajo Schumacher kamen einfach auf keinen grünen Zweig.

Zuerst knatschte es, als Müller über die neuen Corona-Hotspots im Problembezirk Neukölln sprach – dort waren aufgrund massiver Ausbrüche der Infektion ganze Häuserblocks unter Quarantäne gestellt worden. Der SPD-Mann beteuerte, dass mit Anstrengungen von Senat und Gesundheitsamt "80 bis 85 Prozent der Bewohner der Wohnblöcke erreicht" wurden und sie getestet werden könnten. Bleiben mindestens 15 Prozent, die das Virus noch immer weiter tragen könnten.

Corona-Hotspot in Berlin: Kriminelle Strukturen erschweren Probleme

Moderator Lanz warf ein, dass gar nicht klar sei, wie viele Menschen überhaupt in diesen Häusern lebten. Dafür hatte Schumacher sogleich eine Erklärung parat: Kriminelle Strukturen und Menschenhandel seien schuld.

Zur Erklärung: Die Gegend um die Harzer Straße, an der einer der Wohnblöcke steht, galt lange als sozialer Brennpunkt, in dem viele Roma-Familien lebten. Noch immer sollen Wohnungen von Kriminellen billig angemietet und teuer an viel zu viele Menschen untervermietet werden, die dort auf engstem Raum hausen und das Coronavirus so schnell weitertragen.

Journalist Hajo Schumacher.
Journalist Hajo Schumacher.Bild: Screenshot ZDF

"Am Ende stecken Strukturen dahinter, die Corona jetzt offenlegt. Da haben wir in Berlin ein gewisses Talent, vor diesen Sachen die Augen zu verschließen und die einfach mal so laufen zu lassen", kommentierte Schumacher spitz. Michael Müller fiel ihm ins Wort: "Sie haben recht, es gibt diese Strukturen, in Berlin aber auch bundesweit. Das will ich nicht wegdiskutieren." Man müsse aber aufpassen, dass man nicht jede Infektionstätigkeit auf diese Situation schiebe und sage: "Na, da ist es eben so, weil wir da diese sozialen Probleme haben."

Eine Erklärung, die der Politikjournalist nicht gelten lassen wollte: "Wenn Sie in Neukölln mehrere hundert Fälle auf einmal haben und dann dicht aneinander, dann ist es ein Problem." Und dieses würde eben aus den Versäumnissen der Jahre davor resultieren.

Müller dagegen hatte vielmehr Sorge, dass andere Menschen die Lage im Neuköllner Brennpunkt auf die leichte Schulter nehmen und für sich schlussfolgern würden, dass sie ja nicht in dieser Lebenssituation seien. Er erklärte:

"Da gibt es eine vermeintliche Sicherheit. Davor kann ich nur warnen."

Menschen würden sich nicht nur in dicht bewohnten Häuserblöcken anstecken, sondern eben auch im Nahverkehr oder beim Sport – wenn man nicht auf Hygieneregeln achte.

Bei Antidiskriminierungsgesetz-Debatte wird es laut

Nachdem dieses Themengebiet weitestgehend abgefrühstückt war, fanden der Politiker und der Journalist einen neuen Debattenpunkt: das neue und umstrittene Berliner Antidiskriminierungsgesetz. Dieses soll Menschen in Berlin vor Diskriminierung zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft durch Behörden schützen. Es soll Klagen erleichtern, wenn sich Menschen von Polizisten oder anderen Behördenvertretern ungerecht behandelt fühlen.

Müller erklärte auf Nachfrage von Lanz: "Es ist ein Baustein hin zu mehr Sensibilität und Aufklärung und auch im Kampf gegen Rassismus, den es gibt." Es sei keinesfalls so, dass eine Person das Gefühl haben könne, diskriminiert worden zu sein und es sofort eine Beweislastumkehr gebe. Müller: "Es reiche nicht zu sagen, man habe nur ein schlechtes Gefühl bei einer Begegnung gehabt."

Politikkommentator Schumacher watschte Müller daraufhin ab, erhob seine Stimme: "Zwei Kumpels im Görli [Görlitzer Park, ein Drogenumschlagplatz, Anm. d. Red.] sind schnell gefunden, die das auch so sehen oder von der Antifa. Lassen Sie uns doch mal realistisch bleiben: Es ist ein Anti-Polizei-Gesetz. Das ist das Problem dabei."

Michael Müller und Politikjournalist fallen sich gegenseitig ins Wort

Doch auch der Journalist konnte seine Gedanken nicht zu Ende formulieren, weil ihm dann wiederum der Berliner Bürgermeister lautstark ins Wort fiel und auf seine Spitze einstieg: "Nein!", wies Müller Schumachers Behauptung schroff zurück. Dann erklärte er weiter: "Weil es sich nicht allein auf die Polizei bezieht, sondern auch auf Landesinstitutionen. Sie können auch im Bürgeramt diskriminiert werden oder im Roten Rathaus." Es sei keinesfalls ein Gesetz gegen die Polizei, sondern es gehe darum, dass Berliner Institutionen sensibilisiert werden.

Schumacher blieb aber bei seiner These: "Die Polizisten fühlen sich durch dieses Gesetz unwohl." Er plädierte dafür, auch Polizei und Feuerwehrleute zu schützen und warf Michael Müller vor:

"Sie machen ein Gesetz gegen Ihre eigenen Mitarbeiter! Wenn sich jeder diskriminiert fühlen darf, dürfen das Ihre Polizisten auch!"

Müller entgegnete, dass man demnächst die Polizei mit Bodycams ausstatten wolle, so sei bei einem Zwischenfall einfacher festzustellen, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorlag. Auch könnte so natürlich geklärt werden, ob ein Beamter von einem Bürger diskriminiert wurde. Nur: die Feuerwehr wird dieses Gadget wohl nicht bekommen, eine Lösung für diese Berufsgruppe blieb Müller noch schuldig. Ob an dem neuen Gesetz denn ein Haltbarkeitsdatum dran sei, wollte Müllers Gegenüber abschließend noch wissen. Der SPD-Politiker zeigte sich lernwillig: "Wenn man das Gefühl hat, man hat Quatsch beschlossen, kann man es eine Woche später korrigieren." Oder aber man würde merken, dass es doch Bestand habe.

Am Ende kamen die beiden Streithähne in der Debatte zwar nicht mehr auf einen Nenner, zeigten sich dann aber im Persönlichen versöhnlich. "Wir verstehen uns ja eigentlich", so Schumacher, "nur politisch sind wir immer anderer Meinung."

(ab/mit Material von dpa)

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