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US-Kongress bestätigt Bidens Wahl, Trump sichert erstmals geordneten Übergang zu

President-elect Joe Biden speaks at The Queen theater in Wilmington, Del., Wednesday, Jan. 6, 2021. Biden has called the violent protests on the U.S. Capitol "an assault on the most sacred of Ame ...
Jetzt auch offiziell als der nächste US-Präsident bestätigt: der Demokrat Joe Biden. Bild: ap / Susan Walsh
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US-Kongress bestätigt Bidens Wahl – Trump sichert erstmals geordnete Machtübergabe zu

07.01.2021, 11:0707.01.2021, 11:06
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Überschattet von Ausschreitungen wütender Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump hat der US-Kongress die Wahl-Niederlage des Republikaners endgültig besiegelt. Nach der gewaltsamen Erstürmung des US-Parlamentssitzes zertifizierten die beiden Kongresskammern am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) offiziell den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vom November. Trump ließ kurz darauf mitteilen, er werde sich nicht weiter gegen die Machtübergabe an Biden sperren.

Vice President Mike Pence and Speaker of the House Nancy Pelosi, D-Calif., prepare to read the final certification of Electoral College votes cast in November's presidential election during a joi ...
Es ist offiziell: US-Vizepräsident Mike Pence und die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bei der finalen Zertifizierung des Wahlergebnisses vom November.Bild: ap / J. Scott Applewhite

Die Amtsgeschäfte würden am 20. Januar geordnet übertragen, betonte Trump nach einer vom stellvertretenden Stabschef Dan Scavino per Twitter verbreiteten Mitteilung am Donnerstag. Trump bekräftigte zugleich, dass er nicht mit dem Ausgang der Wahl einverstanden sei. Proteste aufgebrachter Trump-Unterstützer waren zuvor eskaliert und hatten das politische Zentrum der USA zeitweise in beispielloses Chaos gestürzt.

Normalerweise ist die Zertifizierung des Wahlergebnisses eine formelle Prozedur

Im formalen Nach-Wahl-Prozedere der USA ist vorgeschrieben, dass die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress zertifiziert werden. Erst dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Es ist der Endpunkt eines langen formalen Aktes vor der Vereidigung eines neuen Präsidenten. Üblicherweise ist dies eine schnelle formelle Prozedur. In diesem Jahr ist es jedoch der dramatische Schlusspunkt eines beispiellosen Feldzugs von Amtsinhaber Trump gegen den Wahlausgang.

Der Republikaner hatte die Wahl Anfang November mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren. Trump weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Wahlbetrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten aber stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

Trump-Anhänger hatten sich Zugang zum Kapitol verschafft

Das Repräsentantenhaus und der Senat hatten sich bereits am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der US-Präsidentenwahl offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren. Kurz vor dem Start der Kongresssitzung trat Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern auf, wiederholte seine unbelegten Wahlbetrugsbehauptungen und rief seine Unterstützer auf, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den "Diebstahl" der Wahl nicht gefallen lassen.

Trump-Unterstützer marschierten daraufhin vor dem Kapitol auf. Randalierer stürmten das Kongressgebäude. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen abrupt unterbrechen, Parlamentssäle wurden geräumt, Abgeordnete und Senatoren in Sicherheit gebracht. Im Kapitol schwärmten bewaffnete Sicherheitskräfte durch die Räume, um Unruhestifter zu stellen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Randalierer Scheiben zerschlugen, sich so Zugang zum Gebäude verschafften und auch in Abgeordnetenbüros eindrangen. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.

Vier Todesfälle im Zusammenhang mit den Unruhen – 14 Polizisten verletzt

Nach dem Eindringen von Trump-Unterstützern wurde im US-Kapitol eine Frau angeschossen und starb wenig später, wie der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zum Donnerstag sagte. "Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet", sagte er. "Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten."

Bei den Zusammenstößen seien mindestens 14 Polizisten verletzt worden, zwei davon schwer. Mehr als 50 Menschen seien festgenommen worden. Angesichts der Ausschreitungen wurde die Nationalgarde mobilisiert. Washington und die angrenzenden Städte Arlington und Alexandria verhängten nächtliche Ausgangssperren. Erst nach mehreren Stunden brachten Sicherheitskräfte die Lage am Parlamentssitz wieder unter ihre Kontrolle. Kurz darauf nahm der Kongress seine Arbeit wieder auf.

Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, die Kammer lasse sich nicht einschüchtern und werde sich nicht Gesetzlosen beugen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, nannte die Aufrührer "inländische Terroristen". Er machte Trump für den Angriff auf das Kapitol mitverantwortlich. Auch mehrere Republikaner warfen Trump öffentlich vor, er habe den Gewaltausbruch angezettelt.

Biden spricht von einem Angriff auf die Demokratie

Der künftige US-Präsident Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie.

"Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest. Es ist Aufruhr."

Auch international lösten die Unruhen in den USA Besorgnis und Schockreaktionen aus. Trump meldete sich während der Ausschreitungen mehrfach auf Twitter zu Wort, unter anderem mit einer Videobotschaft, in der er seine Anhänger aufrief abzuziehen. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, "aber Ihr müsst jetzt nach Hause gehen", sagte Trump in dem Clip. Zugleich sagte er an die Adresse seiner Anhänger: "Wir lieben euch."

Trumps Twitter-Konto für zwölf Stunden gesperrt

Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche "Dinge und Geschehnisse" passierten eben, wenn "ein Erdrutschsieg" gestohlen werde. "Erinnert Euch für immer an diesen Tag!", schob er nach. Twitter sperrte Trumps Konto schließlich für zwölf Stunden. Drei Tweets des Accounts hätten "wiederholt und schwerwiegend" gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen, erklärte der Kurznachrichtendienst zur Begründung.

Trump hatte über Wochen diesen Tag der Kongresssitzung – ohne jede Grundlage – als letzte Möglichkeit dargestellt, den Wahlausgang noch umzustürzen. Angetrieben durch seine Wahlbetrugsbehauptungen legten Republikaner im Kongress zwar Einsprüche gegen die Wahlergebnisse aus den Bundesstaaten Arizona und Pennsylvania ein und erzwangen so, dass sich das Repräsentantenhaus und der Senat beide Male zu getrennten Sitzungen zurückziehen mussten, um die Einwände zu debattieren. Die Aktion hatte jedoch von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg. Die Kongresskammern wiesen beide Einsprüche ab.

Ursprünglich hatten Trump-getreue Republikaner auch die Resultate aus anderen Bundesstaaten anfechten wollen. Angesichts der schweren Randale am Kapitol zogen mehrere Senatoren ihre Unterstützung für die – parteiintern sehr umstrittene – Störaktion jedoch zurück.

Biden kann kraftvoll ins Amt starten

In zwei Wochen, am 20. Januar, soll Biden vereidigt werden. Er kann besonders kraftvoll in seine Amtszeit starten: Seine Demokraten sicherten sich Prognosen von US-Medien zufolge mit Siegen bei zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia auch die Kontrolle im US-Senat, wie am Mittwoch inmitten der Turbulenzen bekannt wurde. Im Repräsentantenhaus stellen die Demokraten bereits die Mehrheit. Mit einer faktischen Mehrheit im Senat kann Biden vor den nächsten Kongresswahlen in zwei Jahren durchregieren – vorausgesetzt, die Demokraten im Kongress ziehen an einem Strang.

(andi/dpa)

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