In wenigen Tagen soll es soweit sein: Die Corona-Warn-App kommt.Bild: Digital Vision / Thomas Tolstrup
watson antwortet
09.06.2020, 09:4409.06.2020, 12:44
Die lange erwartete Corona-Warn-App der Bundesregierung soll in wenigen Tagen einsatzbereit sein. Die Regierung werde die App in der kommenden Woche vorstellen und die Bürger sollen sie dann gleich auf ihre Handys herunterladen können, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag an.
Für den Weg aus der Corona-Krise in die
Normalität hoffen viele Menschen auch auf die seit Monaten
angekündigte Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die
Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen.
Doch was kann die App? Auf welchem Betriebssystem läuft sie überhaupt? Und: Gefährdet sie unsere Privatsphäre? Wird sie etwa dazu missbraucht, uns alle auszuspionieren?
Wir haben die wichtigsten Antworten auf eure Fragen.
Bild: watson
Was kann die App leisten?
Die App kann dazu beitragen, dass Menschen nachträglich darüber
informiert werden, wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen
aufgehalten haben. Dabei erfährt man nicht, wer diese Personen waren – und auch nicht, ob man sich aktuell neben infizierten Personen
befindet.
Wie funktioniert das?
Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen
"Bluetooth-Leuchtturm", der ständig eine Identifikationsnummer in die
nähere Umgebung funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es
Bluetooth-Signale von anderen empfangen kann. Halten sich Nutzer, die
beide die App laufen haben, für eine bestimmte Zeit nebeneinander
auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.
Gefährdet die App die Privatsphäre der Nutzer?
Bei der Programmierung der App und der dazugehörigen Dienste
wurde ein mehrstufiges Konzept umgesetzt, um einen möglichst hohen
Datenschutz zu gewährleisten. Es werden nicht die Identitäten der
Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach
in der Stunde ändern.
Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht
zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen
Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten
wird auf einem zentralen Server vorgehalten.
Wie unterscheidet sich die Corona-Warn-App von anderen Corona-Programmen?
Nach den Vorgaben von Google und Apple
kann es pro Land nur eine offizielle Tracing-App
geben, die mögliche infektiöse Kontakte nachverfolgt. Das ist die
Corona-Warn-App des Robert-Koch-Instituts (RKI), die von SAP
und Deutscher Telekom entwickelt wird.
Es gibt parallel dazu andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die
Datenspende-App des RKI etwa sammelt Informationen von
Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob es in den Regionen
Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie viele Menschen sich
in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an einem Strandabschnitt
an der Ostsee.
Wie unterscheidet sich die deutsche App von Anwendungen in anderen Ländern?
Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder
Indien erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil
sie beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der
GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können.
Die App in
Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer
zentralen Speicherung der Kontaktdaten. Andere Länder wie die Schweiz
oder Österreich folgen wie Deutschland den Datenschutzvorgaben von
Apple und Google und können dadurch auch die technischen
Schnittstellen (APIs) der Tech-Konzerne nutzen.
Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?
Beim Iphone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das
gibt es für Geräte ab dem Iphone 6s oder dem Iphone SE. Ein altes Iphone 5, 5S oder 6 reicht nicht aus.
Bei Android-Handys ist die Lage
etwas unübersichtlicher. Hier muss zum einen Bluetooth LE unterstützt
werden. Das ist ab Android 6 der Fall. Zum anderen müssen aber auch
die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen
nicht über Android selbst zur Verfügung stellt, sondern über diese
Google-Dienste. Android-Handys ohne Google Play Services, wie die
neuesten Huawei-Modelle, bleiben außen vor.
Wird die Warn-App durch die Betriebssysteme von Google und Apple automatisch aktiviert?
Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth
findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig
installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.
Besteht die Gefahr, dass die Corona-Warn-App nicht doch heimlich zur Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird?
Nein, das ist praktisch ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann
auf der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen
Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien
entdeckt.
Gibt es für die Warn-App eine eigene gesetzliche Grundlage?
Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden
Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP
unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz
der App durch ein Gesetz geregelt wird.
So müsse nicht nur die
Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine
Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu
führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder
Veranstaltungen vorzuzeigen. Auch die AfD fordert, dass es keine
Diskriminierung von Nicht-Nutzern geben dürfe.
Wie viele Menschen müssen die App nutzen, damit der gewünschte Effekt eintritt?
Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann
erreicht wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr
beteiligen. Das wird aber vermutlich nicht zu erreichen sein.
Selbst
eine populäre App wie Whatsapp hat Jahre gebraucht, um eine so hohe
Installationsquote zu erreichen. Aber Experten weisen auch darauf
hin, dass jede Installation zählt und Effekte schon bei einer
deutlich niedrigeren Quote erreicht werden können.
"Musikhören auf dem Handy" steht stellvertretend für Anwendungen,
die parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder
eine andere App sein. Insbesondere beim Iphone bestand die
Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet
hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu
empfangen. Mit der API für die Corona-Warn-App macht Apple nun dafür
eine gezielte Ausnahme. Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb
der Apps nun optimiert. Die App-Entwickler mussten nun sicherstellen,
dass diese Schnittstellen optimal genutzt werden.
Wie kann verhindert werden, dass die App den Akku zu schnell entlädt?
Das wurde im Prinzip schon dadurch gelöst, dass man sich auf die
Verwendung von Bluetooth LE geeinigt hat. LE steht für Low Engergy
(geringen Strombedarf). Die Entwickler der App versprechen, dass die
Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von
Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher. Ob das Versprechen gehalten
werden kann, wird die Praxis zeigen.
Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?
Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen
entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann
auch sei, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden haben
und einen Alarm auslösen, obwohl durch den "Kontakt" keine
Infektionsgefahr ausging. Daher verweisen selbst die Entwickler
darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung
liefern kann. Sie ist keine Wunderwaffe. Wer sich und andere vor
einer Infektion schützen will, sollte auch mit der App Abstand wahren
und eine Maske tragen.
(om/dpa)