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Fake News: Warum nach Anschlägen Fake-Bilder von angeblichen Tätern verbreitet werden

Nach den tödlichen Schüssen in Utrecht wurden Fotos eines deutschen YouTubers als Bilder des Tatverdächtigen ausgegeben.
Nach den tödlichen Schüssen in Utrecht wurden Fotos eines deutschen YouTubers als Bilder des Tatverdächtigen ausgegeben.Bild: getty images/screenshot/montage: watson
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Warum nach Anschlägen Fake-Bilder von angeblichen Tätern verbreitet werden

20.03.2019, 07:0020.03.2019, 07:13
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Utrecht. In einer Straßenbahn schießt ein Mann am Montag um sich, tötet drei Menschen. Bald fahndet die Polizei mit einem Foto nach dem Tatverdächtigen Gökmen T. Zu diesem Zeitpunkt geistern jedoch bereits mehrere Fake-Bilder von angeblichen Tätern durch das Internet. Auch ein türkischer Fernsehsender fällt auf so eine Fälschung herein: Der Erdoğan-nahe Nachrichtensender 24 TV präsentiert einen deutschen YouTuber als vermeintlichen Täter.

Dahinter stecken Troll-Communities und Mobbing-Kampagnen.

Für sie ist es ein Sport, Social-Media-Nutzer und Journalisten nach Amokläufen, Terroranschlägen und anderen Gewalttaten mit Fake-Bildern hinters Licht zu führen.

Im aktuellen Fall handelt es sich bei den Bildern unter anderem um Ausschnitte aus einem Video des deutschen YouTubers "Drachenlord". Seit Jahren ist der YouTuber nicht nur zu einem eigenen Meme geworden, sondern wird auch immer wieder das Opfer massiver Mobbing-Kampagnen, die längst nicht mehr nur im Internet stattfinden.

Menschen pilgern zu seinem Wohnhaus, rufen sogar in seinem Namen den Notruf, um einen Feuerwehreinsatz bei ihm Zuhause auszulösen. 2018 musste die Polizei in seinem Heimatdorf eine Demo gegen ihn stoppen. Es kommt regelmäßig zu Sachbeschädigungen und Bedrohungen, die nicht nur den YouTuber, sondern ein ganzes Dorf in Mitleidenschaft ziehen. Und immer wieder veröffentlichen Menschen Fotos und Videos von "Drachenlord", um ihn nach Amokläufen und Terroranschlägen als angeblichen Täter darzustellen.

Dieses Bild verbreitete der Sender 24 TV:

Unkenntlichmachung durch watson.
Unkenntlichmachung durch watson.Bild: screnshot

Auf Seiten wie 4Chan werden die Bilder oftmals zuerst hochgeladen und im Anschluss auf Twitter verbreitet. Jede ungeprüfte Weiterverbreitung durch Onlinemedien oder Fensehsender feiern die Trolle besonders. Ihr Spaß geht nicht nur auf Kosten eines Unbeteiligten, dessen Fotos und Videos sie verbreiten, sondern greift auch die Glaubwürdigkeit von Medien in Ausnahmesituationen etwa nach Terroranschlägen an.

Das Phänomen ist international.

Was in Deutschland "Drachenlord" ist, ist international Sam Hyde. Fotos des amerikanischen Comedian werden seit 2015 regelmäßig nach Anschlägen und Amokläufen verbreitet. Auf den bekanntesten Fotos ist Hyde mit blondierten Haaren und einem Sturmgewehr in der Hand zu sehen. Der Hoax von Sam Hyde als Attentäter hat ebenfalls mehrfach den Sprung aus den Sozialen Medien ins Nachrichtenfernsehen geschafft. 2015 verbreitete der US-Sender CNN ein Foto von Hyde als angeblichem Amokläufer in Oregon.

Dieses Foto von Sam Hyde wird immer wieder verbreitet:

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Bild: screenshot/bearbeitung: watson

Nach dem Anschlag am Münchner Olympia-Einkaufszentrum im Jahr 2016 geisterte Sam Hyde ebenfalls als angeblicher Täter durch das Internet. Und auch der Terroranschlag von Christchurch und die Schüsse in Utrecht sind dabei keine Ausnahme.

Wie regelmäßig der Sam-Hyde-Hoax auftaucht, zeigt ein Überblick der Seite Leadstories, die sich auf das Widerlegen von im Internet verbreiteten Falschmeldungen spezialisiert.

Alleine innerhalb eines Jahres hat die Seite über sieben verschiedene Fakes berichtet:

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Bild: screenshot: lead stories

Nicht nur Täter werden erfunden, sondern auch Opfer und Tatorte.

Mehrfach wurden nach Terroranschlägen und Amokläufen in den vergangenen Jahren auch falsche Opfer-Fotos verbreitet. Nach dem Anschlag auf ein Konzert von Ariana Grande 2017 in Manchester tauchte etwa das Foto eines amerikanischen YouTubers in den Sozialen Medien auf. Der Mann habe angeblich das Konzert besucht, und sei vermisst worden. Auch nach dem Amoklauf in Las Vegas wenige Monate später, bei dem 58 Menschen getötet wurden, verbreiteten Trolle Fotos des Mannes auf Twitter. In einem Tweet hieß es: "Mein Bruder war heute Nacht am Las Vegas Strip. Er geht nicht ans Telefon! Hat irgendjemand ihn gesehen? Bitte helft mir!"

Regelmäßig tauchen nach Anschlägen auch falsche Bilder von Tatorten auf, die häufig auch von Medien verbreitet werden, ohne vorher die Echtheit zu überprüfen. Oft stammen diese Bilder von Anschlägen, die in der Vergangenheit teilweise in ganz anderen Ländern verübt worden sind.

Nach dem Anschlag auf das Münchner Einkaufszentrum fiel etwa TV-Sender Sat1 auf so einen Fake herein.

Die Fakes zu erkennen, ist oft einfach.

Die Echtheit von Fotos und Videos, die an einem fremden Ort entstanden sind, lässt sich auf den ersten Blick oft nur schwer beurteilen. Trotzdem lässt sich mit ein paar einfachen Schritten verhindern, den Fälschungen von Trollen und politisch motivierten Verbreitern von Desinformation auf den Leim zu gehen.

Häufig wurden die verbreiteten Fotos und Videos in der Vergangenheit bereits mehrfach verwendet. Zumindest Fotos lassen sich in diesen Fällen oft durch eine einfach Google-Rückwärts-Bildersuche finden.

So funktioniert das:

Dazu rufst du die Google-Bildersuche auf. Als nächstes klickst du auf das kleine Kamera-Symbol, das im Suchfenster angezeigt wird. Anschließend kannst du dort entweder ein Foto hochladen, nach dem du suchen möchtest, oder die URL eines Fotos aus dem Internet hereinkopieren. Wenn das Foto bereits in der Vergangenheit im Internet verwendet wurde, zeigt Google das in der Regel in den Suchtreffern an.

Auch die russische Suchmaschine Yandex hat eine Rückwärtssuch-Funktion, die teilweise andere und bessere Ergebnisse als Google liefert. Dort findest du die Funktion nach einem Klick auf das Kamerasymbol neben dem Suchfeld.

Weitere Tipps zur Bilder-Rückwärtssuche findest du hier.

In allen Fällen, in denen du dir nicht völlig sicher bist, ob ein Foto oder Video authentisch ist, ist es eine gute Idee, auf einen Share oder Retweet zu verzichten.

Auch bei den Gelbwesten-Protesten in Paris wurde mit einem falschen Foto Stimmung gemacht:

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