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Der US-Präsident will plötzlich nicht gewusst haben, was sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani in der Ukraine im Schild geführt hat.
Bill O’Reilly war einst Starmoderator bei Fox News, bevor er wegen sexueller Belästigung gefeuert wurde. Nun arbeitet er als Radio-Moderator. Aus alter Freundschaft hat ihm Präsident Trump ein Interview gewährt. Es hat es in sich.
Hier ein Ausschnitt:
O’Reilly: "Was hat Rudy Giuliani für Sie in der Ukraine unternommen?"
Trump: "Das müssen Sie Rudy fragen. Ich wusste nicht einmal, dass er in die Ukraine fährt. Außer mir hat Rudy noch weitere Klienten."
O’Reilly: "Sie haben ihn also nicht in die Ukraine geschickt?"
Trump: "Nein."
Einmal mehr lässt einen die Unverfrorenheit von Trump das Blut in den Adern gefrieren. Wie kann er nur behaupten, er habe Giuliani nicht in die Ukraine geschickt? In der vom Weißen Haus veröffentlichten Zusammenfassung des Telefongesprächs zwischen Trump und Wolodymyr Selenskyj, dem Präsidenten der Ukraine, wird der US-Präsident wie folgt zitiert:
In den Anhörungen des Geheimdienstausschusses der vergangenen beiden Wochen war der Name Rudy Giuliani allgegenwärtig. Zeuge um Zeuge erklärte, er sei der Kopf der Schattenregierung gewesen, die in privater Mission die offizielle US-Außenpolitik unterlaufen und den neu gewählten Präsidenten Selenskyj unter Druck gesetzt habe – und zwar auf ausdrückliches Geheiß Trumps.
Gordon Sondland. Bild: reuters / LOREN ELLIOTT
Am deutlichsten drückte sich Gordon Sondland, der von Trump eigenhändig eingesetzte EU-Botschafter, aus. Er wurde am 20. Mai zusammen mit Energieminister Rick Perry und Sonderbotschafter Kurt Volker ins Weiße Haus beordert, um über den Stand der Dinge in Kiew zu berichten.
Den "drei Amigos" – das waren Sondland, der Sondergesandte Kurt Volker und Energieminister Rick Perry – war bald klar, woher der Wind weht: "Fragt Rudy", wurden sie vom Präsidenten aufgefordert. "Wir wussten, dass wir uns an die Direktiven von Giuliani zu halten hatten", sagte Sondland.
"Ask Rudy" erinnert an "Ask Michael". Das erklärte Trump seinerzeit auf die Frage von Journalisten, ob er von den Schweigegeld-Zahlungen an den Pornostar Stormy Daniels gewusst habe. Mit Michael war Michael Cohen gemeint, Giulianis Vorgänger als Trumps persönlicher Anwalt.
Trump hatte auch damals schon wohl gelogen. Er wusste von den Zahlungen, wie sich später herausstellte. Rechtlich gesehen ist er damit "nicht angeklagter Mitverschwörer". Cohen sitzt nämlich wegen dieser Zahlungen im Knast. Weil ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden kann, darf Trump weiterhin im Weißen Haus sitzen.
Im für ihn schlimmsten Fall nicht mehr allzu lange. Das Justizkomitee hat angekündigt, dass die rechtlichen Anhörungen schon am 4. Dezember beginnen werden. (Die Anhörungen vor dem Geheimdienstausschuss waren gewissermaßen die Untersuchungen.)
Das Urteil im Fall McGahn könnte weitreichende Folgen haben. Es ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für Trump und seinen Anspruch, über dem Gesetz zu stehen. Es könnte auch bedeuten, dass die Schwergewichte im Weißen Haus – Außenminister Mike Pompeo, Energieminister Rick Perry und Stabschef Mick Mulvaney – in den Zeugenstand gezwungen werden.
Besonders gespannt wartet Washington derweil auf John Bolton, den gefeuerten Sicherheitsberater. Er nimmt seine Entlassung nicht auf die leichte Schulter und provoziert laufend mit Andeutungen. Er wisse von Sitzungen, die bisher noch nicht bekannt seien, ließ er via seinen Anwalt wissen. Das Weiße Haus habe nun seinen Twitter-Account deblockieren müssen, erklärte er selber.
John Bolton. Bild: AP / Pablo Martinez Monsivais
Bolton hat einst gesagt, Giuliani sei eine Handgranate, die ihnen im Gesicht explodieren werde. Nun ist er selbst ein ungelenktes Projektil geworden, welches das Weiße Haus in die Luft jagen könnte.
Was Rudy Giuliani betrifft: Er wird sich kaum wie Cohen abschlachten lassen. "Ich habe Versicherung", ließ er kürzlich in einem Interview mit Fox News in klassischem Mafia-Sprech durchblicken. Wenige später präzisierte er eilig, er habe damit nicht auf den Präsidenten anspielen wollen.
Doch Trump wird wissen, was sein Anwalt gemeint hat, und an wen die Botschaft adressiert war. Will er Rudy tatsächlich über die Klinge springen lassen, muss er sich warm anziehen.