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Equal Pay Day: Frauen auf Twitter platzt wegen ungleicher Bezahlung Kragen

The Pay Gap!
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Der Gender Pay Gap liegt immer noch bei 21 Prozent – und Frauen platzt der Kragen

Wir schreiben das Jahr 2019, und noch immer beträgt die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen 21 Prozent. Zum Nachteil der Frauen, natürlich. Auch der internationale Tag der Lohngleichheit hat daran noch nichts geändert. Auf Twitter teilen Frauen dazu ihre Erfahrungen.
18.03.2019, 17:45
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Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind häufiger überqualifiziert und hinken der Einkommensentwicklung von Männern hinterher. 21 Prozent. So groß ist der Lohnunterschied, der sogenannte Gender Pay Gap, zwischen Männern und Frauen.

Am 18. März, dem "Equal Pay Day" (internationaler Tag der gleichen Bezahlung), machen viele Twitter-Userinnen ihren Gefühlen Luft.

Woher kommen die 21 Prozent?
Der Gender Pay Gap wird vom Statistischen Bundesamt nach einem EU-Maßstab berechnet. Er zeigt, wie gering das Gehalt einer Frau im Jahr durchschnittlich ist – im Vergleich zu dem eines Mannes. Dieser Wert, der so genannte unbereinigte Gender Pay Gap, liegt in Deutschland bei 21 Prozent. Das heißt: Frauen verdienen bundesweit und im Durchschnitt aller Branchen pro geleisteter Stunde Erwerbsarbeit 21 Prozent weniger als Männer.
Das Statistische Bundesamt berechnet neben diesem europäischen Vergleichswert auch den bereinigten Gender Pay Gap, der bei 6 Prozent liegt. Hier wird der Teil des Einkommens herausgerechnet, der auf strukturelle Unterschiede bei der Berufswahl (Frauen arbeiten z.B. häufiger in der Pflege), Beschäftigungsumfang (Frauen gehen häufiger in Teilzeit), Bildungsstand, Berufserfahrung oder den geringeren Anteil von Frauen in Führungspositionen zurückzuführen ist. Das heißt, eine Arbeitnehmerin verdient im direkten Vergleich 6 Prozent weniger als ihr männlicher Kollege mit derselben Tätigkeit.
Der EU-Vergleichswert von 21 Prozent ist aber deshalb nicht "falsch", sondern beschreibt lediglich einen anderen Sachverhalt. Frauen verdienen weniger Geld als Männer – aus einer Vielzahl von Gründen.

Das Problem ist bekannt

Viele Frauen sind wütend, dass es einen solchen Tag überhaupt braucht und gleiche Bezahlung nicht selbstverständlich ist. Die Journalistin Nicole Diekmann fasst es in einem Satz zusammen:

Der Pay Gap zwischen den Geschlechtern ist kein neues Problem in Deutschland. Dennoch ist nach wie vor keine politische Lösung in Sicht. Bundesfinanzminister Peter Altmaier erklärte zwar, er sei Feminist, doch obwohl er seit Jahren an der Regierung beteiligt ist, hat sich bei der Bezahlung noch nichts verändert. Das kritisiert auch Jamila Schäfer, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen Jugend:

In vielen europäischen Ländern wurde das Problem bereits angegangen. In Island ist es strafbar, Mitarbeiterinnen schlechter zu bezahlen als die männlichen Kollegen. Norwegen wirkt der ungerechten Bezahlung mit der Lohntransparenz entgegen. Dort kann jeder einsehen, was die Kollegen oder der Chef selbst verdienen. Auch dieses Mittel hat geholfen, die Gehaltslücke im Land zu verkleinern. Das wünscht sich auch Astrid Spohrer auf Twitter:

Frauen kümmern sich häufiger um Familie – unbezahlt

Frauen müssen häufiger in Teilzeit arbeiten, weil sie sich um ihre Kinder kümmern. Außerdem sind sie länger in Elternzeit und pflegen häufiger Verwandte. Die Rückkehr in die Vollzeit wird in ihnen oft verwährt. Sie leisten unbezahlte Care-Arbeit, ohne dabei Rentenpunkte zu sammeln, wie @journelle feststellt:

Die Journalistin Mareice Kaiser fasst einen Großteil der Problematik in einem Tweet zusammen:

Frauen arbeiten häufiger in der Pflege

Frauen arbeiten auch häufiger als Männer in schlecht bezahlten Berufen. Darauf macht @DoraKristina aufmerksam:

Auch die Berufswahl von Frauen wird immer wieder als Grund angegeben, weshalb diese im Schnitt weniger verdienen als Männer. Zum Beispiel arbeiten mehr Frauen als Männer in unterbezahlten Pflegeberufen. Der Gehaltsunterschied wird oft als selbst gewähltes Schicksal dargestellt. Wie beleidigend die kritisierte Berufswahl ist, zeigt @Naddl0r:

Ricarda Lang, Sprecherin der Grünen Jugend, kritisiert eben genau dieses Verhalten, den Frauen in der Pflege selbst die Schuld an ihrem schlechten Einkommen zu geben:

Frauen werden seltener ernst genommen

Die Journalistin Anna Arizdzanjan macht darauf aufmerksam, dass Frauen häufig nicht die Chance zur Gehaltsverhandlung gegeben werde – im Gegensatz zu Männern:

Teresa Bücker sagt, dass Lohndiskriminierung kein Märchen sei, sondern auf Fakten basiere und das Leben vieler Frauen nachhaltig präge:

Immer wieder wird die Korrektheit des Gender Pay Gaps angezweifelt. Denn in diesen Wert fließen auch unbezahlte Care-Arbeit, Teilzeit-Jobs und längere Elternzeit mit ein, Aspekte, die besonders die Karrieren von Frauen begleiten. Werden tatsächlich nur die Durchschnittsstundengehälter berechnet, liegt der Gender Pay Gap im Direktvergleich bei 6 Prozent. Diesen Wert als Argument gegen die Forderung nach gleicher Bezahlung anzuführen, macht viele Frauen wütend, wie die Twitter-Nutzerin @missanphan:

Aktionen gegen Ungerechtigkeit

Viele politische Organisationen und Verbände werben am 18. März für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen. Die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) verkauft an diesem Tag ein Frauenticket, dass 21 Prozent weniger kostet, um den Gender-Spieß einmal umzudrehen:

Doch auch diese Aktion sorgte für Protest – von Männern, die sich an diesem Tag im Jahr ungerecht behandelt fühlen:

Wer Frauen nicht glauben möchte, dass sie trotz gleicher Bildung weniger Geld zu Verfügung haben und dieses Problem seit Jahren nicht besser wird, der kann sich die Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung ansehen:

"Frauen und Männer haben unterschiedlich viel Einkommen zur Verfügung, selbst wenn sie das gleiche Bildungsniveau haben: 2013 bestand dieses Problem noch genauso wie im Jahr 1976."
Bertelsmann-Stiftung, 2019
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