Ab Montag dürfen kleinere Läden in Deutschland wieder öffnen. Für Ikea gilt das nicht. Das Möbelhaus kritisiert die neuen Corona-Regelungen.Bild: reuters / Fabrizio Bensch
Exklusiv
16.04.2020, 19:0824.07.2020, 14:13
Die Bundesregierung und die Länder haben am Mittwoch einige Lockerungen der Corona-Maßnahmen beschlossen. Zwar bleiben das Kontaktverbot und die Ausgangsbeschränkungen bestehen. Kleinere Läden bis zu einer Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern sollen aber ab Montag wieder öffnen dürfen, in Bayern eine Woche später, am 27. April. Autohäuser, Buchläden und Fahrradhändler dürfen dagegen ohne räumliche Einschränkung öffnen. Baumärkte sind schon seit längerem vielerorts wieder geöffnet.
Die Reaktionen auf die Lockerungen fallen unterschiedlich aus. Gleich mehrere Handelsverbände, aber auch einzelne Unternehmen kritisieren, dass die Orientierung an der Größe der Läden "willkürlich" sei.
Ikea kritisiert Regelung: "Für uns nicht nachvollziehbar"
Das Möbelhaus Ikea zum Beispiel hat nach den derzeitigen Bestimmungen keine Chance, seine Filialen wieder für den direkten Kundenbetrieb zu öffnen. Sicherheit von Kunden und Mitarbeitern stehe für das Unternehmen an erster Stelle, betont eine Sprecherin gegenüber watson. Diese zu gewährleisten, sei jedoch keine Frage der Größe eines Geschäftes.
"Ganz im Gegenteil: gerade größere Unternehmen mit einer größeren Verkaufsfläche können dies gegebenenfalls einfacher umsetzen. Nicht nachvollziehbar ist für uns insbesondere, warum Baumärkte geöffnet sein dürfen, nicht aber Einrichtungshäuser."
Man respektiere die Entscheidung der Bundesregierung natürlich, hoffe gleichzeitig aber darauf, dass im nächsten Schritt auch der großflächige Einzelhandel wieder öffnen dürfe, "natürlich unter Einhaltung strengster Sicherheits- und Hygieneauflagen".
Klar sei aber auch:
"Wir hätten uns eine einheitliche Lösung für den gesamten Einzelhandel gewünscht."
Eine Ikea-Sprecherin gegenüber watson
Auch Möbel-Discounter Poco findet es weder nachvollziehbar noch begründbar, warum bei der Lockerung der Corona-Auflagen im Einzelhandel eine Grenze bei 800 Quadratmetern Geschäftsfläche gezogen werde. Geschäftsführer Thomas Stolletz erklärte am Donnerstag, gerade der größerflächige Einzelhandel könne Abstandsregeln hervorragend gewährleisten – jedenfalls besser als jeder kleinflächige Anbieter.
Warum dürfen nur kleinere Läden öffnen?
Der Handelsverband Textil (BTE) etwa vermutet, dass man mit der 800-Quadratmeter-Regel die Innenstädte für potentielle Einkäufer unattraktiv machen wolle. "Die Politik will verhindern, dass die Leute in die Stadt gehen. Das ist wahrscheinlich gelungen" sagte der Präsident Steffen Jost am Donnerstag.
Tatsächlich erklärte Kanzleramtschef Helge Braun im "ARD-Morgenmagazin", es gehe auch darum, Publikumsverkehr in den Innenstädten gering zu halten. "So eine normal gefüllte Fußgängerzone, so wie wir das von früher kennen, das können wir momentan auch nicht riskieren."
So wie in Siegen sieht es derzeit in vielen Innenstädten aus.Bild: imago images / Rene Traut
Regel schade nicht nur großen Läden, sondern auch den kleinen
Dagegen sieht Jost gar keine Notwendigkeit, die Innenstädte mit solchen Maßnahmen leerer zu halten. "Wir haben so oder so eine Konsumkrise. Die Menschen werden eh nicht in die Läden strömen", sagt er. Er betont zudem, die Entscheidung schade nicht nur den Geschäften, die nicht öffnen dürften. Auch kleinere Händler, die wieder aufmachen können, litten darunter. Denn dadurch, dass die großen Kundenmagneten geschlossen blieben, werde es auch ihnen an Kundschaft fehlen.
Ähnlich sieht das Jochen Ruths, Präsident des Handelsverbands Hessen. Er fordert, die schrittweise Rückkehr zum Geschäftsbetrieb für den gesamten Einzelhandel zu ermöglichen, nicht nur für einen Teil davon. "Alle Geschäfte sollten ihre Räume wieder öffnen dürfen, in denen die Anzahl der Kunden begrenzt und der Abstand von Personen gewährleistet werden können."
Die nach Betriebsgröße, Verkaufsfläche und Branche differenziert beschlossenen Lockerungen verursachten Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheit. Gerade in großflächigen Betrieben könnten Abstandsregeln einfacher eingehalten werden, betont er.
Wer kann, will wieder öffnen
Bei der Bekleidungskette H&M, die über Filialen in sehr unterschiedlichen Größen verfügt, gibt man sich optimistischer als etwa bei Ikea.
"Vor dem Hintergrund der angekündigten schrittweisen Lockerungen überprüfen wir derzeit, ob und in welcher Form Geschäfte der H&M Group in Deutschland betroffen sind und bereiten entlang der Sicherheitsvorkehrungen eine entsprechende Wiedereröffnung ausgewählter Geschäfte vor", erklärt das Unternehmen gegenüber watson. Man sei zuversichtlich, bedacht reagieren zu können, "auch in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Situation von einem Tag zum anderen ändern kann."
Händler, die über viele kleinere Filialen verfügen, begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung dagegen uneingeschränkt. Die Discounter Kik und Tedi hatten bereits am Mittwoch angekündigt, schon Anfang nächster Woche wieder alle Läden bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern öffnen zu wollen. Filialen und Mitarbeiter seien auf damit verbundene verschärfte Hygieneauflagen bestens vorbereitet, hieß es bei beiden Unternehmen.
Auf flexible Lösungen hofft indes der Handelsverband Niedersachsen. Dort geht man davon aus, dass auch größere Einzelhändler abseits des Lebensmittelhandels wieder öffnen können. Größere Geschäfte könnten eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern abtrennen, sagt ein Sprecher des Verbands der Deutschen Presse-Agentur.
(mit Material von dpa und reuters)