Die Gegend um den Hafen von Beirut ist völlig zerstört.Bild: dpa
International
07.08.2020, 07:1907.08.2020, 07:57
Zwei Tage nach der Katastrophe von Beirut sind
16 Hafenmitarbeiter der libanesischen Küstenstadt festgenommen
worden. Das teilte der amtierende Militärrichter Fadi Akiki nach
einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA am
Donnerstagabend mit. Mehr als 18 Menschen seien befragt worden,
darunter Mitglieder des Hafenvorstands und der Zollverwaltung. Die
Zahl der Toten stieg derweil laut Gesundheitsministerium auf 149.
Regierungskritische Demonstranten stießen in der Nacht zum Freitag
mit der Polizei zusammen.
Die Ermittlungen gingen weiter, hieß es. Ziel sei, "alle Fakten
im Zusammenhang mit der Katastrophe zu klären", teilte Akiki mit. Der
Ort der Explosion – ein Industriegebiet am Hafen im Norden der
libanesischen Hauptstadt – werde bis zum Abschluss der Ermittlungen
geschlossen bleiben. Die Aufsicht hätten hier die libanesische Armee
sowie die Informationsabteilung der Kräfte für innere Sicherheit.
Zuvor waren bereits mehrere Verantwortliche des Hafens unter
Hausarrest gestellt worden. Sie sollen in den vergangenen Jahren für
die Lagerung und Bewachung der großen Mengen Ammoniumnitrat zuständig
gewesen seien, die bei dem Vorfall möglicherweise explodierten.
Unklar blieb dabei, welche Vorwürfe ihnen gemacht werden oder ob
ihnen ein ordentliches Gerichtsverfahren droht.
In Beirut hatte eine heftige Detonation große Teile des Hafens
zerstört und ganze Straßen im Zentrum in Scherben und Trümmer gelegt.
Bei der Spekulation um das Ammoniumnitrat richtet sich der Verdacht
auf das unter moldauischer Flagge fahrende Frachtschiff "Rhosus", das
2013 große Mengen der gefährlichen Substanz in den Hafen gebracht
haben soll. Auch eine deutsche Diplomatin wurde getötet.
Bald nach der schweren Detonation am Dienstag hatte es Rufe nach
einer umfassenden Untersuchung und Aufarbeitung des Vorfalls gegeben.
Zugleich wurden Forderungen nach einer unabhängigen, internationalen
Ermittlung lauter. Diesen schlossen sich vier frühere libanesische
Ministerpräsidenten und der führende drusische Politiker Walid
Dschumblatt an. Viele Libanesen haben das Vertrauen in die
herrschende politische Klasse verloren.
Demonstrationen in der Nacht
Regierungskritische Demonstranten machten in der Nacht zum
Freitag ihrem Unmut Luft. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden
nach Angaben der Agentur NNA mehrere Menschen verletzt. Demonstranten
hatten Werbetafeln, Brette rund Müllhaufen in Brand gesetzt und die
Polizei mit Steinen beworfen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch
in Beirut eine baldige internationale Hilfskonferenz an. Dabei solle
es um eine internationale Finanzierung für Medikamente, medizinische
Behandlung oder Nahrungsmittel unter Verteilung durch UN und Weltbank
gehen, sagte Macron. Europäer, Amerikaner und Länder der Region seien
gefordert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und
Ratspräsident Charles Michel riefen zu einer verstärkten
Unterstützung auf.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon helfen,
besteht im Gegenzug aber auf nötigen Wirtschaftsreformen. Alle
Möglichkeiten der Hilfe würden geprüft, erklärte IWF-Chefin
Kristalina Georgiewa. Wegen einer Wirtschaftskrise war der Libanon
schon vor der Explosion im Gespräch mit dem IWF für ein
Rettungspaket, das vermutlich mehrere Milliarden Dollar umfassen
würde. Die Verhandlungen dazu kamen bisher nur schleppend
voran.
(lin/dpa)
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