In großen Teilen Deutschlands herrschen weiterhin eisige Temperaturen und zentimeterdicke Schneedecken. Die Polarluft soll noch mindestens bis zum Wochenende anhalten, aber insgesamt haben wir immer weniger von der kalten Jahreszeit. "Der Winter hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren um etwa zehn bis zwölf Tage verkürzt", erklärt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. Übrigens: Die Temperaturen widersprechen dem Klimawandel nicht, denn Wetter heißt nicht gleich Klima.
Friedrich erklärt: "Das Wetter und die Witterung schwanken sehr stark, das kann um 20 Grad nach oben oder unten ausschlagen. Beim Klima sprechen wir aber über einen langfristigen Temperaturanstieg, bei dem wir die Entwicklung über mehr als 30 Jahre beobachten." So waren auch die derzeitigen rekordnahen Werte von bis zu -27 Grad kein Gegenbeweis für die Erderwärmung.
"Frostabschwächung ja, Tauwetter vorerst aber nein", hieß es in der Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Beeinflusst von einem Kältehoch über Skandinavien könne sich "die über Deutschland befindliche arktische Polarluft über den ausgedehnten Schneeflächen immer wieder regenerieren". Daher bleibe es hierzulande bis Ende der Woche "weitgehend dauerfrostig".
Die Regionen entlang und westlich des Rheins werden zum Sonntag tagsüber wohl erstmals nach rund einer Woche wieder knapp Plusgrade erreichen, kündigt der Meteorologe vom DWD Robert Hausen am Donnerstag an. "In den Nächten bleibt es aber klirrend kalt." Verbreitet trete strenger Frost um minus 10 Grad auf. Über den Schneeflächen seien weiterhin minus 15 Grad zu erwarten, bei längerem Aufklaren sogar um minus 20 Grad.
Trotz der derzeit eisigen Temperaturen war es diesen Winter insgesamt viel zu warm. Der Dezember war laut Deutschem Wetterdienst 2,2 Grad wärmer als der Durchschnitt der Jahre 1962 bis 1990, auch der Januar lag über dem Mittelwert. Der letzte Winter, der kälter als der Durchschnitt war, war übrigens der im Jahr 2009/2010.
Die Schneefälle lassen indes nach. Am längsten krümelt es an diesem Freitag noch von der Ostsee bis zum Erzgebirge vor sich hin, wie Hausen vorhersagte. "Nennenswerte Neuschneemengen kommen dabei aber nicht mehr zustande. Stattdessen setzt sich in den übrigen Landesteilen immer mehr die Sonne durch, die zu einem schönen Winterspaziergang einlädt."
Frieren mussten zuletzt wohl insbesondere viele Menschen in Jena (Thüringen). Am Mittwoch war aus einem unterirdischen Fernwärmebauwerk heißer Dampf ausgetreten. Bei bis zu 6500 Haushalten funktionierten Heizungen nicht mehr, und es floss kein warmes Wasser. Ein Krisenstab der Stadt rief am Mittwochabend den Katastrophenfall aus. Damit galten nach städtischen Angaben für die von Kälte betroffenen Menschen die Corona-Kontaktbeschränkungen nicht – sie konnten von Angehörigen, Freunden oder Bekannten aufgenommen werden. In der Nacht wurde die defekte Fernwärmeleitung nach Angaben der Stadtwerke repariert.
Nach einer aufwendigen Bergungsaktion in Berlin starb ein 43 Jahre alter Mann im Krankenhaus. Er war am Mittwoch für ein Eisbad im Treptower Park in einen kleinen See namens Karpfenteich gestiegen und verschwand daraufhin. Erst zweieinhalb Stunden später fanden ihn Rettungstaucher. Der Mann wurde reanimiert und in ein Krankenhaus gebracht, überlebte aber nicht, wie die Polizei am Donnerstag berichtete. Die Feuerwehr warnte davor, Eisflächen zu betreten, und appellierte, nicht leichtsinnig zu sein: "Das Baden im Eis ist lebensgefährlich."
In Schleswig-Holstein ermittelt die Polizei, nachdem zwei kleine Jungen in Bollingstedt ins Eis eingebrochen waren. Die vier Jahre alten Brüder hätten bei dem Unfall am Mittwoch eigentlich unter Aufsicht gestanden, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag. Die Kinder waren demnach in einer Gruppe unterwegs.
Bei der Deutschen Bahn (DB) entspannte sich die Situation, nachdem der Schienenverkehr seit rund fünf Tagen teils erheblich beeinträchtigt war. "Rund 95 Prozent des Streckennetzes sind wieder befahrbar – allerdings häufig mit Einschränkungen und teils hohen Verspätungen", meldete der bundeseigene Konzern am Donnerstag. "Aktuell kommt es regional noch zu großen Einschränkungen im Harz-Weser-Netz und in Thüringen."
In einer Bilanz zeigte sich die Bahn zufrieden mit ihrem Krisenmanagement: "Es mussten zu keinem Zeitpunkt Fahrgäste auf offener Strecke aus Fernverkehrs- oder Regionalzügen evakuiert werden", teilte sie mit. Oberstes Ziel während des Schnee-Unwetters der vergangenen Tage sei die Sicherheit von Fahrgästen und Mitarbeitenden gewesen.
Auch im Straßenverkehr beruhigte sich die Lage. Im Raum Bielefeld (Nordrhein-Westfalen), wo sich Autos und Lastwagen auf der A2 in den vergangenen Nächten zum Teil extrem gestaut hatten, floss der Verkehr weitgehend problemlos. "Es ist entspannter als in den Nächten zuvor", sagte ein Polizeisprecher über die Nacht auf Donnerstag. Ein Sprecher der Autobahnpolizei Göttingen (Niedersachsen) sagte, dass es "endlich mal keine Probleme" gegeben habe.
In Nordrhein-Westfalen haben die Straßenmeistereien seit dem Wochenende rund 20.000 Tonnen Salz auf den Autobahnen verteilt. Übereinstimmend teilten die zuständigen Niederlassungen Westfalen und Rheinland mit, dass die Lager dennoch gut gefüllt seien. Engpässe seien nicht zu befürchten.
In einem Dorf in Bayern hatten es Einsatzkräfte bis Donnerstagmorgen mit den Folgen eines recht spektakulären Unfalls zu tun: Ein Sattelschlepper war am Mittwoch in einen Kuhstall gerutscht. Der mit etwa 40 Tonnen Metallschrott beladene Lkw begrub dabei eine Kuh unter sich, die nach Polizeiangaben eingeschläfert wurde.
(lfr/mit Material von dpa)