Ermittler arbeiten im Jahr 2014 an einem verbrannten Auto, in dem drei Leichen in Cassano allo Ionio, Süditalien, gefunden wurden. Berichten zufolge wurde damals ein dreijähriger Junge angeblich von rivalisierenden 'Ndrangheta-Mafia-Banden getötet.Bild: dpa / Francesco Arena
International
In Italien beginnt am Mittwoch einer
der größten Mafia-Prozesse der vergangenen Jahrzehnte. Angeklagt bei
dem Verfahren sind rund 350 mutmaßliche Mitglieder und Helfer der
Organisation 'Ndrangheta. Experten sehen den Prozess in der
süditalienischen Stadt Lamezia Terme als ein Signal des Staates: Die
Justiz kann damit Stärke gegen die Organisierte Kriminalität zeigen.
Erwartet wird, dass das Verfahren ein bis zwei Jahre dauert.
Für die Verhandlungen in der Stadt in Kalabrien wurde extra ein
Gebäude hergerichtet. Es wurde Ende 2020 vom italienischen
Justizminister Alfonso Bonafede der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dieser betonte, dass darin rund 1000 Beteiligte auch mit nötigem
Corona-Abstand Platz finden könnten.
Erwartet werden etwa 900 Zeugen
Den Beschuldigten werden Mafia-Zugehörigkeit, Mord, illegaler
Waffenbesitz, Drogenhandel, Erpressung, Geldwucher und vieles mehr
vorgeworfen. Vielen drohen bei einer Verurteilung hohe Haftstrafen.
Erwartet werden etwa 900 Zeugen, darunter ehemalige Mafia-Leute,
die bereit sind, das sogenannte Gesetz des Schweigens, die Omertà, zu
brechen. Rund 90 weitere Angeklagte hatten sich nach Medienberichten
für ein Schnellverfahren entschieden. Für sie soll es am 27. Januar
vor Gericht losgehen.
Der Prozess ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit der Justiz. Der
prominente Mafia-Jäger und leitende Staatsanwalt von Catanzaro,
Nicola Gratteri, führt die Ermittlungen. Er wurde schon wiederholt
bedroht und erhielt Personenschutz. Die Fahnder konzentrierten sich
für den Prozess auf den Clan der Familie Mancuso aus der Provinz Vibo
Valentia in der Stiefelspitze und befreundete kriminelle Gruppen.
Doch Mafia-Experten erwarten, dass das Verfahren darüber hinaus
verstärkt ans Licht bringt, wie eng die Beziehungen zwischen Teilen
von Politik und Wirtschaft mit der 'Ndrangheta sein können.
'Ndrangheta gilt als brutalste und mächtigste Mafia-Organisation Italiens
Vor über einem Jahr, im Dezember 2019, hatten rund 2500
Polizisten bei einer der größter Operationen gegen die Mafia seit den
1980er Jahren mehr als 300 Menschen festgenommen. Darunter waren
Unternehmer, Juristen und Politiker. Auch in Deutschland, der Schweiz
und Bulgarien wurde ermittelt.
Die 'Ndrangheta gilt als die brutalste und mächtigste
Mafia-Organisation in Italien. Sie hat ihren Ursprung in der Region
Kalabrien mit der Hauptstadt Catanzaro. Aus ihrer Heimat steuert sie
weltweit große Teile des Kokainhandels und verdient jährlich viele
Milliarden Euro mit illegalen Geschäften.
In den 80er Jahren hatte ein anderer sogenannter Maxi-Prozess
gegen die sizilianische Cosa Nostra in Palermo weltweit für
Schlagzeilen gesorgt. Damals waren mehr als 400 mutmaßliche
Mitglieder angeklagt, ein Großteil wurde verurteilt. Auch als Rache
brachte die Mafia später die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo
Borsellino um.
(mse/dpa)
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