Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
Marlene (Name geändert) ist 32 Jahre alt und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Ausbildung in Frankfurt. Die ersten acht Monate bekam sie von der Klinik ein Gehalt von 400 Euro Brutto im Monat, was für die Branche "viel" ist, denn als Psychotherapeut in Ausbildung (PiA) hat man keinen Vergütungsanspruch.
Jetzt ist sie drei Tage pro Woche in der Psychiatrie einer Klinik für ein Nettogehalt von 1200 Euro angestellt und zwei Tage pro Woche arbeitet sie selbstständig als Therapeutin um ihre Behandlungsstunden abzuleisten und gleichzeitig ihre Ausbildungskosten von 40.000 Euro abzubezahlen.
Im Monat hat sie 1600 Euro zur Verfügung, die sich aus 1200 Euro Gehalt und 400 Euro von ihren Eltern zusammensetzt. Davon zahlt sie:
Marlene hat einen Bachelor und Master in klinischer Psychologie. Bis sie mit ihrer Ausbildung fertig ist, werden 9 Jahre vergangen sein. Ihre Einstiegsgehalt als Psychotherapeutin in Vollzeit wird ungefähr 2000 Euro Netto betragen.
Quelle: PsyStudents. e.V.
Ich würde mich nicht als arm, aber als dauerhaft finanziell angespannt bezeichnen. Ich muss immer schauen, wie ich mit meinem wenigen Geld klar komme. Das ist schon frustrierend, wenn ich darüber nachdenke, dass ich fünf Jahre studiert habe, die Ausbildung im Schnitt fünf bis sieben Jahre dauert und ich Vollzeit arbeite. Ich bin zwar Auszubildende, aber ich arbeite genauso hart wie jeder fertige Psychologe. Ich habe eigene Patienten, Verantwortung und der Job ist emotional sehr belastend. Wenn ich nach elf Jahren endlich fertig bin, habe ich keine Aussicht auf ein angemessenes Gehalt.
Wenn ich essen oder in den Supermarkt gehe, muss ich immer darüber nachdenken, ob ich mir das leisten kann. Wenn ich mir Klamotten kaufe, mache ich das nicht spontan, sondern muss es vorher planen.
Meist passiert das in der letzten Woche des Monats, dann esse ich nur noch Sachen wie Nudeln oder Brötchen.
Aus Überzeugung. Ich will mit Menschen arbeiten und ihnen helfen.
Genauso viel wie eine fertige Psychotherapeutin. Ein Beispiel: Im Spätdienst bin ich drei Stunden alleine für die Kinder- und Jugendpsychiatrie zuständig – als Auszubildende. Der Oberarzt ist dann nur telefonisch erreichbar. Dann kommen drei Jugendliche mit dem Rettungswagen rein, zwei suizidal, einer psychotisch. Ich muss dann alleine einschätzen, was ich tun soll, ob die Situation gefährlich ist, wenn sich zum Beispiel einer selbst verletzt, ob sie auf Station sollen oder nicht. Wir haben immer Personalmangel, ich bin immer überlastet und muss mehr Patienten betreuen, als ich eigentlich soll.
Meine Familie unterstützt mich und zahlt einen Teil meiner Ausbildungsgebühren von 40.000 Euro. Den anderen Teil muss ich gerade selbst an zwei Tagen die Woche abarbeiten. Dabei gilt allerdings: Eine ambulante Psychotherapiestunde kostet 90 Euro, ich bekomme davon aber nur 20 Euro. Außerdem muss ich im Monat 150 Euro Miete für den Praxisraum zahlen.
Im Februar war ich über meinen Geburtstag in Norwegen. Die Reise hat insgesamt um die 700 Euro gekostet. Das Geld hatte ich nur, weil ich es von der Steuer wiederbekommen habe.
Einen Kredit will ich nicht aufnehmen, meine Kreditkarte ist derzeit 2000 Euro im Minus.
Ich finde es krass, dass ich meine Familie noch so oft nach Geld fragen muss.
erwerbsbeteiligung.eu-silc-bericht 2015
Die Auszubildenden müssen besser von den Kliniken bezahlt werden. Die Charité in Berlin zahlt Psychotherapeuten in Ausbildung 50 Euro im Monat, jedenfalls boten sie das einer Kommilitonin an, die sich dort 2014 bewarb und sie musste ablehnen (Anmerkung der Redaktion: Auf der Webseite der Charité steht, dass die Ausbildung momentan mit 150 Euro monatlich vergütet wird). Das liegt auch daran, dass es so wenige Plätze gibt, und man froh sein soll, wenn man überhaupt genommen wird.
Unsere Arbeit spart ihnen enorm viel Geld und wenn die Klinik privat ist, verdienen die Betreiber ohnehin schon viel. Dafür sind wir, die Auszubildenden, fast alle verschuldet, weil wir Kredite aufnehmen müssen.